Josef Eder ist Schauspieler und hat erst als Matrose und dann als Tänzer und Choreograf die ganze Welt bereist. Heute arbeitet er auf der Bühne gleichermaßen mit Profis und Laien.
Wir treffen uns in einem Café mitten im Kölner Studentenviertel. Aus den Lautsprechern klingt leise klassische Musik. „Ich kenne den Laden noch aus meiner Studienzeit“, sagt Josef Eder. 1990, mit 26 Jahren, kam er bei einem Workshop in der Domstadt zum ersten Mal mit Tanz als Bühnenkunst in Berührung. „Als ich dort ankam, war mir klar: Das ist meine Passion, dafür brenne ich, das ist der Beginn eines neuen Weges“, erklärt er.
Für den Start einer Tanzkarriere eigentlich viel zu spät. Doch der Bauernsohn ließ sich nicht beirren. Nach seiner Schulzeit bei den Regensburger Domspatzen, der Ausbildung zum Landwirt und einer Weltreise als Matrose arbeitete Eder mit Mitte zwanzig zunächst als Viehhändler. „Der Job ernährte mich, aber ein Glücksgefühl wie beim Tanzen hatte ich nie“, sagt er. Eder zog die Konsequenzen und absolvierte eine Ausbildung zum Tänzer, Theaterpädagogen und systemischen Berater. Er stand auf Bühnen in Bonn, Köln und New York und arbeitet als Schauspieler für den Bayerischen Rundfunk.
Der Blick auf die Bühne:
Schließlich entwickelte er eigene Choreografien: Bayerwald Passion, eine Trilogie über die kulturellen Wurzeln des Bayerischen Waldes. Wenn man mit Eder spricht, merkt man schnell: Es ist der Perspektivwechsel, der ihn am Bühnenleben reizt. „Theater ist ja eine Art von Philosophie“, erklärt er. „Es geht darum, Themen von einer ganz anderen Seite zu betrachten.“Der ehemalige Milchviehbetrieb seiner Familie in Niederbayern dient ihm dabei als Ruheort. „Zuhause bin ich so erdig unterwegs und grad bei den Holzarbeiten sieht man, was man getan hat. Beim Tanzen gibt es das nicht“, sagt er.
Die Entwicklung hin zu immer größeren Betrieben in der Landwirtschaft sieht er alarmierend. „Mein Vater hat noch sorgsam alle Nüsse aufgesammelt, damit bloß keine einzige kaputt geht. Man muss kein Bio-Idealist sein, um die Lebensmittel und den Boden so zu schätzen, wie er es tat“, plädiert er.
Viele verschiedene Projekte:
Als Choreograf arbeitet er heute weltweit in Community-Tanz-Projekten mit Kindern und Jugendlichen unterschiedlicher Herkunft und Voraussetzungen. Außerdem gibt er seine Erfahrungen in Workshops an erwachsene Amateure und Profis weiter.Der 53-Jährige hat das Talent authentisch aufzutreten und seine Zuhörer in einen Bann zu ziehen. Als Trainer auf Knopfdruck die Leute zu animieren, das ist nicht seine Art. „Ich vertraue auf den Prozess und habe ein gutes Gespür dafür, was es für einen fruchtbaren Lernprozess braucht“, sagt er.
Jodelkurse für Städter und die Choreografie für das Singspiel am Münchener Nockherberg stehen aktuell auf seiner Agenda. Eine Woche Lyon, fünf Wochen Shanghai: Seine Ziele und Projekte sind ganz unterschiedlich. „In Dessau habe ich ein Stück mit geflüchteten und deutschen Jugendlichen entwickelt“, sagt Eder, als er seinen Latte Macchiato austrinkt und sich eine Zigarette dreht. „Zu sehen, wie Menschen nach fünf Wochen Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten entwickelt haben, das ist unbeschreiblich.“Katharina Meusener
