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So viel Klimaschutz liefert Bioenergie wirklich

Lesezeit: 6 Minuten

Bayerische Wissenschaftler haben die Treibhausgaseinsparungen von Biogas, Rapsölkraftstoff und Energieholz untersucht. Die Ergebnisse werden die Klimaschutzpolitik in Berlin und Brüssel beeinflussen und auch den Anbau von Energiepflanzen verändern.


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Bald rollt sie wieder, die Häckselkette: Über 600 PS starke Feldhäcksler zerkleinern Mais als Rohstoff für viele Biogasanlagen und schlucken dabei über 120 l Sprit pro Stunde. Fast im Minutentakt fahren Traktoren mit 200 PS die Biomasse in gigantischen Häckselwagen zum Silo, wo massige Walzschlepper und Radlader alles zusammenpressen. Später produzieren Bakterien daraus Biogas, das mit viel Aufwand in Motoren zu Strom und Wärme umgewandelt wird. Einem Beobachter stellt sich unwillkürlich die Frage: Ist das wirklich klimaschonend? Ähnliche Fragen ergeben sich beim Einsatz von Rapsöl als Kraftstoff oder bei der Nutzung von Holz als Brennstoff.


Basis für Politik:

Um für politische Empfehlungen exakte Daten zu bekommen, mit dem sich bestimmte Prozessketten untersuchen lassen, hat die Bayerische Landesregierung im Jahr 2012 die „Expertengruppe Ressourcenmanagement Bio-energie“ (kurz: ExpRessBio) ins Leben gerufen. Das Team hat vier Jahre lang die Bereiche Biogas für die Stromerzeugung, Rapsölkraftstoff und Energieholz unter die Lupe genommen und Optimierungspotenziale ermittelt. Wir stellen im Folgenden die Ergebnisse vor.


Potenzial im Wald:

Der deutsche Wald bindet jährlich rund 58 Mio. t Kohlendioxid. Doch beim Verrotten von Waldholz oder bei der Nutzung als Baustoff und Brennholz gelangt CO2 wieder in die Atmosphäre. Auch wird CO2 bei der Holzernte freigesetzt, wenn die Maschinen fossile Energieträger nutzen. Hierbei gibt es Optimierungspotenzial, zeigt das Forschungsprojekt. „Die Produktionsbedingungen im Forst sind sehr unterschiedlich, je nach Baumarten, Wuchsbedingungen oder Umtriebszeiträumen“, erklärt Christoph Schulz von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF). Darum haben die Wissenschaftler verschiedene Verfahren modellhaft untersucht und am Ende einen „Kohlendioxid-Fußabdruck“ (englisch: Carbon Footprint) je Erntefestmeter abgeleitet. Dieser wird ausgedrückt in kg CO2-Äquivalent (CO2-Äq.).


Wie groß die Varianz ist, zeigen zwei extreme Beispiele (Übersicht 1): Unter ungünstigen Bedingungen wäre der Erntefestmeter Kiefern-Industrieholz mit 64,6 kg CO2-Äqu. belastet. Dagegen kann Buchen-Scheitholz bei guten Bedingungen nur 6,7 kg CO2-Äq. je m3 verursachen.


Daraus leitet die LWF folgende Empfehlungen ab:


  • Kurze Transportwege sind sinnvoll.
  • Die motormanuelle Holzernte (Motorsäge usw.) ist aus Klimaschutzsicht besser als der Harvestereinsatz, wenn die Maschinenauslastung nicht optimal ist.
  • Ein Forwarder ist für das Holzrücken produktiver als ein Forstschlepper.


Auch die Verwendung beeinflusst die Klimaschutzwirkung, zeigt ExpRessBio:


  • Eine aufwendige Weiterverarbeitung führt zu höheren THG-Emissionen. Scheitholz schneidet deshalb gut ab.
  • Ungünstig ist, wenn der Strom für Pelletpressen aus dem Netz mit seinem hohen Kohleanteil bezogen wird. Deutlich besser wäre Ökostrom.
  • Das Holz sollte möglichst trocken und in Kesseln bzw. Öfen mit hohem Wirkungsgrad verbrannt werden. Das reduziert den Holzeinsatz bei gleicher Wärmemengenproduktion.
  • Bei der Trocknung sollte Biomasse als Wärmequelle eingesetzt werden.
  • Angesichts der Konkurrenz mit der stofflichen Nutzung (bei der Kohlenstoff in den Holzprodukten gespeichert bleibt), sollte das Holz erst stofflich und dann erst energetisch genutzt werden.
  • Hackschnitzel haben sehr geringe THG-Vermeidungskosten. Wichtig sind richtig dimensionierte Hacker.


Das Potenzial bei Biogas:

Die Wissenschaftler haben fünf Biogasanlagen in vier Regionen Bayerns untersucht. Die Auswertung umfasst Anbau, Ernte, Transport, Silierung, Vergärung sowie die Strom- und Wärmeproduktion. Die Betreiber setzten Energiepflanzen und Wirtschaftsdünger ein. Mit 62 bis 125 g CO₂-Äq. je Megajoule (MJ) Stromeinspeisung verursachten die Anlagen weniger THG-Emissionen als die Stromproduktion aus Erdgas (138 g/MJ) oder der aktuelle Strommix in Deutschland (178 g/MJ, Übersicht 2).


In allen Fällen stammte der größte Anteil der THG-Emissionen aus dem Energiepflanzenanbau (47 bis 66%). Weitere Emissionen fielen an bei der Vergärung, bei der Verstromung (als Methanschlupf im BHKW) sowie bei Herstellung und Betrieb von Bauwerk und Maschinen. „Die CO2-Emissionen für die Wärmebereitstellung lagen um 80 bis 90% unter denen des bayerischen Wärmemixes“, erläutert Dr. Omar Hijazi von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL).


Aus den Ergebnissen leiten die Wissenschaftler folgende Empfehlungen ab:


  • Die Lachgasemissionen bei Düngung mit stickstoffhaltigen Düngemitteln sowie die Emissionen bei der Herstellung der Dünger belasten die THG-Bilanz beim Energiepflanzenanbau am meisten. Weniger CO2 wird frei, wenn Landwirte auf eine bedarfsgerechte Düngung achten und verstärkt mit Gärrest düngen. Bei diesem sollten sie regelmäßig den Nährstoffgehalt analysieren.
  • Der Anbau von Zwischenfrüchten bindet frei verfügbaren Stickstoff sowie – über den Humusaufbau – auch Stickstoff aus der Atmosphäre.
  • Mit dem Einsatz von Gülle und Mist lässt sich die THG-Bilanz deutlich verbessern, weil deren Methanemissionen bei der Lagerung vermieden werden.
  • Leckagen in der Anlage sollten regelmäßig beseitigt werden.
  • Wichtig für einen hohen elektrischen Wirkungsgrad ist eine regelmäßige Wartung des BHKW.
  • Positiv ist, wenn der Betreiber für die Biogasproduktion (Rührwerke, Pumpen etc.) den eigenen, „grünen“ Strom verwendet.
  • Jede Steigerung des Wärmeabsatzes und Senkung des Strombedarfs verringert die Emissionen der Strom- und Wärmeproduktion – vor allem, wenn Strom aus dem Netz bezogen wird.


Rapsöl als Kraftstoff:

Die Expertengruppe hat für die Auswertung von 2013 bis 2015 den Rapsanbau in 15 Betrieben und die Verarbeitung in drei dezentralen Ölmühlen durchleuchtet.


Die THG-Emissionen lagen zwischen 25,2 und 43,6 g CO₂-Äq./MJ beim Rapsölkraftstoff, im Mittel jedoch unter 40 g (Übersicht 3). Der Referenzwert für fossile Kraftstoffe nach der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (Renewable Energy Directive, kurz: EU-RED) liegt bei 83,8 g CO2-Äq./MJ. Damit reduziert Rapsölkraftstoff die THG-Emissionen gegenüber Diesel um fast 60%.


Allerdings berücksichtigt die EU-RED die Verwendung des Rapspresskuchens als Eiweißfuttermittel nicht angemessen. Würde man diese einbeziehen und damit Sojaschrotimporte ersetzen, würde die berechnete THG-Einsparung gegenüber fossilem Diesel 75 bis 100% betragen.


Folgende Empfehlungen leiten die Wissenschaftler aus den Ergebnissen ab:


  • Die Düngung hatte in allen Betrieben mit über 90% den größten Einfluss auf die THG-Emissionen im Rapsanbau. Die Emissionen bei Bodenbearbeitung, Aussaat, Pflanzenschutz und Ernte spielen dagegen kaum eine Rolle. Die N-Emissionen hängen von Menge und Art des Düngers, aber auch von den Bodenverhältnissen, dem Ertrag und von der Effizienz der N-Umsetzung ab. Mit einer stärker standortangepassten, bedarfsgerechten Düngung sowie einem verstärkten Wirtschaftsdüngereinsatz können diese Emissionen sinken.
  • Ein N-Sensor am Güllefass kann die Gülledüngung optimieren.
  • Je höher der Nitratanteil im Dünger, desto höher sind die Emissionen. Die Experten empfehlen daher schwefelhaltige N-Dünger wie z.B. Ammonsulfatsalpeter (ASS) statt NPK-Volldünger.
  • Werden Bodenverdichtung und Bodenvernässung reduziert, entstehen weniger Lachgasemissionen.
  • Kurze Wege und eine dezentrale Verarbeitung der Rapssaat reduzieren die Emissionen weiter.
  • Positiv wirken sich auch eine hohe Auslastung der Ölmühle und ein hoher Ölgehalt der Rapssorte aus.
  • Gut ist auch, wenn die Ölmühle Strom und Wärme mit einem eigenen Pflanzenöl-BHKW produziert.


Mit Rapsölkraftstoff aus dezentralen Ölmühlen als Dieselersatz ließe sich in allen Produktionszweigen der Land- und Forstwirtschaft der Ausstoß an Treibhausgasen deutlich reduzieren.


Hinrich Neumann

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