Als der kursächsische Oberberghauptmann von Carlowitz sein Prinzip der Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft zur Sicherung des Holznachwuchses formulierte, waren die Wälder u.a. durch das Berg- und Hüttenwesen gefährdet. 300 Jahre später sind sie es v. a. durch den immensen Papierverbrauch in Zusammenhang mit diesem Begriff.
Nichts gegen Nachhaltigkeit, aber jetzt hat sie halt Konjunktur, vor allem in den Zeitungen, auf Plakaten und Etiketten. 17 Ziele formuliert die Bundesregierung im Rahmen der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie und von allen Seiten überschlagen sich Verbände und Unternehmen krampfhaft beim Versuch, über diese 17 Ziele hinauszuschießen.
Die Kartoffelknödel einer bekannten Marke heißen jetzt nicht mehr nur Knödel aus Kartoffeln, sondern sind aus „nachhaltigen Kartoffeln“ gestampft! Himmel nochmal, was sind denn „nachhaltige Kartoffeln“? Kartoffeln aus nachhaltigem Anbau lass ich als begriffsverschwurbelnde Erklärung noch durchgehen, aber „nachhaltige Kartoffeln“? Die Knollen kommen in den Teig, meine Frau formt daraus Knödel, ich mampfe sie weg. Was soll daran nachhaltig sein? Dies ist nur ein nachhaltiger Blödsinn.
Ein weiteres Beispiel für den beispiellosen Sittenverfall unseres Lebensmittelhandels steht seit einigen Tagen auf unserem Frühstückstisch. Eine Marmeladenfabrik aus Bad Schwartau, deren Namen ich natürlich nicht nenne, schämt sich nicht, das in industrieller Großserie gefüllte Glas mit dem Logo „Hofladen“ zu etikettieren. Geht’s noch? Was für eine Watschen für alle Betreiber von Bauernhofläden. Und wo stand es im Regal? Bei Tante Edeka um die Ecke. Wenn mit Wahrheit und Klarheit in der Werbung nicht nachhaltiger umgegangen wird, dann ist mir bange um die 17 Ziele der Regierung.
Ich werde mit meiner Frau beraten, ob wir nicht doch wieder Kartoffeln anbauen, noch mehr Marmelade selbst einkochen und vor allem weniger Zeitung lesen sollten.
Herzlichst Ihr Hans Neumayer
Herzlichst Ihr Hans Neumayer
Nachtrag: Kurz nachdem ich diese Glosse geschrieben hatte, kaufte meine Frau Kartoffelteig, „jetzt mit Kartoffeln aus nachhaltiger Produktion“. Als ob der Hersteller etwas geahnt hätte!