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Teure Gülle: Alternative Strohstall?

Lesezeit: 8 Minuten

Die Abgabe von Gülle wird immer teurer. Wird jetzt der Strohstall hoffähig? top agrar stellt ein Stallkonzept vor, bei dem 60% weniger Stroh als im Tiefstreustall eingesetzt wird, und die Strohmatratze trotzdem trocken bleibt.


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Gülle hat keinen guten Ruf. Viele Verbraucher rümpfen angewidert die Nase, wenn sie Bauern sehen, die Flüssigmist auf ihren Flächen ausbringen. Hinzu kommt, dass Ställe mit Vollspaltenboden zusehends kritisch gesehen werden. Der Ruf wird lauter, die Tiere wieder vermehrt auf Stroh zu halten. Doch der Einsatz von Stroh hat Nachteile:


  • Die Strohqualität ist nicht immer gut, das kann die Tiergesundheit belasten.
  • Stroh macht Arbeit, weil es per Hand in die Buchten geworfen werden muss.
  • Wenn der Stall während der Aufzucht oder Mast ausgemistet werden muss, bindet das zusätzliche Arbeitszeit.
  • Der Liegebereich wird schnell feucht, wenn die Buchten nicht ausreichend nachgestreut werden. Laut KTBL sind in Tiefstreuställen pro Ferkelaufzuchtplatz gut 300 g und pro Mastplatz 1000 bis 1100 g Stroheinstreu täglich nötig, um die Feuchtigkeit vollständig zu binden. Bei weniger Einstreu bildet sich schnell eine feuchte, morastige Mistmatratze. Atemwegs- und Klauenprobleme können die Folge sein.
  • In feuchtem Mist bildet sich schnell Ammoniak (NH3). Bei dauerhaft mehr als 20 ppm NH3 in der Stallluft ist die Tiergesundheit akut gefährdet.


Strohställe selten:

Strohställe sind deshalb in der konventionellen Schweinehaltung immer noch die Ausnahme. Einstreumaterial wird aktuell nur in Tierwohl-Ställen in kleinen Mengen zur Beschäftigung der Tiere eingesetzt. Und Tiefstreuställe sind eher selten, da bei diesem Haltungskonzept große Strohmengen gelagert und bewegt werden müssen.


Aufgrund der starken gesellschaftlichen Debatte um die künftige Ausrichtung der Nutztierhaltung frischt die Diskussion um Stroh nun aber merklich auf. Erste Stallbaufirmen bieten bereits modifizierte Strohställe mit automatischen Einstreuanlagen oder Seilschieberanlagen zur Entmistung an.


Auch der ein oder andere Praktiker sieht im Strohstall seine Zukunft. In Niedersachsen hat ein Landwirt (Name der Redaktion bekannt) jetzt ein Haltungskonzept vorgestellt, das er in den letzten 15 Jahren immer weiter optimiert hat.


Seine Aufzuchtferkel hält er auf einem 25 cm flachen Strohbett, dem permanent Feuchtigkeit entzogen wird. So kann der Unternehmer die Mistmatratze trocken halten. Laut eigenen Angaben muss er nur 60 bis 70 g Stroh pro Tier und Tag nachlegen. Das wären gegenüber den vom KTBL angegebenen Werten über 60% weniger! Gemeinsam mit dem Stalltechnikhersteller Big Dutchman und der Futtermittelfirma Bröring hat der Ferkelaufzüchter die Idee inzwischen weiterentwickelt. Das Konzept wird auf der diesjährigen EuroTier in Hannover im November erstmals vorgestellt.


Flüssigkeit verdampft:

Vor dem Ein-stallen der neuen Ferkel fährt der Landwirt mit dem Teleskoplader zunächst ca. ein Drittel der während der Aufzucht benötigten Gesamtstrohmenge in jede frisch gesäuberte Bucht. Die Tiere wühlen das Stroh auseinander und in den folgenden Tagen baut sich durch den ausgeschiedenen Kot und Urin dann langsam eine Mistmatratze auf. In dieser zersetzen Bakterien unter aeroben Bedingungen das Material. Durch die Zersetzungsprozesse und die hohe biologische Aktivität steigt die Temperatur im Innern der Mistmatratze auf 35 bis 40 °C an, wie Messungen des Landwirts zeigen.


Das führt dazu, dass ein Großteil der in der Mistmatratze enthaltenen Flüssigkeit verdampft und in die Stallluft entweicht. Die Luftfeuchte im Abteil steigt dementsprechend an, der NH3-Gehalt ebenfalls. Wie hoch die NH3-Ausgasungen aus der Mistmatratze tatsächlich sind, lässt sich bislang nur schwer beziffern, da Praxismessungen noch ausstehen. Anhaltswerte findet man in der VDI-Richtlinie 3894. Experten des KTBL betonen jedoch, dass das Einstreumaterial einen erheblichen Teil des NH3 bindet, sofern die Umweltbedingungen passen. Entscheidend sind unter anderem die Temperatur, der pH-Wert, der Anteil leicht verfügbarer Kohlenstoffquellen usw. Um genaue Werte zu den Schadgasfrachten zu erhalten, sollen in Kürze DLG-Messungen starten.


Damit die Luft im Stall sauber und frisch bleibt, hat der Landwirt die Luftwechselrate am Lüftungscomputer entsprechend hoch eingestellt. Zudem steht der Parameter Luftfeuchte im Lüftungscomputer an erster Stelle und nicht die Stalltemperatur. Sobald die Luftfeuchtigkeit im Abteil über 65% ansteigt, schalten die Lüfter einen Gang höher. Große Wandventile in den seitlichen Stallwänden gewährleisten, dass ausreichend Frischluft nachströmt, ohne das Zugluft entsteht. „Durch den hohen Luftaustausch wollen wir erreichen, dass der Wasserdampfgehalt in der Luft rasch wieder sinkt. So kann die Zuluft besser die aus der Mistmatratze aufsteigende Feuchtigkeit und die Schadgase aufnehmen“, erklärt Daniel Holling, der das Projekt bei der Firma Big Dutchman betreut.


Trocken wie Pferdemist:

Der Ansatz scheint zu funktionieren. Bei unserem Stallbesuch Mitte August war das Strohbett jedenfalls sehr trocken, der Ferkelmist hatte die Konsistenz von Pferdemist. Beim Umwühlen des Mistbetts mit der Gabel tropfte keine Flüssigkeit herunter. Und selbst auf der betonierten Bodenplatte stand keine Flüssigkeit.


Doch wie stellt sich die Situation in den Übergangsmonaten im Frühjahr und Herbst dar, wenn die Luftfeuchtigkeit in der Außenluft höher ist? Nach Aussage des Landwirts kommt sein System auch mit diesen Wettersituationen gut zurecht. Allerdings muss der Unternehmer dann zuheizen. Durch die Wärme konditioniert er die Luft so, dass diese die Feuchte aufnimmt. Dazu hat er Rippenrohre mit hoher Heizleistung unter die Zuluftventile geschraubt. Natürlich kostet das Aufheizen Geld, die Heizenergiekosten sollen dennoch gut ein Viertel niedriger sein als in konventionellen Ferkelaufzuchtställen.


Wasserverluste senken:

Damit das Haltungskonzept sicher funktioniert, darf natürlich keine unnötige Feuchtigkeit ins Strohbett gelangen. Für das Strohstallkonzept, das künftig unter dem Namen „Xaletto“ vertrieben wird, wurden deshalb spezielle Wassertränken entwickelt, die mit einem Füllstandsensor ausgestattet sind. Dadurch soll verhindert werden, dass die Ferkel unnötig Wasser vergeuden.


Auch das Futter spielt eine wichtige Rolle. „Wir setzen ein spezielles Wel-farefutter mit geringer Energiedichte ein, das Huminsäure enthält. Den Proteingehalt haben wir reduziert, dafür den Anteil an Aminosäuren im Futter entsprechend erhöht“, erklärt Huub van der Vinne von der Futtermittelfirma Bröring. Der Experte achtet bei der Rationsplanung gezielt darauf, dass die Tiere nicht überlastet werden. „Zu viele Nährstoffe belasten den Stoffwechsel, wodurch die Trinkwasseraufnahme unnötig ansteigt“, ergänzt van der Vinne.


Humusdünger für den Garten:

Vorteile soll das Stallkonzept im Hinblick auf die Umweltauswirkungen bringen. Wie bereits erwähnt, kann ein erheblicher Teil des Ammoniaks und damit des Stickstoffs im Mist organisch gebunden werden, wenn die Umweltbedingungen passen. Die Emissionsfracht über die Abluft kann dadurch insgesamt geringer ausfallen als bei konventionellen Haltungsverfahren mit Flüssigmist.


Unbestrittene Vorteile hat trockener Mist gegenüber Gülle in puncto Transportwürdigkeit. Das liegt daran, dass im Mist viel weniger Wasser enthalten ist, das nicht teuer transportiert werden muss. Der Transport per Lkw in Ackerbauregionen zur Aufwertung von struktur- und humusarmen Böden ist kostengünstiger möglich.


Eine weitere Alternative zur Verwertung des Mistes kann die Aufarbeitung sein. Probehalber hat der Landwirt seinen Ferkelmist bereits mehrfach in einer Kompostieranlage aufbereiten lassen. Dabei wird der Mist vor der Kompostierung mit Holzhackschnitzeln vermischt, mehrere Monate gelagert und nach der Rotte als Humusdünger vermarktet. In Zukunft muss sich zeigen, ob sich für den Humusdünger ein Markt bildet.


Kosten – Strohstall holt auf:

Kritiker der Strohhaltung bemängeln, dass die Baukosten bei einem Strohstall zwar günstiger sind, der finanzielle Vorteil aber aufgrund der höheren Kosten für die Strohbergung, Strohlagerung und das Entmisten nach spätestens zehn bis zwölf Jahren wieder aufgezehrt wird.


Daniel Holling kennt die Argumen-tation, verweist aber auf die stark steigenden Kosten für die Entsorgung der Gülle. Laut seinen Berechnungen schneiden Strohställe unter heutigen Kostengesichtspunkten im Vergleich zu konventionellen Ställen mit Flüssigmistverfahren nicht mehr grundsätzlich schlechter ab. „Bei überbetrieb-lichen Verwertungskosten von 10 oder 15 € pro m3 Schweinegülle wird das Strohstallkonzept zusehends konkurrenzfähiger“, glaubt Holling an die Zukunft des Haltungssystems.


Er verweist zudem auf zwei weitere Vorteile, die in Zukunft wichtig sind:


  • Stroh lenkt die Tiere ab, was vor allem im Hinblick auf den intakten Ringelschwanz wichtig ist.
  • Die Wärme, die in der Stroh-/Mistmatratze entsteht, kann z.B. zur Wärmerückgewinnung genutzt werden. In neuen Ställen sollen dazu Leitungen in der Betonplatte verlegt werden.


Holling glaubt zudem, dass man bei der Automatisierung des Strohmanagements noch ganz am Anfang steht. „Wenn der Verbraucher weiter vehement andere Haltungsformen fordert, wird der Sektor darauf reagieren müssen. Dann liegt es an uns allen, neue Konzepte wie z.B. Einstreuroboter zu entwickeln, zu testen und praxisreif zu machen. Erste Systeme werden sicherlich auf der EuroTier vorgestellt“, ist er sicher.Kontakt:


marcus.arden@topagrar.com

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