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Niedersachsen: Es rumo(o)rt mächtig

Lesezeit: 5 Minuten

Rund 70 000 ha Acker- und Grünland sind in Niedersachsen als Vorranggebiet für den Moorschutz vorgesehen. Hunderte von Betrieben sehen ihre Existenz bedroht.


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Hier ist Niedersachsen ganz Milchland: Grünland soweit das Auge reicht, mehr Rinder als Menschen, sogar der Kaffee wird in schwarzbunten Tassen serviert. Doch während draußen die Ladewagen fahren, machen sich bei den Landwirten im Landkreis Cuxhaven massive Existenzängste breit. Grund ist der jetzt ausliegende Entwurf der Änderung des Landes-Raumordnungsprogrammes (LROP), das neue Vorranggebiete für „Torferhaltung und Moorentwicklung“ vorsieht, um „kohlenstoffhaltige Böden“ zu sichern.


Die Planer waren nicht zimperlich: Alles, was mehr als 1,30 m Moormächtigkeit aufweist und 25 ha Größe hat, fällt in die Kulisse, insgesamt 100 000 ha in ganz Niedersachsen. Was die Landwirte besonders ärgert: Bewusst ausgespart sind bereits bestehende umfangreiche Naturschutz- und FFH-Gebiete, die schon jetzt die Bewirtschaftung der Betriebe erschweren. Die neuen Gebiete kommen extra hinzu.


Angst vor der Zukunft:

Allein im Kreis Cuxhaven sind 18 000 ha betroffen. Kein Wunder, dass hier viele Bauern um ihre Existenz fürchten. Auch Familie Lücken aus Sellstedt ist mehr als entsetzt: „Von unseren 190 ha Grünland sind 170 ha als Vorranggebiet kartiert.“


Die Familie hält 230 Milchkühe auf 245 ha Fläche und setzt seit Jahren auf extensivere Verfahren wie die Weidehaltung und die Fahrsilofütterung. Seit der Aussiedlung des Betriebes ins Moor in den 1970er-Jahren ist er immer weiter gewachsen. Derzeit entsteht ein neuer Milchviehstall, Hofnachfolger Jan Lücken (21) steht in den Startlöchern. Auch er ist besorgt: „Das Vorranggebiet verläuft sogar quer über unsere Hofstelle – was das bedeutet, kann uns aber keiner sagen.“


Denn das LROP entfaltet zwar keine direkte Wirkung. Solche öffentliche Planungen sind aber die erste Stufe für weitergehende Regelungen und Einschränkungen. „Vor allem die Begründung des LROP lässt wenig Zweifel, wohin die Reise gehen soll“, so Harm Wilkens, Geschäftsführer des Landvolkes Wesermünde und ergänzt: „In der Begründung ist unmissverständlich als Ziel die Wiedervernässung der Flächen im Vorranggebiet für Torferhaltung und Moorentwicklung formuliert. Flächen sollen der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden. Dadurch verlieren die betroffenen Betriebe große Teile ihrer Produk-tionsgrundlagen und werden massiv in ihrer Existenz bedroht.“


Misstrauisch macht die Landwirte auch, dass aus dem Landwirtschaftsministerium verlautet, neben dem Torf-abbau seien genehmigungsrechtliche Maßnahmen ausgeschlossen, „die die CO2-Speicherfunktion der Böden dauerhaft und gravierend verschlechtern“. Milchviehhalter Kristian Schmidt aus Bad Bederkesa befürchtet: „Mit einem Genehmigungsstopp für Schöpfwerke, Drainagen, Grabensanierungen oder Stallbauten könnte man die Landwirtschaft ganz bequem durch die Hintertür ausbluten lassen.“ Er kann Landwirtschaftsminister Christian Meyer deshalb keinen Glauben schenken, der Anfang Oktober im Landkreis Cuxhaven „Beruhigungspillen“ verteilte: Die Wiedervernässung in Vorranggebieten fände wenn überhaupt nur freiwillig statt, der Status quo der Landwirtschaft sei durch das LROP nicht gefährdet, so der Minister vor Hunderten von Landwirten bei einer Info-Veranstaltung. Eigentlich gehe es nur darum, mit dem LROP den Torfabbau durch die Torfindustrie zu stoppen, so Meyer.


Schraffiert ist schraffiert:

Für Milchviehhalter Schmidt übersieht der Minister dabei, dass allein die Ausweisung des Vorranggebietes schon gravierende Auswirkungen hat: „Steht die Vorrangkulisse erst einmal, wird immer mehr draufgesattelt. Die Gebiete strahlen aus, Baugenehmigungen in der Nähe sind schwierig, die Entwässerung wird blockiert.“ Das hat er aus jahrelangen Erfahrungen mit einem benachbarten FFH-Gebiet gelernt, das auf seinem Betrieb die bauliche Entwicklung lahmlegt. Auch Christina Lücken erzählt: „Schon wegen der bestehenden Schutzgebiete rund um unseren Hof waren für den neuen Stall zusätzliche teure Genehmigungsunterlagen erforderlich, die Kompensationsauflagen fielen hoch aus.“ Sie befürchtet zudem die Reaktion der Banken: „Allein die Existenz des Vorranggebietes auf dem Papier wird unser Rating verschlechtern, Kredite dadurch teurer“, so ihre Befürchtung.


Völlig katastrophal wäre, wenn es entgegen der derzeitigen Aussagen des Ministers doch zu neuen Auflagen auf dem Moorgrünland käme. Die Landesregierung plant, künftig Flächen aufzukaufen und die Wassserstände anzuheben. Die Befürchtungen der Landwirte:


  • Der Flächendruck würde weiter zunehmen und Pacht- und Kaufpreise weiter verteuern.
  • Betroffene Flächen verlören an Wert. Das bedeutet Eigentumsverlust und führt zu Problemen bei der Beleihung.
  • Drastische Einkommensverluste und der Verlust der Betriebe für die Hofnachfolger wären vorprogrammiert.
  • Extensivgrünland eignet sich nicht für Milchkühe. Neben Maissilage müssten die Landwirte Eiweißfutter aus Südamerika zukaufen.
  • Wasser kennt keine Grenzen: Der Herauskauf einzelner Flächen und ihre Vernässung kann auch benachbarte Flächen negativ beeinflussen.
  • Die Wirtschaftskraft der Region würde stark geschwächt.
  • Eine großflächige Vernässung könnte sogar die Dörfer beeinträchtigen.


Die Landwirte lehnen die Vorranggebiete des LROP deshalb kompromisslos ab. Sie hoffen, dass noch möglichst viele Einwände eingehen. Der Plan liegt für Stellungnahmen bis zum 31.10.2014 aus, die Frist für Einwendungen läuft am 14.11.2014 ab.


Mittlerweile haben auch die Gemeinden die Tragweite der Vorschläge erkannt. In der strukturschwachen Region spielt die Landwirtschaft mit ihrem vor- und nachgelagerten Bereich als Arbeitgeber eine wichtige Rolle.


So sind auch die Landmaschinenhändler und Lohnunternehmer Holger und Michael Bredehöft in Lintig besorgt. Ihr Betrieb beschäftigt 64 Angestellte und bildet 7 Lehrlinge aus: „Sollte die Grünlandwirtschaft schrumpfen, verlieren wir natürlich Kunden und müssen abstocken“, so die klare Ansage der beiden Geschäftsführer.


Die Landwirte vor Ort kämpfen nun für einen kompletten Stopp des LROP. Dabei setzen sie vor allem auf das noch laufende Beteiligungsverfahren, Information der politischen Entscheidungsträger und letztendlich die Abstimmung im Landtag. Gesa Harms

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