Warum Bodenlebewesen ihm genauso lieb wie Kühe und Zweitfrüchte gut für das Klima sind – das veranschaulichte Landwirt Stefan Vogelsang im Rahmen der Ernte-Pressekonferenz des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands (WLV). In Lintel bei Rheda-Wiedenbrück bewirtschaftet der 38-Jährige mit seiner Familie 180 ha Acker- und Grünland, hält 180 Milchkühe sowie 120 Sauen inklusive Ferkelaufzucht und Mast.
Helfer im Schatten
Fläche ist ein knappes Gut. „Deshalb müssen Landwirte sie gesund halten“, so viel steht für den Betriebsleiter fest. Dabei sollen ihm die Bodenlebewesen helfen. Also setzt er auf Zwischenfrüchte. Gerade für die kurzen Zeiträume im Sommer lohnt sich für Vogelsang der Anbau von Wicke, Rübse und Co. Denn unter schattigen Grünpflanzen bei rund 20 °C fühlen Regenwürmer sich wohl und lockern die Erde auf. So kann der Boden Starkregen schneller aufnehmen und in Dürrejahren das Wasser besser zur Pflanze transportieren.
Auf unbestellten Flächen hat Vogelsang dagegen schon bis zu 40 °C gemessen. Das hat fatale Folgen: Schwinden Wasser, Sauerstoff, Stickstoff und Humus aus dem Boden, fehlt wertvolle Nahrung für die Mikroorganismen. Bleibt die Fläche bis zur Aussaat im Herbst liegen, haben zudem Unkräuter freie Bahn. „Das Geld für die Zwischenfrucht habe ich also drei Mal wieder drin“, ist sich der Landwirt sicher. „Außerdem stecken wir mitten im Klimawandel und müssen nach praktikablen Lösungen suchen.“
Pflanzenschutz mit Augenmaß
Das vergangene Jahr war nass. Schon im Herbst blieb in der Region viel Saatgut in der Scheune liegen. Auch im Frühjahr sorgte Staunässe für schlechte Befahrbarkeit. Wer aber Anbauplanung, Düngung oder Pflanzenschutz kurzfristig umstellen wollte, stieß schnell an gesetzliche Hürden.
„Auf Bundesebene herrscht leider mehr Verbotspolitik als Kooperationsbereitschaft“, bedauerte WLV-Präsident Hubertus Beringmeier vor Ort. Je nach Jahr und Witterung lasse sich der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln eben nicht vermeiden. „Gut wäre ein Bonussystem, bei dem erst im Herbst abgerechnet wird“, schlug Stefan Vogelsang vor. Wer den Mitteleinsatz bestmöglich reduziere, würde dann belohnt werden.
Daten bis ins Detail
Schon jetzt wirtschaftet der Landwirt dank Biomassekarten teilflächenspezifisch und nutzt autonome Lenksysteme. Mit Unterstützung von Ehefrau Anne teilt er seinen Alltag und seine praktischen Feldversuche über die sozialen Medien.
Auf dem Handy hat Stefan Vogelsang mehr als 20 Apps zur Betriebssteuerung installiert – vom Melkroboter bis zur Futterbestellung. Künstliche Intelligenz gibt ihm Bescheid, bevor eine Kuh erkrankt. Dafür erfasst das System die Wasseraufnahme und das Bewegungsprofil von jedem Tier. Kurzum: Digitalisierung ist das Markenzeichen des Hofs Vogelsang.
Sauenhaltung läuft aus
Neben Getreide, Gras und Mais bereichern mittlerweile Sonderkulturen wie die eiweißreiche Lupine und Speisemöhren die Fruchtfolge. Im vergangenen Jahr war die Möhrenernte allerdings ein Totalausfall. Aufgrund von Nässe und Frost kamen die Maschinen einfach nicht auf die Flächen.
Schwierig wird es demnächst auch mit der Sauenhaltung. Die neuen Platzanforderungen kann der Landwirt in den alten Stallgebäuden nicht erfüllen. Ein Neubau ist kaum umsetzbar, sodass der Betriebszweig auslaufen wird.
Doch deswegen den Kopf in den Sand stecken? Nein. Landwirt – das bleibt für Stefan Vogelsang trotz aller Herausforderungen der schönste Beruf der Welt.