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Weckruf: „Vermarktung muss digitaler werden!“

Lesezeit: 6 Minuten

Die landwirtschaftlichen Produktion erfasst immer mehr Daten, um Prozesse zu optimieren. In Sachen Vermarktung müsste aber viel mehr passieren, meint Dr. Josef Efken vom Thünen-Institut.


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Die Digitalisierung wird die Landwirtschaft verändern. Da sind sich alle Experten einig. Schon jetzt fahren Schlepper auf dem Acker weitgehend autonom. Und in deutschen Kuhställen werden heute so viele Einzeltierdaten erfasst wie nie zuvor. Doch es gibt einen Bereich auf deutschen Höfen, an dem die digitale Revolution bisher spurlos vorbeizieht: die Vermarktung. Das könnte sich rächen.


In der Produktion top:

Deutsche Mäster gehören, z.B. hinsichtlich fortschrittlicher Produktion, sicherlich zu den besten der Welt. Wenn es um die Vermarktung von Schweinen und Rindern geht, läuft es aber im Prinzip noch so wie vor 30 bis 40 Jahren. Dabei verändern sich die Bedingungen rasant: Die gesellschaftlichen Ansprüche an Tierhaltung und Fleisch werden nicht nur höher, sondern immer vielfältiger und spezieller. Jedem Schnitzel soll praktisch ein Lebenslauf beigelegt werden. Ob die Daten am Ende wirklich gebraucht werden, spielt keine Rolle.


Hier nur eine Auswahl am Beispiel Schwein:


  • Wo ist das Schwein geboren?
  • Ist es kastriert – wenn ja, wie?
  • Wo ist es aufgewachsen?
  • Ist der Betrieb QS-zertifiziert?
  • Ist das Tier mit gentechnisch verändertem Sojaschrot gefüttert worden?
  • Wurde es auf Stroh gehalten?
  • Hat es Antibiotika erhalten?
  • Hat es einen intakten Ringelschwanz?


Es ist fraglich, ob es mit der herkömmlichen Vermarktung auf Dauer gelingt, all diese Informationen an den Schlachthof bzw. bis zum Kunden zu tragen. Mäster und Vermarktungsorganisationen verpassen den Wandel und bekommen, wenn sie nicht aufpassen, die neuen Standards durch Pionierunternehmen vorgesetzt. Der Aufwand in der Erzeugung könnte unkontrolliert steigen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit leiden. Deshalb ist es so wichtig, sich in die Gestaltung der Vermarktung 4.0 einzubringen.


Was heißt Digitalisierung?

Die Digitalisierung in der Tierhaltung bedeutet, dass Sensoren, Geräte und Programme über Unternehmensgrenzen hinweg Entscheidung automatisiert treffen – ohne menschliches Zutun. Die „Dinge“ kommunizieren über das Internet miteinander. Mit anderen Worten: Das Endprodukt sucht sich selbstständig die Rohwaren und Prozesse, um zu entstehen. Experten halten dabei den Lebensmittelhandel und die Landwirtschaft für Branchen mit dem höchsten Digitalisierungspotenzial.


Ein Beispiel: Der Verbraucher kauft im Supermarkt eingeschweißten Kochschinken, der QS-zertifiziert ist, ein „ohne Gentechnik“-Siegel trägt und in Bayern erzeugt wurde. Die Scannerkasse meldet dies der Datenzentrale und setzt damit eine Entscheidungskette in Gang: Aus dem Kauf des Kochschinken im Supermarkt entsteht ein elektronischer Auftrag im Fleischwerk, genau diesen Kochschinken zu produzieren und zu liefern. Das System beauftragt dann automatisch den Schlachthof, den nötigen Rohschinken zuliefern. All das geschieht praktisch zeitgleich. Von hier geht es weiter bis zum Mäster, der QS-Betrieb ist, GVO-frei füttert und in Bayern liegt. Obwohl das Schwein noch 20 Tage im Stall steht, sind die Hinterschinken schon vermarktet. Kämen noch Grillfackelkäufe im Supermarkt hinzu, wäre „der Bauch auch weg“. Der Tierhalter könnte im Computer nachvollziehen, welches Schwein bereits verkauft ist. Die tierindividuelle Ohrmarke speichert Futterverbrauch, Lebendgewicht, Herkunft usw. Das System legt dann eigenständig fest, wann das Tier abgeholt wird. Der Transport zum Schlachthof wird ebenfalls automatisch zusammengestellt.


Ist das Utopie?

Zumindest bis zum Schlachthof würde diese Kette schon heute ganz gut funktionieren. Doch dann beginnen die Probleme. Nicht, weil die Schweine fehlen, sondern weil hier die digitalisierte Kette endet. Ab jetzt beherrschen wieder Telefonate, Rückfragen und persönliche Beratung auf dem Hof das Geschehen. Der Händler organisiert noch, wie die Tiere zum Schlachthof kommen und so weiter…


Dabei scheitert die automatische Kette nicht an der Technik, die den Datenaustausch auf dem Hof und zwischen Hof und Abnehmern leistet. Denn auf den Betrieben können schon heute viele Prozesse elektronisch erfasst werden. So gibt es bereits Systeme zur automatischen Erkennung der Schlachtreife und RFID-Ohrmarken (Transponder zur berührungslosen Identifizierung) für Schweine, mit denen Einzeltierdaten ausgelesen werden können. Außerdem stecken die Hofrechner voll mit Informationen: QS, Cross Compliance, Sauenplaner, Farm-Manager, Abrechnungskontrolle etc. Hinzu kommen Ergebnisse der amtlichen Kontrollen im Schlachthof. Das Problem: Obwohl viele Daten vorliegen, werden sie kaum für die Vermarktung verwendet. Die Chancen werden nicht genutzt, weil Erzeugergemeinschaften, Viehverwertungsgenossenschaften und auch Tierhalter sich bisher kaum bewegen. Ist es die Angst vor einer Strukturdebatte? Oder die Unsicherheit, was mit den eigenen Daten passiert?


Der Wandel läuft schon.

Aufhalten lässt sich der Wandel sicherlich nicht: Tönnies setzt schon seit 2016 RFID-Ohrmarken bei Schweinen ein. Der Konzern soll die elektronischen Ohrmarken beim Rewe-Qualitätsprogramm „Meat-4-You“ nutzen, das antibiotika-freie Mast garantiert. Um diesen „Personalausweis des Tieres“ in größerem Umfang nutzen zu können, müssen die Prozesse allerdings stärker standardisiert sein. Dann können auch andere EDV-Systeme darauf zugreifen.


Da vor allem Züchter und Mäster die Daten liefern, stellt sich die Frage, warum sie nicht das Heft selbst in die Hand nehmen. Tierhalter können schließlich die geforderte Transparenz am glaubwürdigsten vermitteln. Gleichzeitig profitieren sie, wenn durch den Datenaustausch mit den Lieferanten und Abnehmern die Effizienz steigt. Der Landwirt verliert keine Persönlichkeitsrechte, wenn Daten seiner Schweine auf dem Kochschinken im Supermarkt stehen, sondern gewinnt eventuell verlorenes Verbrauchervertrauen zurück. Dadurch lässt sich der Qualitätsvorsprung im Wettbewerb mit ausländischer Ware sichern.


Wichtig ist dabei, dass die wertvollen Informationen auch bei der Ablieferung des Schlachtschweines einen Wert bekommen. Kern der Digitalisierung ist, dass wertgebende Informationen auch bezahlt werden.


Aktiv einbringen:

Jetzt werden die Weichen für die Standards gesetzt. Nur wenn Erzeuger und ihre Vertreter sich aktiv einbringen, werden ihre Interessen bei den Konditionen berücksichtigt. Es gibt aber noch viele offene Fragen:


  • Wer darf welche Daten nutzen?
  • Wie kommt in diesem System der Preis zustande?
  • Will der Landwirt direkt Partner eines Schlachtunternehmens sein und seine Daten in die Wertschöpfungskette einspeisen?
  • Oder wollen Mäster über eine Vermarktungsorganisation ihre Daten bündeln, sodass für z.B. 50000 Schlachtschweine pro Woche die Konditionen ausgehandelt werden?


Gefährlich ist, wenn Unternehmen abhängig werden, weil die genutzte Software keinen Wechsel erlaubt. Dann ist es mit dem Wettbewerb vorbei. Dafür gibt es aber Lösungen, wie es die Datenbanken für Salmonellenstatus oder Antibiotikaeinsatz zeigen.


Landwirte und Vermarkter sollten sich möglichst bald mit Software-Unternehmen zusammensetzen, um die neue Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft, Vermarktung und Schlacht-hof zu entwickeln. -ab-


Landwirte und Vermarkter sollten sich möglichst bald mit Software-Unternehmen zusammensetzen, um die neue Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft, Vermarktung und Schlacht-hof zu entwickeln. -ab-


Was Marktbeteiligte von dem Weckruf Efkens halten, lesen Sie auf Seite 122.

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