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Weniger Kühe, mehr Milch

Lesezeit: 7 Minuten

In vielen Ländern stehen weniger Kühe. Allerdings steigen die Milchleistungen. Was das für den Markt bedeutet, beleuchtet Dr. Vinzenz Bauer, Marktexperte der LWK Niedersachsen.


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Bei vielen Milchviehhaltern liegen nach wie vor die Nerven blank. Seit Mitte 2016 haben die Erzeugerpreise für Milch kräftig zugelegt. Im Dezember 2016 war der Kieler Rohstoffwert mit 33,9 ct/kg Milch (ab Hof bei 4% Fett) 10,5 ct/kg höher als zwölf Monate zuvor. Die vorherige Durststrecke hat allerdings auf den Betrieben tiefe finanzielle Löcher hinterlassen, die nur dann zu stopfen sind, wenn die Erlöse über längere Zeit hoch bleiben bzw. weiter steigen. Dafür gibt es derzeit aber keine verlässlichen Signale.


Börsianer sehen den Zenit jetzt im Januar sogar schon erreicht (vgl. top agrar-Milchwert im Internet unter www.topagrar.com). Und auch die jüngsten Hochrechnungen des US-Agrarministeriums (USDA) sprechen nicht unbedingt für sehr viel mehr Spielraum nach oben in diesem Jahr. Die weltweite Milcherzeugung soll demnach um 1,7% auf fast 503 Mio. t steigen. Allein 4 Mio. t Wachstum entfallen allerdings auf Indien, wo der Milchviehbestand kräftig steigt (+4%). Die Inder spielen am Weltmarkt aber keine große Rolle. Und bei den führenden weltweiten Akteuren, ob als Exporteur oder als Importeur, rechnet das USDA mit etwas anderen Entwicklungen.


Die Kuhzahl sinkt…

Laut Einschätzung der US-Analysten wird die EU als größter Milcherzeuger der Welt im Jahr 2017 ihre Position verteidigen. Der Kuhbestand sinkt gegenüber 2016 zwar um etwa 150000 auf knapp 23,5 Mio. Tiere. Angesichts der Tatsache, dass die Kuhschlachtungen im vergangenen Jahr weit über dem Vorjahr lagen – bei uns z.B. um gut 10% –, hatten Beobachter sogar mit noch stärkeren Rückgängen gerechnet. Viele Betriebsleiter haben jedoch vor allem ihre leistungsschwachen Tiere zum Schlachten gegeben. Das gilt oft auch für Halter, die aus der Produktion ausgestiegen sind. „Die Spitzenkühe stehen jetzt beim Nachbarn und werden dort gemolken“, sagt ein Branchenkenner.


Auch das USDA geht davon aus, dass zwar weniger, aber bessere Kühe in den europäischen Ställen stehen. Deshalb, so die Prognose, dürfte die Milchmenge der EU-28 gegenüber 2016 zumindest stabil bleiben und sich auf 152,5 Mio. t summieren. Das wären sogar 500000 t mehr als im Vorjahr. Allerdings ist in diesen Zahlen noch nicht berücksichtigt, dass Hollands Milchbranche sich auf einen „freiwilligen“ Abbau der Kuhzahlen um 10% verständigt hat. Man will damit drohenden Sanktionen Brüssels wegen zu hoher Phosphor-Austräge zuvorkommen (vgl. top agrar 1/2017, ab Seite R8). Beobachter rechnen deshalb mit einem Rückgang der holländischen Milchmenge um 1 Mio. t. Eventuell sind die oben genannten EU-Zahlen des USDA also zu hoch gegriffen.


…und die Milchmenge steigt:

Aber was macht die Konkurrenz, was tut sich bei anderen Exporteuren? Laut USDA gibt es dort ähnliche Entwicklungen wie bei uns. Oft werden leicht rückläufige Kuhzahlen durch höhere Milchleistungen ausgeglichen (vgl. Übersicht 1):


  • In den USA stagniert der Bestand nahezu. Das USDA beziffert ihn auf rund 9,36 Mio. Kühe. Die Milcherzeugung steigt allerdings um rund 2 Mio. t bzw. gut 2% auf über 98 Mio. t. Der starke Dollar im Vergleich zum Euro macht den nordamerikanischen Exporteuren aber am Weltmarkt das Leben schwer. Sie müssen Marktanteile durch massive Preiszugeständnisse erkaufen. Und das könnte in der Tat auf die Erzeugerpreise durchschlagen. Eventuell treten also die US-Milchviehhalter doch wieder auf die Produktionsbremse.
  • Danach sieht es in Neuseeland derzeit nicht aus. Die Molkerei Fonterra, die 90% der neuseeländischen Milch verarbeitet, hat jüngst erst die Auszahlungspreise kräftig angehoben. Gegenüber der Saison 2015/16 rechnen Beobachter insgesamt 2016/17 mit einer Steigerung um fast 50%. Neuseelands Milchfarmer schöpfen denn auch wieder Mut, stecken Geld in die Produktion, z.B. für gutes Futter sowie Spitzenfärsen, und werden laut USDA im laufenden Wirtschaftsjahr rund 1% mehr Milch erzeugen als 2015/16.
  • Produktionssteigerungen zeichnen sich auch in Australien und Argentinien ab. Neben gestiegenen Preisen profitieren die Kuhhalter in beiden Ländern von besseren klimatischen Bedingungen. Es gibt mehr und vor allem etwas günstigeres Futter als bisher. Zuvor machte ein starker El Niño den Milcherzeugern im pazifischen Raum das Leben schwer. Dieses Wetterphänomen hat in argentinischen Milchregionen zu heftigen Überschwemmungen geführt, in Australien hingegen zu Dürre und entsprechenden Problemen mit der Futterversorgung. Argentinische Betriebe kämpfen allerdings nach wie vor mit einer hohen Inflation von rund 30%. Kredite für Investitionen und Betriebsmittel sind nur zu horrenden Kosten zu bekommen. Das könnte die Milcherzeugung deckeln.


Fakt ist: Die führenden Exporteure von Milch und Milcherzeugnissen werden die Produktion 2017 nach der Prognose des USDA insgesamt um etwa 3 Mio. t auf 292,5 Mio. t Milch steigern. Dadurch ziehen zwar nicht unbedingt schon wieder dunkle Wolken am Markt auf. Damit die Rechnung aufgeht und attraktive Preise zu erzielen sind, muss aber der Export laufen.


Asien bleibt interessant:

Eine Schlüsselrolle kommt aus Sicht des USDA auch weiterhin den asiatischen Importeuren zu. In Südkorea, das jährlich etwa 110000 bis 120000 t Käse einführt, ist es der europäischen Milchindustrie z.B. gelungen, US-Mitbewerbern erhebliche Marktanteile abzujagen. Bis Oktober 2016 haben die USA 31% weniger Käse in das Land geliefert, die EU hingegen 43% mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Und die EU – Nr. 1 am internationalen Käsemarkt (vgl. Übersicht 2) – ist auf bestem Wege, die USA als führenden ausländischen Lieferanten in Südkorea abzulösen.


Zum Teil beruht der Erfolg in Asien auf der Tatsache, dass der relativ schwache Euro im Vergleich zum Dollar den Europäern am Weltmarkt Wettbewerbsvorteile verschafft. Die EU punktet aber auch mit der Produktsicherheit und hohen Qualitätsstandards. Unsere Milchindustrie ist deshalb in vielen Regionen der Welt erfolgreich am Markt.


Vieles hängt von China ab:

Über Wohl und Wehe entscheidet der Export nach China. Da dort die Wirtschaft schwächelt und die Kaufkraft stagniert, glaubt das USDA nicht an Zuwächse. Zudem versucht das Reich der Mitte, durch Direktinvestitionen in ausländische Milchstandorte die Eigenversorgung zu verbessern. Die Chinesen werden aber auch künftig nicht um internationale Zukäufe herumkommen.


Viele Kleinbauern haben sich angesichts schlechter Erlöse und eventuell auch als Reaktion auf politischen Druck Pekings in den letzten Jahren aus der Milchviehhaltung verabschiedet. 2017 soll der Gesamtbestand um weitere 500000 auf 7,5 Mio. Kühe sinken. Im Rahmen des Strukturwandels steigen zwar die mittleren Leistungen um 5% auf 4700 kg pro Kuh. Trotzdem geht die chinesische Milchmenge 2017 um weitere 2% auf insgesamt 35 Mio. t zurück, glaubt das USDA. Exporteure sind also gut beraten, mit chinesischen Abnehmern im Gespräch zu bleiben. Je besser das gelingt, desto eher gibt es auch Chancen, die hohen Magermilchpulver-Vorräte, die Brüssel angehäuft hat, doch noch zu halbwegs attraktiven Preisen zu vermarkten. Bei der letzten Ausschreibung gab es nur sehr enttäuschende Gebote dafür.


Russland will noch nicht:

Nach Osten brauchen wir in diesem Zusammenhang übrigens nicht zu schielen. Der russische Markt ist für EU-Anbieter nach wie vor verschlossen. Ein Ende der Handelssanktionen ist auch noch nicht in Sicht. Russland muss jedoch auch 2017 Milchprodukte importieren, da die Eigenproduktion auf der Stelle tritt. Erhebliche Mengen stammen aus Weißrussland, und das wiederum kauft für die Versorgung der eigenen Bevölkerung Rohmilch aus anderen Staaten zu, z.B. aus Polen. So schließt sich der Kreis: Russlands Nachfrage kommt indirekt also doch in der EU zum Tragen.


Und was bedeutet das für die Erzeugerpreise bei uns? Je besser die Ausfuhren laufen, desto stabiler wird sich der Milchpreis in den kommenden Monaten zeigen. Auf kräftige Steigerungen sollen Kuhhalter allerdings nicht spekulieren. -me-

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