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Wie gut ist das neue Düngerecht?

Lesezeit: 10 Minuten

Düngeverordnung und Stoffstrombilanz sind für die Politik ein ausgewogener Kompromiss. Für die Wissenschaft ist das Paket dagegen ein unzureichendes Bürokratiemonster. Ein Streitgespräch zwischen Dr. Hermann Onko Aeikens und Prof. Dr. Friedhelm Taube.


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Wie bewerten Sie das Gesamtpaket aus Düngegesetz, Düngeverordnung und Stoffstrombilanzverordnung?


Aeikens: Ich glaube, dass wir gute und tragfähige Lösungen gefunden haben. Wir verfügen jetzt über ein modernes Düngerecht, das die Umwelt entlastet und den Landwirten gleichzeitig eine bedarfsgerechte Düngung ermöglicht.


Taube: Ich sehe das wesentlich kritischer. Positiv ist, dass das Düngegesetz nun fordert, Nährstoffverluste soweit wie möglich zu vermeiden. Leider haben die darauf aufbauenden Düngeverordnung und die Stoffstrombilanzverordnung zum Teil extreme Defizite.


Welche?


Taube: Die zulässigen N-Überschüsse sind eindeutig zu hoch. Nach der Optionsregelung in der Stoffstrombilanzverordnung dürfen die Landwirte Überschüsse von bis zu 175 kg N/ha ausweisen. Und auch die Spielräume, die die Anlage 4 der Düngeverordnung bei der Ermittlung des N-Düngebedarfs lässt, können im Extremfall zu N-Überschüssen von 200 kg/ha und mehr führen. Wissenschaft und Beratung halten maximal 120 kg N-Überschuss pro ha für vertretbar. Wer größere Überschüsse zulässt, gefährdet die Ziele der Nitrat- und Wasserrahmenrichtlinie. Und der Gesetzgeber verlagert den notwendigen Anpassungsbedarf weiter in die Zukunft. Das ist nicht im Interesse der Landwirtschaft!


Aeikens: Das sehe ich nicht so. Überschüsse in Höhe von 200 kg N/ha sind nach der Düngeverordnung nicht zulässig. Das neue Düngerecht fordert den betroffenen Landwirten sehr viel ab. Eine Reihe von Betrieben braucht jetzt zusätzliche Flächen für die Ausbringung von Gülle und Gärresten. Die sind insbesondere in den viehintensiven Regionen extrem knapp und teuer. Wenn das nicht gelingt, müssen sie ggf. ihre Viehbestände abstocken.


Taube: Wer jetzt durch die neue Regelung abstocken muss, ist vorher offensichtlich nicht ausreichend kontrolliert worden, denn an der maximalen Obergrenze von 170 kg N/ha aus Wirtschaftsdünger tierischer Herkunft hat sich ja nichts geändert.


Aeikens: Wir sollten jetzt die Wirkungen des neuen Düngerechts abwarten. Wie positiv diese ausfallen, wird auch davon abhängen, mit welcher Konsequenz die Länder die Verordnungen umsetzen. Ich bin zuversichtlich, dass wir in den sog. roten Gebieten (Anm. d. Red.: Gebiete, in denen das Grundwasser besonders mit Nitrat und Oberflächengewässer mit Phosphat belastet sind.) eine Verbesserung der aktuellen Situation bekommen. Wir werden die Nitratgehalte regelmäßig messen und das neue Düngerecht evaluieren. Bis 2021 muss das Bundeslandwirtschaftsministerium dem Bundestag einen Bericht über die Wirkungen der Stoffstrombilanzverordnung vorlegen.


Taube: Ich finde es sehr problematisch, dass eine ungewöhnliche Koalition von Bauernverband, Grünen in Niedersachsen und SPD in Mecklenburg-Vorpommern es geschafft hat, die Schleusen für höhere N-Überschüsse jenseits aller wissenschaftlichen Empfehlungen zu öffnen.


Aeikens: Ich habe eine solche Koalition nicht wahrgenommen. Uns ging es darum, unterschiedliche Interessen zusammenzuführen. Das ist gelungen.


Taube: Ich möchte, dass gute Landwirte, die zum Beispiel nährstoffreduziert füttern, bedarfsgerecht düngen und Gülle optimal ausbringen, für ihr Handeln auch belohnt werden. Das wird mit diesen Verordnungen nicht erreicht. Im Gegenteil: Die Folge wird sein, dass die Nitratwerte in den schon jetzt belasteten Regionen weiter steigen. Für diese Erkenntnis braucht man keine weitere Evaluierung, die Daten liegen schon heute vor – der Handlungsbedarf ist eindeutig!


Ist die Bundesregierung vor Berufsstand und Bundesrat eingeknickt?


Aeikens: Nein. Wir haben – wie es politisch üblich und richtig ist – einen tragfähigen Kompromiss ausgehandelt und dabei auch die Interessen der Betroffenen berücksichtigt. Und ich erinnere daran, dass die Stoffstrombilanzverordnung nicht die Vorgaben der Düngeverordnung aushebelt. Diese ist von allen Betrieben einzuhalten und von den Länder zu überwachen.


Taube: Nochmal: Auch die Düngeverordnung hat erhebliche Schwächen. Nehmen Sie die Anrechnung der sogenannten unvermeidbaren Futterverluste. Betriebe in Futterbauregionen, die nach der alten Regelung die zulässigen 60 kg N/ha Überschüsse überschritten hätten und sanktioniert werden müssten, bekommen dadurch einen um 50 bis 70 kg N/ha größeren Anrechnungs-Spielraum. Dann darf man sich nicht wundern, wenn die Nitratwerte in den roten Gebieten nicht sinken.


Wie gut überwachen die Länder die Einhaltung der Vorgaben?


Aeikens: Sowohl die Länder als auch die Landwirte sollten ein Interesse haben, dass die Vorgaben eingehalten werden und mit unseren Wasservorräten sorgfältig umgegangen wird. Das gilt vor allem für die Landwirte, damit diese das immer wieder zu hörende Image, sie seien Grundwasserverunreiniger, loswerden.


Taube: Ich möchte als dem Berufsstand zugewandter Agrarwissenschaftler auch, dass die Landwirte beim Komplex Nährstoffbelastung der Gewässer endlich aus der Defensive herauskommen. Dazu sind auch mehr Kontrollen wichtig. Meiner Ansicht nach gibt es in einigen Ländern durchaus noch Verbesserungsmöglichkeiten.


Wie könnte der Bund helfen?


Taube: Man könnte die Zuständigkeiten so organisieren wie bei der Hochschulförderung. Der Bund unterstützt die Länder beim Hochschulbau, diese bleiben aber für das Hochschulwesen insgesamt zuständig. Übertragen auf die Düngepolitik hieße das: Der Bund finanziert in den Ländern die personelle Grundausstattung einer Düngebehörde. Damit wäre eine vergleichbare Umsetzung der Düngeverordnung in allen Bundesländern sichergestellt, unabhängig von deren Finanzkraft.


Ist das eine gute Idee, Herr Aeikens?


Aeikens: Es ist zumindest ein interessanter Beitrag zum Bund-Länder-Finanzausgleich, über den wir im Bildungsbereich diskutieren. Allerdings glaube ich nicht, dass wir im Vollzug des Düngerechts ein flächendeckendes gravierendes Problem haben. Bund und Länder arbeiten kooperativ zusammen.


Wer die Wirkungen des Düngerechts beurteilen will, benötigt gute Daten. Wie repräsentativ ist das neue Messstellennetz?


Aeikens: Das Messstellennetz ist von Ländern grundlegend überarbeitet worden und ermöglicht einen flächen- und nutzungsrepräsentativen Überblick über die Grundwassersituation in Deutschland, differenziert nach Acker, Grünland oder Sonderkulturen.


Taube: Aus fachlicher Sicht für die Nitratrichtlinie ist nur das Belastungsmessnetz relevant, weil nur dort Landwirtschaft stattfindet. Es war richtig, dass die Länder die Messstellen noch einmal überprüft und ergänzt haben. Am Ergebnis hat sich aber nicht viel geändert: Die roten Gebiete sind immer noch rot. Ob sich die Situation verbessert oder verschlechtert, wissen wir in spätestens drei bis vier Jahren.


Ist das deutsche Messstellennetz mit dem anderer EU-Staaten vergleichbar?


Aeikens: Ja.


Taube: Vor allem im Vergleich mit den Niederlanden und Dänemark.


Was bringt eine verstärkte Beratung in den roten Gebieten?


Taube: Wir dürfen das Thema nicht auf den Grundwasserschutz und auf die roten Gebiete verengen. Wir müssen genauso bisher nicht erfüllte europäische Vorgaben, zum Beispiel beim Ammoniak und beim Klimaschutz, berücksichtigen. Mehr Beratung löst nicht das Kernproblem, dass wir deutschlandweit seit mehr als 20 Jahren im Durchschnitt immer noch Überschüsse von 100 kg N/ha im Jahr haben! Diese Überschüsse landen in Boden, Wasser und Luft. Das ist keine gute fachliche Praxis.


Würde eine Pflichtberatung von Landwirten in den roten Gebieten helfen?


Aeikens: Nein. Dazu sind auch die individuellen Verhältnisse in den Betrieben viel zu unterschiedlich.


Taube: Das sehe ich aus einem anderen Grund auch so. Über eine Pflichtberatung treiben wir einen Keil in den Berufsstand. Wer in einem grünen Gebiet liegt, wäre ein guter Landwirt und wer Flächen in einem roten Gebiet hat, würde automatisch zu einer Beratung verpflichtet. Das ist nicht sachgerecht.


Aeikens: Wichtig ist, dass wir die Landwirte stärker sensibilisieren für die Überschussproblematik. Hier sind die Länder über verstärkte Beratung aktiv. Wir flankieren das durch praxisnahe Forschung unserer wissenschaftlichen Einrichtungen. Es ist aber auch klar, dass die personellen und finanziellen Ressourcen begrenzt sind. Deshalb müssen die Länder Schwerpunkte setzen. Da ist es naheliegend, dass sie sich auf die roten Gebiete konzentrieren.


Taube: Der Bund als Verantwortlicher für die Gesetzgebung hätte keinesfalls zulassen dürfen, dass die Länder in den roten Gebieten sehr unterschiedliche und teilweise ineffektive zusätzliche Maßnahmen ergreifen dürfen. Das Spektrum reicht von der Untersuchung der Nährstoffgehalte in der Gülle, über erhöhte Gülle-Lagerkapazitäten bis hin zu geringeren zulässigen Nährstoffüberschüssen. Jetzt werden die Maßnahmen möglicherweise nach Parteifarbe und nicht nach Notwendigkeit festgelegt. Das gefährdet die einheitliche Umsetzung der Düngeverordnung.


Aeikens: Das sehe ich überhaupt nicht so. Ich glaube vielmehr, dass wir ein Maßnahmenpaket verabschiedet haben, das den unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten und den betrieblichen und strukturellen Besonderheiten in Deutschland Rechnung trägt.


Wo sehen Sie schon heute Änderungsbedarf im Düngepaket?


Taube: Neben den von mir schon genannten Defiziten halte ich die Dünge- und Stoffstrombilanzverordnung für ein bürokratisches Monster. Vieles hätte man viel einfacher organisieren können. Ist es wirklich die Aufgabe des Staates, die Düngeplanung eines Landwirts zu überwachen? Letztlich zählt doch nur das Ergebnis: der Nährstoffsaldo. Diesen könnte man mit wenigen Ergänzungen aus dem Buchführungsabschluss als Brutto-Hoftorbilanz ableiten. Dazu müssten die Buchstellen den Düngereinkauf nur differenzierter buchen – also nicht nur als Dünger, sondern als Kalkammonsalpeter, Harnstoff oder Diammonphosphat. Stattdessen verlieren wir uns nun bei den komplizierten Rechnungen in den Details und müssen schwierige Auslegungsfragen klären.


Was fordern Sie von der neuen Bundesregierung?


Taube: Dass Sie eine weitere Wahlmöglichkeit für die Betriebe schafft, eine schlanke Brutto-Hoftorbilanz auf Basis der Buchführung zu erstellen und wissenschaftlich abgesicherte Obergrenzen in Abhängigkeit des Anfalls bzw. des Einsatzes organischer Dünger zulässt. Das ist einfacher, schneller und effizienter als das bisherige Verfahren und nur so erreichen sie eine Akzeptanz der Ackerbaubetriebe, Gülle und Gärreste aus Tierhaltungsregionen aufzunehmen.


Aeikens: Ich glaube nicht, dass wir mit dem von Prof. Taube als vereinfachend geschilderten Modell problemgerecht das auf den Weg gebracht hätten, was auf den Weg gebracht werden musste. Der zusätzliche Aufwand unseres Modells hält sich für die Landwirte in Grenzen, wenn man berücksichtigt, welche Daten ohnehin für die Betriebsführung und andere Zwecke dokumentiert werden müssen. Kurzum: Wir haben ein Paket verabschiedet. Das werden wir jetzt anwenden und in den vorgesehenen Zeiträumen überprüfen. Zudem ist die Stoffstrombilanzverordnung kein Bestandteil unseres Aktionsprogramms zur Umsetzung der EU- Nitratrichtlinie. Zur Umsetzung der Nitratrichtlinie würden Nährstoffbilanzen nicht ausreichen.


Was geschieht mit dem laufenden Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Deutschland, bezüglich der nicht korrekten Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie?


Aeikens: Wir werden in nächster Zeit ein Urteil bekommen. Nach unserer Auffassung erfüllt das neue Düngepaket die Vorgaben der Nitratrichtlinie.


Taube: Ich wäre da nicht so optimistisch. Wenn der Europäische Gerichtshof auf Basis wissenschaftlicher Kriterien arbeitet, kann er nur entscheiden, dass Deutschland die europäischen Vorgaben nicht angemessen umsetzt.


Kommissar Hogan will bei EU-Agrarrefrom 2020 Umweltzielt mit den Mitgliedstaaten vereinbaren. Kann man damit die Nährstoffüberschüsse eindämmen?


Aeikens: Wir begrüßen grundsätzlich die ersten Ideen des Kommissars, die aber noch untersetzt und konkretisiert werden müssen. Diesbezüglich stehen wir mit der Kommission im Austausch.


Taube: Ja, aber nur, wenn die EU-Standards darunter nicht leiden und die Umweltziele ambitioniert genug sind! Über eine Gemeinwohlprämie für Biodiversitäts-, Klima- und Wasserschutzleistungen könnte man die Leistungen der Landwirte angemessen vergüten.


Taube: Ja, aber nur, wenn die EU-Standards darunter nicht leiden und die Umweltziele ambitioniert genug sind! Über eine Gemeinwohlprämie für Biodiversitäts-, Klima- und Wasserschutzleistungen könnte man die Leistungen der Landwirte angemessen vergüten.


Interview: Dr. Ludger Schulze Pals

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