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Trockenstellen – auch ohne Antibiotika?

Lesezeit: 5 Minuten

Der vorbeugende Einsatz von Antibiotika steht in der Kritik. In Milchviehbetrieben werden beim Trockenstellen nahezu flächendeckend Langzeit-Antibiotika eingesetzt. Doch geht es überhaupt ohne?


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Die öffentliche Diskussion um den Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung hält weiter an. Zwar stehen die Hähnchenmäster im Fokus der Kritik. Doch Antibiotika-Datenbanken und schärfere Kontrollen könnten auch Rinderhalter treffen. Besonders beim Trockenstellen der Kühe greifen viele Milch-erzeuger auf die prophylaktische Gabe von Langzeit-Antibiotika zurück. Denn die Trockenstehphase birgt ein großes Risiko für Neuinfektionen mit Mastitis.


Doch haben Milcherzeuger überhaupt die Möglichkeit, auf antibiotische Trockensteller zu verzichten, ohne die Eutergesundheit ihrer Kühe zu gefährden?


Zitzen versiegeln?

Einen Ansatz dazu liefert das Unternehmen Pfizer mit dem internen Zitzenversiegler Orbeseal. Das Präparat versiegelt den Strichkanal von innen und baut eine physikalische Barriere gegen Umweltkeime auf.


Der Versiegler soll bis zum Ende der Trockenstehzeit wirken, indem er den natürlichen Keratinpfropf in der Zitze ersetzt. Dieser wird besonders bei hochleistenden Holsteinrindern nicht immer vollständig ausgebildet, so dass Keime leicht in das Euter eindringen können. Das Präparat hat keine Wartezeit auf Milch oder Fleisch.


In einer Studie hat Professor Volker Krömker von der Tierärztlichen Hochschule Hannover die Wirkung von Orbeseal in mehr als 100 Biobetrieben untersucht. Denn in Biobetrieben ist antibiotisches Trockenstellen nur in Ausnahmefällen und mit einer Genehmigung des Tierarztes erlaubt.


Bei 2 758 Vierteln, denen zum Trockenstellen Orbeseal verabreicht wurde, lag die Neuinfektionsrate bei 24 %. Damit schnitt der Versiegler sogar besser ab als die antibiotische Behandlung mit 27 %. Die Heilungsrate lag mit 33 % beim traditionellen Trockenstellen und mit 32 % beim Versiegler fast gleich auf. Bei der kombinierten Behandlung mit Antibiotika und Versiegler wurden 36 % der Viertel komplett geheilt.


„In Biobetrieben werden sehr viele Kühe unter Anwendung von Orbeseal trockengestellt. Die Ergebnisse entsprechen so ziemlich denen der antibiotischen Trockensteller“, erklärt Professor Krömker.


Neben dem internen Versiegler gibt es verschiedene externe Zitzenversiegler, die ähnlich wie beim Dippen die Zitze von außen mit einem Schutzfilm umschließen und gegen Keime schützen. Dazu zählt zum Beispiel das Produkt Calgodip T-Hexx Dry von Firma Calvatis. Externe Zitzenversiegler müssen mehrfach angewendet werden, da der Schutz nur für bestimmte Zeit reicht.


Homöopathisch behandeln:

Einen an­deren Ansatz verfolgt Tierheilpraktikerin Birgit Gnadl aus Übersee am Chiemsee mit dem homoöpathischen Trockenstellen.


Dazu erhält die Kuh nach Empfehlung von Gnadl vor dem Trockenstellen einmal pro Tag drei bis fünf Globuli des Mittels Phyto­lacca. Es soll den Milchfluss langsam versiegen lassen. Begonnen wird mit der Prophylaxe zwei Tage vor dem Trockenstellen bis zwei Tage danach. Die Tiere müssen die Globuli über die Schleimhäute aufnehmen. Ob die Kügelchen dabei in Wasser aufgelöst oder direkt in die Nasenöffnung gegeben werden, ist weniger entscheidend.


„Die Grenzen der Homöopathie liegen beim Behandelnden selbst“, sagt Gnadl. Die Expertin ist davon überzeugt, dass man mit der richtigen Anwendung und Auswahl der Mittel nahezu komplett auf Antibiotika verzichten könnte.


Das hat zum einen den Vorteil, dass Landwirte nicht mehr auf Sperr-Milch achten müssen, denn die Homöopathika haben keine Wartezeit auf Milch oder Fleisch. Zum anderen gibt es in der Herde kaum noch Resistenzen und die Tierarztkosten könnten gesenkt werden.


Doch Vorsicht, der Einsatz von homöopathischen Mitteln bei lebensmit­telliefernden Tieren darf nur in Zusammenarbeit mit dem Tierarzt erfolgen. Dieser muss die Homöopathika umwidmen. Es ist nicht erlaubt, homöopathische Mittel aus der Apotheke ohne Umwidmung bei Nutztieren einzusetzen.


Antibiotika bieten Schutz:

Bei Tierärzten stoßen die alternativen Methoden auf gemischte Gefühle.


Dr. Siegfried Moder von der Bundestierärztekammer und praktizierender Tierarzt in Steingaden ist gegen eine generelle Anwendung von Trockenstellern mit Antibiotika: „Wir müssen den Einsatz von Antibiotika reduzieren wo es möglich ist, ihn aber auch vertreten, wo er sinnvoll und notwendig ist.“


Ähnlich sieht das Dr. Wolfgang Hollberg vom Rindergesundheitsdienst in Nordrhein-Westfalen: „Bei ausgezeichnetem Management, guter Hygiene, Zellzahlen deutlich unter 150 000 sowie geringen Milchleistungen zum Ende der Laktation macht selektives Trockenstellen ohne Antibiotika und mit Zitzenversiegler definitiv Sinn.“


Allerdings treffen diese Bedingungen nur auf die wenigsten Betriebe zu. Im Moment hat der Tierarzt keinen Betrieb in seinem Betreuungsgebiet, dessen Eutergesundheit so gut ist, dass dieser gänzlich auf antibiotische Trockensteller verzichten könnte.


Diese Erfahrung hat auch Tierarzt Dr. Ludger Jacob aus dem Kreis Borken gemacht. In seiner Praxis wird der interne Zitzenversiegler ausschließlich in Verbindung mit einer vorhergehenden Antibiotika-Behandlung eingesetzt. Treten Mastitiden auf, so darf auf Antibiotika seiner Meinung nach nicht verzichtet werden. Selbst Pfizer empfiehlt, den internen Zitzenversiegler nur in Kombination mit einem Antibiotikum anzuwenden.


Gleiches gilt für externe Zitzenversiegler: Auch sie sollten nur mit Antibiotika-Gabe eingesetzt werden.


Dem ausschließlich homöopathischen Trockenstellen steht Tierarzt Dr. Wolfgang Hollberg ebenfalls kritisch gegenüber: „Die heilende Wirkung der Homöopathie ist immer noch nicht eindeutig nachgewiesen.“j


Für die Experten steht das antibiotische Trockenstellen nicht zur Diskussion. „Betriebe mit einem Zellgehalt von mehr als 150 000 somatischen Zellen pro ml sollten in jedem Fall antibiotische Trockensteller einsetzen“, rät Dr. Hollberg. Denn infizierte sich eine Kuh während der Trockenstehphase mit euterpathogenen Bakterien, so dass eine schwerwiegende Mastitis entsteht, sei der Einsatz von wesentlich größeren Antibiotikamengen über mehrere Tage erforderlich.


Die beste Vorbeugung gegen Mastitis ist für Dr. Hollberg der Einsatz eines antibiotischen Trockenstellers in Kombination mit einem internen Zitzenversiegler. Mit dieser Methode seien Landwirte nahezu rundum abgesichert.


Das gilt vor allem für Hochleistungskühe: „Im Laufe der Jahre wurden die natürlichen Abwehrmechanismen gegen Mastitis weggezüchtet. Heute sind die Kühe sehr leichtmelkig mit stark verkürzten Strichkanälen, so dass Umweltkeime schneller und besser eindringen können als früher.“


Das antibiotische Trockenstellen nach Resistenztest ist für Dr. Siegfried Moder eine geeignete Maßnahmen, um die subklinische Mastitis zu bekämpfen. „In der Trockenstehphase soll sich das Euter von allen Strapazen während der Laktation erholen und ausheilen.“ Auch für Betriebe mit chronisch erhöhten Zellzahlen könnten antibiotische Trockensteller sinnvoll sein.Sandra Lefting

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