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Perspektiv-Wechsel: Der Blick von außen

Lesezeit: 7 Minuten

Mit dem Projekt „Starke Bauern. Starkes Image.“ bekommt Familie Grell ein maßgeschneidertes Konzept für die Kommunikation mit Nachbarn. Nach der Selbstanalyse wirft die Agentur „Die Jäger“ jetzt einen kritischen Blick von außen auf den Betrieb.


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Was kommuniziert mein Hofbild nach außen? Was denken die Nachbarn über mich? Diese Fragen stellen sich wohl nur wenige Betriebsleiter. Die Zeit ist knapp und der Tag stramm gefüllt mit Füttern, Melken und Büroarbeit.


So auch bei Milchviehhalter Knud Grell in Duvensee. Mit einem Stall-Anbau hatte er jedoch einzelne Nachbarn gegen sich aufgebracht (top agrar 1/2017). Heute gesteht er sich aber auch kommunikative Fehler ein. Im Rahmen des top agrar-Projektes „Starke Bauern. Starkes Image.“ will er daran feilen.


Martin Dess, Chef der Kommunikations-Agentur „Die Jäger“ und gelernter Landwirt, unterstützt ihn dabei. Als erste Aufgabe hat der junge Milcherzeuger seine Stärken und Schwächen analysiert (top agrar 2/2017). Jetzt geht es um das Abwägen der nächsten Schritte.


Dabei warnt Dess davor, voreilige Schlüsse zu ziehen: „Genau das ist die Achillesferse der Landwirtschaft: sofort handeln, ohne groß nachzudenken“. Viel wichtiger sei es, inne zu halten und sich in die Haut der Anderen hineinzuversetzen. „Zu jeder Geschichte gibt es zwei Seiten. Wichtig ist, beide zu hören“, sagt Dess. Genau das hat der Kommunikations-Experte jetzt gemacht.


Erster Eindruck zählt.

Zunächst hat Dess festgehalten, welchen ersten Eindruck der Betrieb Grell ihm persönlich vermittelt. Der gelernte Landwirt macht deutlich: Mit dem Außenbild des Hofes kommunizieren Betriebsleiter nonverbal, wie mit einer bestimmten Körperhaltung im Gespräch. Hier gilt: Man kann nicht nicht kommunizieren. Vielen Landwirten ist nicht bewusst, wie stark Gebäude oder Einfahrt auf Außenstehende wirken.


Denn: Ein gepflegter, aufgeräumter Hof sorgt bei Nachbarn und potenziellen Kunden für ein positives Gefühl. Ordnung strahlt Liebe zum Detail aus. Sie signalisiert: Wir wertschätzen unseren Hof, wir wertschätzen unsere Tiere und die Umwelt.


In einem ehrlichen, offenen Gespräch hält Dess der Familie Grell einen Spiegel vor: Für die Milchviehhalter haben die Produktion und das Wohl der Tiere oberste Priorität. Dafür arbeiten sie jeden Tag hart. Das Außenbild des Hofes kommuniziert dies jedoch nicht.


Die Liebe zu den Tieren und die harte Arbeit sind für Außenstehende nicht erkennbar. Stall-Anbau sowie Streit mit den Nachbarn haben den Betrieb wohl viel Zeit und Kraft gekostet. Im Gegensatz zum modernen Stall sind die Altgebäude direkt an der Dorfstraße auf der Strecke geblieben. Sie wirken unordentlich und verschmutzt. „Das vermittelt bei Anwohnern möglicherweise ein negatives Bild über den Hof und damit auch über die tägliche Arbeit des Betriebes“, sagt Dess. Im direkten Gespräch lassen sich solche Missverständnisse zwar aufklären, doch der Aufwand dafür ist erheblich höher als eine positive Ausstrahlung des Hofes.


Der Kommunikations-Profi geht noch einen Schritt weiter: „Viele Landwirte unterschätzen die positiven Effekte eines aufgeräumten Hofes auf die eigene Stimmung. Wer in einem ordentlichen Umfeld arbeitet, ist zufriedener und hat mehr Spaß an der Arbeit.“


Ordnung spart Zeit.

Viele Betriebsleiter argumentieren, dass für große Putzaktionen und regelmäßiges Aufräumen keine Zeit bleibt.


Doch das ist ein Trugschluss, meint Dess: „Aus meiner praktischen Lehrzeit weiß ich, dass sich mit einer aufgeräumten Werkstatt, einem sauberen Stall oder einem ordentlichen Hof am Ende Arbeitszeit einsparen lässt.“ Beispielsweise lohnt es sich, Futterreste sofort auf den Misthaufen zu schieben, statt wochenlang um die immer größer werdenden Haufen herumzufahren.


Deshalb will Martin Dess gemeinsam mit Knud Grell im nächsten Schritt konkret festlegen: Wie kann das künftige Ordnungskonzept für den Betrieb aussehen? Wie lässt es sich im Alltag für jeden einzelnen Mitarbeiter umsetzen? Wichtig ist, dass der Junior-Chef sämtliche Aufgaben verinnerlicht und auch vorlebt.


Was sagen die Anwohner?

Um die Wirkung des Betriebes Grell auf Außenstehende besser einschätzen zu können, hat der Experte auch die Meinungen der Anwohner des Dorfes Duvensee abgefragt. Er wollte herausfinden, was diese an dem Milchviehbetrieb positiv bewerten und was sie kritisch hinterfragen. „Wer an seiner Kommunikation feilen will, muss wissen, was er verbessern kann. Entscheidend dafür ist, in die Rolle des Anderen zu schlüpfen“, macht Dess deutlich.


Wichtig ist, die Meinungen Anderer wertzuschätzen. In einer Gesellschaft ist die Sorge jedes Einzelnen gleichwertig. Für Landwirte ist das eine erfolgreiche Ernte oder die optimale Versorgung der Tiere. Für Andere kann es der Schutz seltener Vogelarten oder der Wunsch nach stets sauberen Straßen vor der Haustür sein. Deshalb lautet der erste Schritt: zuhören und die persönliche Sicht des Anderen akzeptieren.


Im Gespräch mit den Anwohnern zeigt sich, dass ein Großteil des Dorfes grundsätzlich hinter den Milcherzeugern steht. Viele leben seit Generationen im Ort, andere sind bewusst aufs Land gezogen. Ländliche Gerüche oder Lärm durch landwirtschaftliche Maschinen nehmen sie in Kauf.


Doch grundsätzlich ist eine Belastung vorhanden und von einigen Dingen fühlen sie sich konkret gestört. So erklärt eine Anwohnerin, dass sie erheblichen Respekt vor den immer größeren Landmaschinen hat.


Auf den engen Landstraßen sei meist kaum Platz, um Schleppern oder Erntemaschinen auszuweichen. Aus der Sicht eines Fußgängers oder Reiters seien die riesigen Maschinen noch furchteinflößender.


Aus den Rückmeldungen der Nachbarn wie diese lassen sich kommunikative Schwächen der Grells ableiten. Sie machen deutlich, wo Potenzial für Veränderungen liegt. Natürlich kann der Landwirt an Kritik, wie beispielsweise der Größe seiner Maschinen nichts direkt ändern. Doch er kann z.B. durch langsames Fahren signalisieren, dass ihm die Furcht des anderen Verkehrs-teilnehmers bewusst ist und er Rücksicht nimmt.


Verfahrene Situation:

Besonderes Fingerspitzengefühl verlangt der Konflikt mit einzelnen Nachbarn.Dieser ist zum Teil so eskaliert, dass man nur noch über Anwälte kommuniziert. Auslöser dafür war ein Stall-Anbau. Doch Knud Grell sieht auch Missverständnisse und gesteht selbst kommunikative Schwächen ein. Gegenseitige Vorwürfe erschweren jedoch heute das Gespräch zwischen den verschiedenen Parteien.


Dess macht deshalb deutlich: In einer verfahrenen Situation wie dieser lässt sich der Konflikt kaum durch die unmittelbar Betroffenen selbst lösen. In den seltensten Fällen kann ein Rechtsanwalt dabei helfen. In der Regel ist deshalb eine dritte, neutrale Person nötig.


Wichtig ist, dass diese Person kommunikativ dazu in der Lage ist zu vermitteln. Sie sollte beide Seiten anhören und sich so eine unabhängige Meinung bilden. Erst dann sind lösungsorientierte Ansätze möglich.


So hat Kommunikations-Profi Dess auch das Gespräch mit den betroffenen Nachbarn der Grells gesucht und sich ihrer Sichtweise angenommen. Als neutraler Vermittler kann er einige Argumente nachvollziehen. Den Kontakt will Dess jetzt noch intensivieren.


Wie geht es weiter?

Die Rückmeldungen der Nachbarn haben „Die Jäger“ an Grell zurückgespielt. So zeigt sich, ob und was der Betrieb überhaupt bereit ist zu verändern. Auf dieser Basis wollen die Experten für Kommunikation gezielte Gespräche mit den betroffenen Parteien führen und deren Aussagen analysieren. Daraus will die Agentur ableiten, wie sie mit den einzelnen Positionen konkret umgeht.


Ziel ist, Familie Grell wieder mit den verärgerten Nachbarn ins Gespräch zu bringen. Bestenfalls ließe sich wieder ein dauerhaft gutes Verhältnis zueinander aufbauen. Doch Dess stellt auch klar: „Vorher muss der Betrieb Grell seine Hausaufgaben machen. Sie bilden die Grundlage, auf der eine gute Kommunikation überhaupt erst stattfinden kann.“


Anke Reimink


Anke Reimink


Eine Checkliste für die Kommunikation in kritischen, verfahrenen Situationen finden Sie online auf:


www.starke-bauern.de

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