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Sau mit Charakter gesucht

Lesezeit: 7 Minuten

Sauen sollen sich im Stall mehr bewegen können. Dafür braucht man Tiere mit Charakter.Im Projekt „FreeSow“ wird nach solchen Sauen gesucht. Dr. Barbara Voß, BHZP, und Prof. Nicole Kemper, Tiho Hannover, berichten.


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Über die künftige Form der Tierhaltung wird weiter intensiv diskutiert. Besonders die Schweinehaltung steht immer wieder in der Kritik, allen voran die mehrwöchige Fixierung der Sauen im Deckzentrum und Abferkelstall. In Zukunft sollen sich die Tiere nicht nur im Wartestall, sondern auch während der Belegung und Laktation freier bewegen können.


Doch das ist leichter gesagt als getan. Denn wenn man den Sauen im Deckzentrum und Abferkelstall mehr Freiräume zugesteht, kann es sehr schnell kritisch werden:


  • Im Deckzentrum können sich Sauen an den Beinen und Klauen schwer verletzen, wenn sie während der Rausche nicht fixiert werden und gegenseitig aufspringen.
  • Im Abferkelstall drohen höhere Saugferkelverluste, wenn die Sauen nicht wenigstens in den ersten Tagen nach der Geburt im Ferkelschutzkorb stehen.
  • Die Sicherheit des Betreuungspersonals ist bei frei laufenden rauschenden bzw. laktierenden Sauen nicht in jedem Fall zu 100% gewährleistet.


Guter Charakter gesucht:

Damit die Sauen in Haltungssystemen mit mehr Bewegungsspielraum in Zukunft gut zurechtkommen, müssen nicht nur die Stallsysteme angepasst werden. Auch die Tiere selbst müssen zur „freieren Haltung“ passen. Dafür müssen sie entsprechende Charaktereigenschaften mitbringen.


Neben einer guten Mütterlichkeit zählt ein ruhiges Wesen, denn die Sau soll nicht aggressiv gegenüber ihren Ferkeln und dem Betreuer auftreten. Aber auch die Milchleistung und die Futtereffizienz spielen eine Rolle. Die Futter-effizienz betrifft vor allem die ökologische Schweinehaltung, weil hier die Nährstoffversorgung während der Laktation eine große Herausforderung ist. Generell wichtig ist auch eine gute Tiergesundheit, weil sich nur fitte Tiere wohl fühlen sowie ruhiger und vorsichtiger im Umgang mit ihren Ferkeln sind.


Leider liegen derzeit noch nicht genügend wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema Charaktereigenschaften von Sauen vor. Das soll sich durch das Projekt „FreeSow: Integration ethologischer und funktioneller Merkmale in Zuchtprogrammen für die Sau von morgen“ ändern. Ein wichtiges Ziel des Projektes ist es, Sauen zu finden, die sowohl eine gute Mütterlichkeit aufweisen und auf ihre Ferkel achten, als auch den Menschen tolerieren.


Verhaltenstest mit Kunsthand:

Doch wie findet man entsprechende Sauen mit den gewünschten Charaktereigenschaften? Im Rahmen von „FreeSow“ wurden verschiedene Verhaltenstests diskutiert und entwickelt. Einer die-ser neuartigen Verhaltenstests ist der sogenannte „Dummy-Arm-Test“. Der Dummy-Arm besteht aus einem Holzstock mit einer Handattrappe aus Kunststoff am vorderen Ende. Er wurde entwickelt, um möglichst realitätsnah und ohne Gefährdung des Untersuchungspersonals das Aggressionspotenzial einer Sau zu testen.


Für den Test betritt der Betreuer die Abferkelbucht mit der fixierten Sau vier Tage nach der Geburt. Dann „nervt“ er die Ferkel in der Nähe der Sau mit der künstlichen Hand so lange, bis sie quieken. Im nächsten Schritt wird geschaut, wie sich die Sau verhält. Zeigt sie aggressive Abwehr- und Verteidigungsreaktionen, oder bleibt sie gegenüber der künstlichen Hand eher ruhig? Die Ergebnisse werden auf einer Skala von 1 bis 4 bonitiert.


Wie in der Übersicht zu sehen, verhielten sich über 90% der Sauen, die bislang im Projekt „FreeSow“ auf ihr Verhalten hin getestet wurden, ruhig gegenüber dem Menschen. Entweder zeigten die Sauen keine oder nur leichte Reaktionen. Etwa 6% der Sauen reagierten mit einem Bissversuch und 1,5% bissen tatsächlich zu. Das Ergebnis zeigt, dass man mit der Mehrzahl der Sauen auch bei freier Bewegung im Abferkelstall umgehen kann, ohne dass die Tiere aggressiv reagieren.


Um das Verhalten der Sauen noch besser beurteilen bzw. absichern zu können, erfolgt im Rahmen des Projektes auch der sogenannte „Trogtest“. Bei diesem wird beim Entleeren des Futtertroges geschaut, wie die ferkelführenden Sauen auf den Eingriff des Menschen reagieren. Mit dem Trogtest sollen möglichst praxisnahe Arbeitsabläufe simuliert werden. Der Test erfolgt zum ersten Mal bei geschlossenem Ferkelschutzkorb um den 4. Laktationstag. Der zweite Stresstest erfolgt nach dem Öffnen der Bucht am 10. Laktationstag.


Ablegeverhalten im Fokus:

Neben der Arbeitssicherheit sind die höheren Ferkelverluste in Haltungssystemen mit mehr Bewegungsfreiheit ein ungelöstes Problem. Aus früheren Studien ist bekannt, dass mehr Bewegungsfreiheit für die Sau mit steigenden Saugferkelverlusten einhergeht, insbesondere in den ersten drei Lebenstagen. Dabei ist das Erdrücken der Ferkel durch die Sau die Hauptursache für die höheren Saugferkelverluste.


In diesem Zusammenhang spielen nicht nur das Ablegeverhalten und die Muttereigenschaften der Sau eine wichtige Rolle, sondern auch ihre Fundamentgesundheit, die Konstitution und die allgemeine Kondition. Denn eine Sau, die lahm ist und Schmerzen hat oder abgemagert und geschwächt ist, legt sich nicht vorsichtig ab. Sie plumpst regelrecht zu Boden. Zudem steht sie wegen ihrer Schmerzen oder wegen der körperlichen Anstrengung nicht sofort wieder auf, wenn ein Ferkel quiekt.


Allerdings kann es auch bei gesunden Sauen, die ein völlig ungestörtes Abliegeverhalten zeigen, zu erdrückten Ferkeln kommen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Muttersau und Ferkel nicht schnell genug reagieren. Hier führt insbesondere das sogenannte „Rolling“, bei dem sich die Sauen aus einer Seitenlage in die andere begeben, zu Verlusten. Gefährlich wird es vor allem dann, wenn die Ferkel sehr nahe an der Sau ruhen oder schlafen, weil beispielsweise das Ferkelnest zu kalt ist.


Topp fitte Sauen wichtig:

Bei Sauen, die sich mehr bewegen können, zählt also mehr denn je, dass sie in guter körperlicher Verfassung sind. Das körper-liche Wohlergehen wird im Projekt dokumentiert, indem die Sauen beim Einstallen in die Abferkelbucht, kurz nach dem Abferkeln und zum Ausstallen gewogen werden. So kann der Gewichtsverlust erfasst werden. Parallel dazu werden die Rückenspeckdicke und der Body Condition Score (BCS) erfasst. Auch die Stellungen der Vorder- und Hintergliedmaßen werden festgehalten.


Erste Auswertungen zeigen, dass der visuell erfasste BCS gut mit den tatsächlichen Körpergewichten korreliert. Das bedeutet: Die Schätzung mittels BCS ist eine gute und praktikable Möglichkeit, um die Kondition und das Gewicht der Sauen zu schätzen.


Gute Futterverwerter gesucht:

Damit die Sauen von morgen konditionell topp fit sind, müssen sie ihr Futter optimal verwerten. Im Rahmen des Projekts wird daher parallel zu den Konditions- und Konstitutionsbewertungen auch der tierindividuelle Futter- und Wasserverbrauch ermittelt.


Die ausreichende Versorgung mit Nährstoffen stellt besonders Landwirte mit ökologischer Schweinehaltung immer wieder vor neue Herausforderungen. Denn die Suche nach alternativen Energie- und Eiweißquellen gestaltet sich bei dieser Produktionsausrichtung besonders schwierig, weil die Ansprüche an das Futter deutlich höher sind als bei konventioneller Produktion.


Mithilfe der gewonnenen Daten sollen künftig Rückschlüsse auf die Futterverwertung einzelner Sauen gezogen und die Eignung als mögliches Selektionsmerkmal überprüft werden. Das Ziel ist, durch eine optimierte Futterverwertung das Wohlbefinden der Sauen zu steigern, indem Energiedefizite, die oft nach der Abferkelung auftreten, geschlossen bzw. minimiert werden.


Das Thema Futterverwertung bei Sauen ist auch deshalb so wichtig, weil die Anforderungen an die Nährstoffversorgung insgesamt steigen. Das hängt unter anderem mit den sinkenden Körperfettreserven und der immer weiter steigenden Milchproduktion zusammen. Die optimale Versorgung und Ausnutzung der Ressource Futter verbessert somit nicht nur die Ökonomie, sondern ist vielmehr auch für das Wohlbefinden von Sau und Ferkeln entscheidend. Durch die Einbeziehung dieser neuen Merkmale in die Zucht kann im besten Fall ein Beitrag für mehr Tierschutz und Arbeitssicherheit, weniger Tierverluste und eine höhere Langlebigkeit geleistet werden.-ar-

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