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Was tun, wenn Impfstoffe knapp werden?

Lesezeit: 6 Minuten

Lieferengpässe bei Standardimpfstoffen sind leider keine Seltenheit. Welche Ursachen sie haben können und wie man darauf reagieren kann, hat Ramona Schneichel recherchiert.


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Ferkelerzeuger Uwe Schmitz (Name geändert) setzt alles daran, Erkrankungen in seinem Bestand frühzeitig vorzubeugen. Gemeinsam mit seinem Tierarzt Dr. Andreas Palzer aus Scheidegg hat er deshalb ein individuelles Impfschema entwickelt, das exakt auf die Erregersituation im Betrieb zugeschnitten ist. Die Maßnahmen haben sich gut bewährt, was sich vor allem im Rückgang der verbrauchten Antibiotika widerspiegelt.


Im Sommer dieses Jahres kam es dann aber zu Problemen. Aufgrund eines Cyberangriffs konnte das Unternehmen MSD bewährte Vakzinen, zum Beispiel den Kombiimpfstoff gegen Mykoplasmen und Circoviren, vorübergehend nicht mehr liefern.


Landwirt Schmitz und sein Hoftierarzt mussten schnell handeln. „Wir haben versucht, auf Impfstoffe anderer Hersteller zurückzugreifen“, sagt Dr. Palzer. In der Praxis kann ein solcher Impftoffwechsel unter Umständen aber eine komplette Umstellung des Impfschemas nach sich ziehen. Wo vorher z.B. ein One-Shot-Impfstoff im Einsatz war, muss von einem Tag auf den anderen möglicherweise eine Two-Shot-Vakzine eingesetzt werden.


Ganze Chargen verworfen:

Für Uwe Schmitz ändern sich dadurch auch die Arbeitsabläufe. Besonders im Abferkel-abteil hat er nun mehr zu tun. Eine Situation, die er so nicht geplant hatte, mit der er aber leben muss, damit die Vorsorgemaßnahmen weiterhin greifen.


Im Falle des sommerlichen Lieferengpasses bei bakteriellen Impfstoffen war ein Hacker-Angriff die Ursache (siehe Kasten rechte Seite). Doch auch andere Hersteller scheinen Schwierigkeiten mit der kontinuierlichen Bereitstellung von Standardvakzinen zu haben. „Auch unsere Praxis ist immer wieder von Lieferengpässen bei Impfstoffen betroffen“, sagt Tierarzt Dr. Rainer Schneichel aus Mayen. Betroffen seien z.B. Impfstoffe gegen Glässer, Circoviren, Coli-Bakterien, Clostridien und Influenza.


Die Gründe für die plötzlichen Ausfälle seien vielfältig. Häufig würden ganze Chargen vom Hersteller verworfen und seien somit nicht mehr verfügbar. Das kann unter Umständen daran liegen, dass während der Produktion selbst etwas schief gelaufen ist, denn schließlich handele es sich bei der Impfstoffherstellung um biologische Prozesse. Oder die Charge falle wegen gestiegener Kontrollvorschriften aus.


„Es kann sogar passieren, dass falsch aufgeklebte Etiketten zum Verwerfen eines Impfstoffes führen, obwohl das Produkt selbst keine Mängel aufweist“, berichtet Dr. Andreas Palzer. Der Bundesverband für Tierarzneimittel bestätigt dies (siehe Interview Seite S23).


Die Hersteller von Impfstoffen kämpfen zudem mit immer schärferen Vorschriften für die Produktion und Zulassung durch das dafür in Deutschland zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI).


Ob eine Impfstoffkrise wie im Humanbereich droht, lässt sich derzeit noch nicht absehen. Klar ist aber, dass die Herausforderungen für die Tierärzte und die von ihnen betreuten Betriebe steigen. „Wir müssen vorausschauend planen und bei Engpässen schnell reagieren“, sagt Dr. Andreas Palzer.


Bestandsspezifische Vakzinen?

Falls ein Alternativ-Impfstoff zur Verfügung stehe, sei dieser zunächst die erste Wahl. Schwierig werde es allerdings, wenn es keinen Ersatz gibt, wie z.B. bei der Impfung gegen Clostridien. „Bei einer solchen Lücke ist es die logische Folge, dass mehr Tiere antibiotisch behandelt werden müssen“, schildert Dr. Schneichel das Dilemma, in dem sich er und seine Kollegen befinden. Das sei im Sinne des Antibiotika-Minimierungskonzeptes absolut kontraproduktiv.


Eine Möglichkeit, um von Standard-Impfstoffen unabhängiger zu werden, ist der Einsatz bestandsspezifischer Impfstoffe. Sie sind speziell auf das Erregerspektrum des jeweiligen Betriebes zugeschnitten.


Tatsächlich verzeichnen die Hersteller in diesem Sektor eine steigende Nachfrage, wie Dr. Klaus Teich vom Impfstoffhersteller Anicon berichtet. Um die antibiotischen Behandlungen reduzieren zu können, entscheiden sich immer mehr Schweinehalter für vorsorgliche Impfungen.


Das Problem dabei: In jedem Bestand herrschen andere, individuelle epidemiologische Herausforderungen. Die Art der vorkommenden Erreger unterscheiden sich von Betrieb zu Betrieb, aber auch die Infektionsketten, der Erregerdruck und der Zeitpunkt der Infektion. Diese Individualität nehme in größer werdenden Betrieben zu. Impfstoffe „von der Stange“ helfen bei dieser Gemengelage häufig nicht weiter. Diese Tatsache und die guten Erfahrungen mit individuell hergestellten Impfstoffen lassen deshalb die Nachfrage nach bestandsspezifischen Vakzinen steigen.


Klare Vorgaben:

Diese Erfahrungen bestätigt auch Dr. Thomas Noé von der Firma Vaxxinova, die sich auf die Herstellung von bestandsspezifischen Vakzinen spezialisiert hat. Bei Lieferengpässen im Falle von Haemophilus parasuis-Impfstoffen (Glässer), APP-Impf-stoffen und Coli-/Clostridien-Impfstoffen könne gut auf bestandsspezifische Impfstoffe zurückgegriffen werden.


Um eine sogenannte Autovakzine herstellen zu dürfen, muss eine der drei Bedingungen erfüllt sein:


  • Entweder darf es für die entsprechende Erkrankung keinen registrierten Impfstoff geben;
  • der registrierte Impfstoff ist zurzeit nicht lieferbar;
  • oder der registrierte Impfstoff ist zwar verfügbar, aber nachweislich (Diagnostik) nicht wirksam.


„Eine zunehmende Nachfrage nach bestandsspezifischen Impfstoffen gibt es vor allem bei Vakzinen gegen bakterielle Erreger“, berichtet Dr. Teich. Auf diese Weise versuchen Tierärzte und Schweinehalter, den Antibiotikaeinsatz in ihren Betrieben zu reduzieren. Aber auch die Nachfrage nach Autovakzinen gegen virale Erreger wie Rotaviren steigt kontinuierlich.


„Wir setzen schon in einigen Betrieben bestandsspezifische Impfstoffe ein. Die Erfahrungen damit sind sehr gut“, bestätigt Dr. Rainer Schneichel. Allerdings gehe das nicht von heute auf morgen. Zunächst sei eine intensive Diagnostik notwendig und erst dann könne die bestandsspezifische Vakzine in Auftrag gegeben werden. Im Schnitt dauere es vier bis sechs Wochen, bis der Impfstoff zur Verfügung steht. Als Ersatz für plötzlich ausfallende Standardvakzinen eignen sich bestandsspezifische Impfstoffe daher nur bedingt.


„Parallel zur Entwicklung individueller Impfschemata raten wir den Landwirten, die Hygiene und Biosicherheit in ihren Betrieben weiter zu verbessern, um das Infektionsrisiko zu senken“, berichtet Dr. Schneichel.


Bürokratische Hürden:

Er und seine Berufskollegen kritisieren seit Langem, dass die bürokratischen Anforderungen für die Herstellung und Zulassung von Impfstoffen zu hoch sind. Dies schränke die Bereitschaft der Industrie zur Erforschung neuer Vakzinen deutlich ein. Als Beispiel nennt er die Forschung in Mehrfachimpfstoffe für Schweine, die in den USA bereits gang und gäbe sind.


Parallel dazu würden auch die Zulassungsbedingungen für neue Antibiotika immer schärfer. Das alles seien keine guten Entwicklungen. Schließlich gehe es darum, die Tiergesundheit auf hohem Niveau zu sichern. Überbordende Bürokratie dürfe das nicht gefährden. „Impfstoff-Engpässe können zu Folgeschäden führen. Wenn eine Vakzine nicht verfügbar ist und es dadurch zu einem Krankheitsausbruch kommt, steigt die Erregerdichte im Bestand, und man muss mehr Tiere behandeln“, gibt Dr. Schneichel zu bedenken.

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