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Umrechnung: Werden die Bauern betrogen?

Lesezeit: 5 Minuten

Die Tankwagen erfassen die Milch in Liter, die Molkereien bezahlen nach Kilogramm. Die Umrechnung erfolgt mit dem Faktor 1,020. Das halten viele Milcherzeuger für falsch.


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Beim Blick auf die Milchgeld-Abrechnung läuft Georg Kraus rot an: „Wir bekommen alle zwei Tage etwa 300 kg Milch zu wenig bezahlt. Denn die Molkerei kommt auf deutlich weniger Gewicht als wir.“


Der Milcherzeuger aus Gessertshausen (Bayern) hat monatelang den Tankwagen vor und nach dem Abpumpen seiner Milch über eine geeichte Waage fahren lassen. So hat er die Milchmenge seiner 230 Kühe alle zwei Tage in Kilogramm erfasst.


Noch krasser ist es bei der Plesse Milch GmbH Co. KG aus Bovenden in Niedersachsen. Sie hält derzeit 635 Kühe. Und auch sie hat über Monate das Gewicht der Milch im Tankwagen über eine geeichte Waage erfasst und mit der Milchgeld-Abrechnung verglichen: „Uns fehlen jeden Tag etwa 500 kg Milch, die wir nicht bezahlt bekommen“, schimpft Geschäftsführer Herbert Hardege.


Umrechnung stimmt nicht.

Zwei Beispiele, ein Vorwurf: Die Tankwagen erfassen die Milch auf dem Hof in Liter, die Molkereien bezahlen die Landwirte in Kilogramm. Die Umrechnung von Liter in Kilogramm erfolgt mit dem Faktor 1,020. Und dieser ist zu niedrig! Deshalb bekommen die Landwirte eine zu geringe Milchmenge bezahlt.


An dem Vorwurf ist etwas dran. Die Dichte von Milch hängt von den Inhaltsstoffen und insbesondere von der Temperatur ab. Je geringer die Temperatur und je höher die Gehalte an Fett, Protein, Laktose und Asche sind, desto höher ist die Milchdichte. „Bei der üblichen Milchtemperatur von 6 bis 8°C im Tank des Landwirts, liegt der tatsächliche Umrechnungsfaktor von Liter in Kilogramm aus physikalischer Sicht je nach Milchinhaltsstoffen zwischen 1,032 und 1,047“, sagt Prof. Dr. Holger Thiele vom ife-Institut Kiel. Er bezieht sich auf eine Studie der Fachhochschule Kiel aus dem Jahr 2016.


In Deutschland nutzen allerdings fast alle Molkereien den Umrechnungsfaktor von 1,020. Das ist in der Milchgüte-Verordnung geregelt. Dort steht: „Die Anlieferungsmilch ist monatlich (...) nach Gewicht zu bezahlen. Werden Umrechnungen von Volumen in Gewicht nicht mit dem Faktor 1,020 vorgenommen, ist der von der Molkerei zugrundegelegte Umrechnungsfaktor in der Milchgeldabrechnung auszuweisen.“


Im Klartext: Die Verordnung empfiehlt den Umrechnungsfaktor 1,020. Allerdings kann jetzt schon jede Molkerei einen anderen Faktor anwenden, sie muss diesen lediglich ausweisen.


Neue Milchgüte-VO:

Eine flächendeckende Änderung könnte mit der neuen Milchgüte-Verordnung kommen, an der die Politik seit 2008 arbeitet. Ob sie dieses Jahr fertig wird, konnte ein Minis-teriumssprecher auf top agrar-Anfrage nicht sagen.


Durchgesickert ist aber bereits, dass die neue Milchgüte-Verordnung einen Umrechnungsfaktor von 1,030 vorsieht. Der Deutsche Bauernverband hält das für sachgerecht. Unklar ist aber noch, ob dieser verpflichtend oder freiwillig sein soll. „Wir würden eine einheitliche nationale Herangehensweise begrüßen“, sagt Ludwig Börger vom DBV.


Bei der Milchquote war der Umrechnungsfaktor entscheidend. Er hat indirekt die Quote gekürzt oder erweitert. Das entfällt nun. Was ändert sich jetzt, wenn der Faktor auf 1,030 steigt?


Dazu eine Beispiel-Berechnung vom ife-Institut: Ein Landwirt produziert 800000 Liter Milch pro Jahr. Bei einem Umrechnungsfaktor von 1,030 statt 1,020 erhöht sich seine abgelieferte Milchmenge um 8000 Kilogramm von 816000 auf 824000 kg. Allerdings ändern sich für die Molkerei die Erlöse (Nettoverwertung) aus den 800000 Litern Milch nicht. Denn tatsächlich hat sie nicht mehr Menge zur Verfügung. Im Beispiel sollen die Erlöse bei 285600 € liegen. Das heißt, die Molkerei muss die Nettoverwertung von 285600 € nun auf 824000 kg statt auf 816000 kg verteilen. Dadurch sinkt der Erlös in ct/kg:


  • Umrechnungsfaktor 1,020: 285000 € : 816000 kg = 35,0 ct/kg
  • Umrechnungsfaktor 1,030: 285000 € : 824000 kg = 34,7 ct/kg


Schlussfolgerung: Beim Umrechnungsfaktor von 1,030 statt 1,020 erhöht sich für den Landwirt die abgelieferte Milchmenge in kg, allerdings sinkt der Milchpreis in ct/kg. Unter dem Strich bleibt der Erlös somit unverändert.


Statistisch 1% mehr Milch:

Und welchen Effekt hat der Umrechnungsfaktor von 1,030 für den Gesamtmarkt?


„Deutschland würde damit einen statistischen Milchmengenzuwachs von 1% erhalten, den es in der Realität gar nicht gibt“, sagt Dr. Björn Börgermann vom Milchindustrie-Verband. „Weil wir nicht wissen, wann die Verordnung kommt und wie die Marktsituation dann ist, lässt sich über die psychologischen Effekte und Preissignale durch die Mengenerhöhung nur spekulieren.“


Die bundesweite Umstellung auf 1,030 dürfte aber die deutschen Wettbewerbsnachteile bei der grenzüberschreitenden Milchvermarktung beseitigen. Denn außer Dänemark (1,020), Österreich (1,025) und Großbritannien (1,02969) rechnen alle EU-Länder mit 1,030, berichtet Dr. Hans-Jürgen Seufferlein vom Verband der Milcherzeuger Bayern.


Das führt aktuell dazu, dass z.B. das Deutsche Milchkontor (DMK) nach der Fusion mit der niederländischen DOC Kaas sowohl mit 1,020 als auch mit 1,030 arbeitet. Deshalb begrüßt das DMK die mögliche Anpassung auf 1,030 in Deutschland. „Die Änderung ist richtig und gerechtfertigt. Wir werden das mit den Mitgliedern besprechen, die Umstellung erfolgt spätestens mit der neuen Milchgüte-Verordnung“, sagt Dr. Reinhard Vogel-Lackenberg.


Ob damit alle Milcherzeuger einverstanden sind, ist aber fraglich. Denn wenn Molkereien untereinander Rohmilch handeln, rechnen sie üblicherweise nach Gewicht zum Beispiel über eine Fahrzeugwaage ab – nicht nach Litern und Umrechnung in Kilogramm.


Besser Gewicht ermitteln?

Deshalb fordern die Milcherzeuger Kraus und Hardege übereinstimmend: „Die Molkereien müssen das tatsächliche Gewicht der Milch in Kilogramm auf dem Hof erfassen und danach bezahlen. Alles andere ist einfach ungenau.“ Einzelne Großbetriebe in Ostdeutschland sollen das schon bei ihren Abnehmern durchgesetzt haben.P. Liste

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