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„Wir sind nah bei den Bauern!“

Lesezeit: 9 Minuten

Die BayWa ist weltweit unterwegs, ohne die Bauern daheim zu vernachlässigen, sagt Klaus Josef Lutz. Wo er noch Potenziale sieht, erläutert der BayWa-Chef im Interview mit Südplus.


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Wie ist das Jahr 2017 gelaufen?


Lutz: Die endgültigen Zahlen haben wir erst Ende März. Mit der Entwicklung bin ich aber zufrieden (Anmerkung der Redaktion: detaillierte Zahlen in der Übersicht auf Seite 12).


In allen Geschäftsfeldern?


Lutz: Die tragende Säule wird wie in den vergangenen Jahren wieder die Energiesparte sein und dort besonders die Erneuerbaren Energien. Die Agrartechnik ist ebenfalls hervorragend gelaufen. Der Bereich Baustoffe hat sich stabilisiert. Wir haben dort die Re-strukturierung abgeschlossen. Schwieriger war der Obstsektor. Die hiesige Ernte war aufgrund der Frostschäden ein Desaster und auch in Neuseeland gab es einige Qualitätsprobleme, aber am Ende wird es dort zufriedenstellend gelaufen sein. Schwierig ist und bleibt der klassische Agrarhandel. Dort lief das internationale Geschäft deutlich besser als das deutsche.


Woran liegt das?


Lutz: Erstens haben wir ein Strukturproblem in der Landwirtschaft. Unsere Betriebe sind im internationalen Vergleich deutlich kleiner. Zweitens waren die Getreide- und Sojapreise aufgrund der weltweit guten Ernte eher bescheiden. Das trifft auch den Handel. Und drittens belastet uns das Auf und Ab der Preise. Die Aktivitäten der großen Hedgefonds an der Chicagoer Börse koppeln sich immer mehr von der realen Welt ab. So wurde 2017 die komplette Weltsojaernte in Chicago 28 Mal ge- und verkauft – virtuell natürlich. Das jagt die Preise rauf und runter, ohne dass sich an der Erntemenge irgendetwas geändert hat.


Was heißt das für das Gesamtergebnis?


Lutz: Das wird zufriedenstellend ausfallen. Deshalb streben wir auch wieder eine Dividendenerhöhung an.


Im Dezember haben Sie den britischen Getreidehändler Premium Crops übernommen und Ihr internationales Getreidegeschäft weiter ausgebaut. Welche Strategie steht dahinter?


Lutz: Wir bauen unser Spezialitätengeschäft weiter aus. Premium Crops vertreibt unter anderem pflanzliche Bestandteile für Plastikprodukte. Damit erschließen wir neue Kunden. Dass die Strategie aufgeht, zeigt unser niederländischer Spezialitätenhändler Tracomex, den wir Ende 2016 erworben haben. Das Unternehmen hat 2017 erheblich zu unserer Ergebnisverbesserung beigetragen. Deshalb werden wir diesen Weg weitergehen.


Ziehen Sie sich aus dem klassischen Getreide- und Sojageschäft weiter zurück?


Lutz: Nein. Die Spezialitäten ergänzen unser traditionelles Geschäft.


Welche Umsatzanteile soll das Spezialitätengeschäft im Vergleich zum klassischen Agrarhandel erreichen?


Lutz: Hier gibt es keine Vorgabe. Die Bereiche sind auch nicht direkt vergleichbar. Im klassischen Handel ist der Umsatz hoch und das operative Ergebnis klein. Im Spezialitätengeschäft ist es genau umgekehrt.


Im vergangenen Jahr haben Sie in Deutschland eine Reihe von Stand-orten geschlossen. Lautet die Strategie, auswärts wachsen und zu Hause schrumpfen?


Lutz: Nein, wir optimieren und investieren. Der Wettbewerb ist schärfer geworden. Die Agravis investiert in Süddeutschland und wir stellen uns in Nord- und Westdeutschland stärker auf. Wir haben zum Beispiel den nordrhein-westfälischen Landhändler Knaup übernommen, um unseren Futtermittelvertrieb im Westen zu stärken. Und wir bauen unsere Hafenstandorte an der Ostsee aus. Aber der verschärfte Wettbewerb im genossenschaftlichen Bereich kostet Ertrag.


Ist das vernünftig?


Lutz: Es ist wie es ist. Das Bundeskartellamt hat zum Regionalprinzip klare Aussagen getroffen, wenn es denn eines gäbe. In meinen Augen ist das Regionalprinzip bestenfalls Folklore. Da-rüber zu lamentieren, macht wenig Sinn. Im Übrigen profitieren die Landwirte von mehr Wettbewerb.


Welche Konsequenzen hat das für die Betriebsstrukturen der BayWa?


Lutz: Wir haben uns in den vergangenen drei Jahren von rund 50 nicht profitablen Standorten getrennt und gleichzeitig 80 Mio. € in verbleibende Handels- und Technikstandorte investiert.


Wird es weitere Schließungen geben?


Lutz: Ich denke, wir werden auch 2018 weitere 20 bis 30 Standorte aufgeben.


Gefährdet das nicht die Nähe zum Landwirt?


Lutz: Nein. Die Landwirte profitieren davon, wenn die BayWa effizienter und kostengünstiger arbeitet.


Sie haben die BayWa in den vergangenen Jahren konsequent internationalisiert. Wie stellen Sie sicher, dass sich die heimischen Landwirte noch von ihrer BayWa vertreten fühlen?


Lutz: Ich bin regelmäßig bei landwirtschaftlichen Veranstaltungen in Bayern und Baden-Württemberg, aber auch in Ostdeutschland oder in Österreich, und erläutere unsere Strategie. In meinen Vorträgen zeige ich den Bauern auf, dass die BayWa weiterhin tief in der Region verwurzelt ist. Aber es ist Realität, dass die Märkte weltweit zusammenhängen. Regional ist global und umgekehrt. Nationales und internationales Geschäft müssen sich gegenseitig stärken und stützen. Das ist unsere Philosophie. Mein Eindruck ist, dass die Landwirte das auch mehr und mehr verstehen.


Für Sie ist die Digitalisierung ein wichtiges Zukunftsthema. Wie gut sind Sie dort im vergangenen Jahr vorangekommen?


Lutz: Weiter als gedacht. Die Kooperation mit der Agrar Application Group, die wir zusammen mit Agco, Krone, Kuhn, Lemken, Pöttinger und Rauch auf den Weg gebracht haben, ist für mich ein Meilenstein in unserer digitalen Strategie. Wir rechnen damit, unsere Software „Next Machine Management“ im 3. Quartal 2018 präsentieren zu können. Jede Maschine unserer Partner wird dann herstellerunabhängig mit dieser Software verbunden, wenn der Kunde das möchte. Zusammen mit dem Farm Management System „Next Farming“ wird das die Landwirte bei Anbauplanung, Düngung und Pflanzenschutz unterstützen. Es erleichtert zum Beispiel die teilflächenspezifische Bewirtschaftung und die Dokumentation.


Auf welche Resonanz stößt das Angebot bei den Landwirten?


Lutz: Es ist noch zu früh, dass zu bewerten. Unser Vertrieb hat die Aufgabe, die Vorteile eines solchen digitalen Komplettangebots intensiv zu kommunizieren. Besonders die jüngeren Landwirte haben großes Interesse an digitalen Lösungen. Bei den älteren ist sicher noch mehr Überzeugungsarbeit zu leisten. Wir müssen die Vorteile aufzeigen, die solche digitalen Hilfen im Alltag bringen können. Die Digitalisierung ist ja kein Selbstzweck. Jeder Landwirt benötigt ein auf seinen Betrieb zugeschnittenes digitales Angebot. Das müssen wir schaffen. Dann werden wir die Landwirte auch von den Vorteilen der Digitalisierung überzeugen können: weniger Betriebsmittel, weniger Kosten, weniger Bürokratie, mehr Rechtssicherheit, mehr Effizienz und mehr Freizeit. Wenn wir dem Landwirt das nicht glaubhaft versichern können, wird er das Produkt nicht kaufen. So einfach ist das.


Wie wichtig sind dabei die Datensicherheit und der Datenschutz?


Lutz: Sehr wichtig. Natürlich gibt es keine 100%ige Sicherheit. Aber wir tun das Mögliche. Unsere Datenserver stehen in Deutschland und nicht in China. Und wir gehen sehr sensibel mit den Daten der Landwirte um. Wir wollen und wir haben keinen heimlichen Zugriff auf die steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Daten der Landwirte. Und wir verkaufen die Daten nicht an Dritte. Das würde das Vertrauen einer 95-jährigen Zusammenarbeit von jetzt auf gleich zerstören.


Bisher verdienen Sie mit der Digitalisierung aber noch kein Geld?


Lutz: Nein, wir sind noch in der Investitionsphase. Ich kann Ihnen auch nicht sagen, wann wir die Gewinnschwelle erreichen. Das hängt ganz stark davon ab, wie schnell wir die Landwirte in Deutschland und in den anderen Teilen der Welt von den Vorteilen unseres digitalen Angebots überzeugen.


Werfen wir einen Blick auf die Kapitalstruktur: Die Eigenkapitalquote des Konzerns ist innerhalb von sechs Jahren von 30 % auf 17 % zurückgegangen. Hat sich diese Entwicklung 2017 fortgesetzt?


Lutz: Ich gehe davon aus, dass die Eigenkapitalquote in 2017 wieder ansteigen wird. Allerdings ist eine Quote von 30% für ein Dienstleistungs- und Handelshaus aus meiner Sicht zu hoch. Vergleichbare Unternehmen haben überwiegend niedrigere Eigenkapitalquoten.


Welche Quote ist denn sinnvoll?


Lutz: Die Eigenkapitalquote muss so hoch sein, dass die Banken damit kein Problem haben. Dafür schauen sie auf Ergebnis und Verschuldung. Bei der Verschuldung bewerten die Banken vor allem das Verhältnis von Eigenkapital plus langfristigem Kapital zum langfristigen Vermögen. Dieses liegt bei uns bei über 100 %. Außerdem ist unser Eigenkapital in den vergangenen Jahren in absoluten Zahlen gewachsen. Vor diesem Hintergrund halten uns die Banken für ein kerngesundes Unternehmen. Der Großteil unserer Verbindlichkeiten ist den Projekten und Lagerbeständen geschuldet. Das ist für ein Handelsunternehmen system-immanent.


Eine Zinswende würde Sie nicht in die Bredouille bringen?


Lutz: Natürlich würde uns das treffen, aber nicht mehr als alle anderen Unternehmen auch. Das langfristige Fremdkapital ist durch verschiedene Finanz-instrumente – zum Beispiel das Schuldscheindarlehen – an eine variable und fixe Verzinsung gekoppelt. Daher wirken sich Zinserhöhungen nur begrenzt aus. Rund die Hälfte der kurzfristigen Mittelaufnahme ist gegen Risiken eines Zinsanstiegs gesichert.


Was erwarten Sie für das Geschäfts-jahr 2018?


Lutz: Das Agrargeschäft wird schwierig bleiben. Wir wollen unser Ergebnis trotzdem verbessern, indem wir die Kosten weiter senken und das Risikomanagement verbessern. Das Energiegeschäft wird auch 2018 die tragende Säule des Konzerns sein. Der Obstbereich wird sich verbessern, weil Menge, Qualität und Preise in diesem Jahr deutlich besser sind – zumindest für Neuseeland können wir das schon sagen. Bei der Agrartechnik sind die Auftragsbücher voll und das Baustoffgeschäft bleibt auch so stabil wie in 2017, weil der Bausektor weiter boomt.


Wo werden Sie in diesem Jahr vor allem investieren?


Lutz: Wir werden in unser neues Geschäftsfeld Gewächshausbau investieren. Zum Bespiel in Abu Dhabi. Die ersten 5 ha Gewächshäuser werden dort in Kürze in die Produktion gehen. Der zweite Bauabschnitt ist schon weit fortgeschritten. In den USA suchen wir derzeit auch nach Standorten, z.B. im Staat New York oder in Ohio. Wenn die Anlagen dann in Betrieb sind und laufen, wollen wir sie verkaufen und die Produkte dann selbst vermarkten. Der Markt dafür ist da. Zusätzlich werden wir das Geschäft mit den Erneuerbaren Energien ausweiten. Um die Strukturen zu optimieren, werden wir im Agrarbereich in den kommenden zwei bis drei Jahren bis zu 150 Mio. € investieren, wie in den vergangenen Jahren auch. Und natürlich halten wir immer Ausschau nach interessanten zu unserer Strategie passenden Zu-käufen.


Ihr Vertrag als Vorstandsvorsitzender läuft bis 2022. Wie wird die BayWa dann aussehen?


Lutz: Sie wird weiter auf mehreren stabilen Säulen stehen. Die Digitalisierung wird in allen Geschäftsfeldern neue Potenziale eröffnen und eine viel größere Bedeutung als heute haben. Strategisch halte ich darüber hinaus den weiteren Ausbau des Spezialitätengeschäfts im Agrarbereich für zukunfts-trächtig und ich hoffe auch, dass sich unser neues Geschäftsfeld „Gewächshausbau“ als nachhaltig erweist.


Herzlichen Dank für das Gespräch!


Interview: Dr. Ludger Schulze Pals

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