Freya von Czettritz leitet seit 2022 in einer Doppelspitze mit Dr. Lothar Hövelmann die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) und ist Geschäftsführerin (CEO) der DLG-Holding. Die 41-Jährige studierte Betriebswirtin ist die erste Frau in dieser Führungsposition. Sie arbeitet seit 2008 bei der DLG. Vorher verantwortete sie dort die Agritechnica sowie den Bereich Messen Pflanzenbau international.
Freya von Czettritz lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern im Rhein-Main-Gebiet. Aufgewachsen ist sie in Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt auf dem Saatzuchtbetrieb Nordsaat.
Frau von Czettritz, wie hat Sie der Sprung in den CEO-Job bei der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft - DLG verändert?
von Czettritz: Tagtäglich erlebe ich, wie wichtig es ist, Wirkung in so eine Unternehmensgruppe zu geben. Klar kommunizieren und aktives Vorleben sind enorm wichtig. Den Schritt in die Vogelperspektive zu schaffen, für das ganze Unternehmen zu sprechen, das ist rückblickend betrachtet der größte Entwicklungsschritt. Und von dort Pfade und Leitplanken aufzuzeigen. Das Zweite ist, wie man an sich selbst arbeitet, mit so einer Position zu wachsen.
Was hat sich in der DLG unter Ihrer Führung verändert?
von Czettritz: Wir haben ein Strategieprojekt gestartet, unmittelbar als Lothar Hövelmann und ich übernommen haben. Zusammen mit unserem Präsidium und Vorstand haben wir die Gremienstruktur des DLG e.V.-s und die Gesellschaftsstruktur der Holding analysiert: Wo sind Gemeinsamkeiten der Gesellschaften? Wo haben wir gemeinsame Kunden, die wir zukünftig anders adressieren können? Wo haben wir Geschäftsfelder, die aufgrund der aktuellen Zeiten, der globalen Entwicklung oder Veränderungen im Markt eine neue Bewertung brauchen?
Daraus haben wir vieles abgeleitet, was wir jetzt umsetzen. Wir werden zum Beispiel die zwei Gesellschaften, die bei uns Messen im In- und Ausland organisieren, in eine Entität zusammenführen. Das heißt, Teams zusammenlegen und dort die Potenziale und die Effizienzen heben.
Wenn ich mal wieder in einer Männerrunde sitze, frage ich mich: „Würde die Entscheidung anders ausfallen, wenn noch eine Frau anwesend wäre?“
Wenn Sie von Teams sprechen, wie wichtig ist in der DLG die Sichtbarkeit von Frauen? Wie hoch ist der Frauenanteil in der DLG?
von Czettritz: Wir unterscheiden in der DLG zwischen den hauptamtlichen Mitarbeitern und den ehrenamtlich Engagierten. Bei den hauptamtlichen Mitarbeitern sind 57 Prozent der rund 350 Beschäftigten in der DLG-Gruppe weiblich. Luft nach oben gibt es auf den Geschäftsführerposten.
Wir geben uns aber keine Quote. Dennoch stelle ich mir die Frage, wenn ich mal wieder in einer Männerrunde sitze: „Würde die Entscheidung anders ausfallen, wenn noch eine Frau anwesend wäre?“
Wie sieht die Frauenmachtquote, also die Frauen in Führungsverantwortung bei der DLG aus?
von Czettritz: Der Anteil von Frauen auf Führungspositionen beträgt in der DLG-Gruppe in Deutschland rund 40 Prozent – unter den aktuell 50 Führungskräften innerhalb der DLG-Gruppe sind gegenwärtig 20 Frauen.
Die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) veranstaltet erstmals ein Netzwerktreffen speziell für Frauen aus der Landwirtschaftsbranche. Dieser „Female Agri Fellows Summit“ findet am 13. und 14. Mai in Münster statt. Warum braucht es solche Netzwerke heute noch?
von Czettritz: Frauen profitieren davon, wenn sie Frauen treffen, die gleiche oder ähnliche Fragen haben. Das trifft generell auf Netzwerke zu. In diesem Fall ist es ein Raum, den Frauen untereinander schaffen, um Themen zu diskutieren, die sie bewegen.
Wir sind eine Netzwerkorganisation im Agrar- und Lebensmittelbereich und tun sehr viel für unsere Community. Jetzt tun wir etwas gezielt für die Frauen, die auch auf Veranstaltungen bei uns immer noch unterrepräsentiert sind. Es ist die persönliche Ansprache, mit der wir die Frauen so besser erreichen.
Frauen, die selbstsicher auf ihren Beinen stehen, unterstützen auch andere Frauen.
Welche Rolle spielt in Frauennetzwerken die Konkurrenz untereinander?
von Czettritz: Ich bin der Überzeugung, dass für alle Frauen Platz genug ist. Ich bin nie durch Kämpfen zu irgendwas gekommen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Frauen, die selbstsicher auf ihren Beinen stehen und wissen, was sie für Kompetenzen und Werte haben, auch andere Frauen unterstützen. Denn sie können geben und teilen.
Natürlich gibt es auch Frauen, die schnell in Neid verfallen. Das erlebe ich auch. Ich gebe das, was ich geben kann. Alle die, die das nicht so annehmen können, versuche ich nicht zu überzeugen.
Politisch und gesellschaftlich erleben wir bei der Gleichstellung derzeit eher Rückschritte. Der Frauenanteil im neuen Bundestag ist auf 32 % gesunken. In Vorständen und Aufsichtsräten tut sich vor allem dort etwas, wo es Quoten gibt, etwa den DAX-Unternehmen. Wie wirkt das auf Sie?
von Czettritz: Das ist eine beunruhigende Entwicklung. Es irritiert mich maximal, wenn ich in die USA blicke, welche Rückschritte gemacht werden. Es geht um den Wert der freien Gesellschaft und Diversität. Ich halte es für so wertvoll, wenn man von vielen Blickrichtungen auf ein Thema schauen kann.
Es geht nicht nur um Männer oder Frauen, sondern beispielsweise auch um Herkünfte und Ethnien. Es hilft uns, wenn wir Entscheidungen treffen, die nicht von nur einer Denkschule gemacht werden. Auch in Deutschland stehen wir hier vor Herausforderungen.
Ich habe auch gesagt, was ich noch nicht kann und was ich aber trotzdem ausprobieren will.
Ein Thema des Netzwerktreffens wird „Durchsetzen in Männerdomänen“ sein. Wie haben Sie sich in der bisher eher männlich geprägten DLG durchgesetzt?
von Czettritz: Meine Grundhaltung ist und war „Leichtigkeit“. Ich hatte das, was ich heute mache, mir nicht als Karriereziel gesetzt. Ich habe eher zur richtigen Zeit, die richtigen Dinge getan. Das ist aus sehr viel Neugier entstanden und dem Mut, auch in kaltes Wasser zu springen. Eine Portion guter Optimismus und ein festes Wertegerüst haben mir geholfen, ebenso Schlagfertigkeit und Witz.
Ich wusste immer, was ich gut kann und womit ich mich nicht verstecken muss. Und ich habe auch gesagt, was ich noch nicht kann und was ich aber trotzdem ausprobieren will.
In vielen Familienbetrieben übernehmen Frauen die Buchhaltung und verantworten die Finanzen. Warum ist das Thema Frauen und Finanzen und ihre finanzielle Absicherung ein Thema auf ihrem Frauennetzwerktreffen?
von Czettritz: Es geht in erster Linie um die persönliche Absicherung der Frauen und nicht um Finanzmanagement des Betriebs. Das reicht vom klaren, offenen Gespräch, was es braucht, um beide Ehepartner gerecht am Unternehmensgewinn zu beteiligen, über den Ausgleich des Zugewinns im Falle einer Trennung bis hin zum Einkommen im Alter und zur Vermögensverteilung im Todesfall.
Mehr als ein Drittel der Arbeitskräfte in der deutschen Landwirtschaft sind Frauen, aber nur 11 % der Betriebe werden von Frauen geleitet. Mittlerweile treten Frauen, die einen Hof übernehmen, dennoch selbstverständlicher in die Öffentlichkeit. Ist bei der Hofnachfolge schon ein Kulturwechsel erreicht?
von Czettritz: Die Zahlen sagen, dass wir noch weit weg sind von einer ausgeglichenen Geschlechterverteilung bei der Hofnachfolge. Ich glaube, wenn wir als Netzwerkorganisation Frauen, die Betriebe leiten, verstärkt sichtbar machen, motiviert es andere, auch die Hofnachfolge anzutreten.
Frauen müssen sich selbstbestimmt ihre Position auf dem Hof suchen.
Was braucht es, damit sich Frauen an der Spitze von landwirtschaftlichen Betrieben selbstverständlicher etablieren. Damit sie dort langfristig erfolgreich sind?
von Czettritz: Vor allem müssen die abgebenden Väter und Mütter eine wichtige Arbeit in der Beziehung mit ihren Töchtern oder ihren Kindern leisten. Sie müssen gemeinsam ein Bild entwickeln: Wer hat welche Stärken und was braucht unser Familienbetrieb in Zukunft?
Gefragt sind Unternehmermenschen – egal ob Mann oder Frau–, die der Komplexität der Betriebsleitung gewachsen sind. Nicht alles in der Betriebsführung muss der Leiter oder die Leiterin selber können oder machen. Er oder sie muss nur wissen, was selbst zu leisten ist und welche Teile der Arbeit oder welche Kompetenzen von außen dazu geholt werden müssen. Dafür braucht es auf jeden Fall starke und empathische Vorbilder – und zwar Mütter und Väter.
Noch etwas: Wenn Frauen in Betriebe einheiraten, erleben wir oft noch, dass ihnen eine Rolle auf dem Betrieb zugeteilt wird. Ich halte es aber für wichtig, dass Frauen selbstbestimmt ihre Position auf dem Hof suchen. Das kann die Arbeit im Betrieb sein oder eine Berufstätigkeit.
Oft endet die Selbstbestimmtheit als Betriebsleiterin oder leitende Mitarbeiterin, wenn die Frau Kinder bekommt.
von Czettritz: Wenn wir zum Thema Kinder oder auch Vereinbarkeit von Familie und Unternehmertum beziehungsweise Beruf kommen, dann braucht es natürlich viel bessere Betreuungskonzepte in den Orten, im Ländlichen Raum und auch darüber hinaus. Das ist eine Aufgabe, die unser Staat besser lösen muss.
Was raten Sie Frauen, die Veränderungen anstoßen, dann aber auf Widerstände stoßen?
von Czettritz: Ruhe bewahren, an sich glauben und mit dem Fokus auf das gewünschte Ziel weitergehen. Wenn irgendwas im Weg steht, sich nicht entmutigen lassen, an sich glauben und an sich arbeiten.
Im Zweifel muss man sich ein Umfeld suchen, das besser zur eigenen Persönlichkeit und Lebensphilosophie passt, das die eigenen Fähigkeiten erkennt und in dem man mit positiver Energie wachsen kann.
Worüber sollten sich Frauen mit beruflichem Ehrgeiz weniger Gedanken machen?
von Czettritz: Frauen tendieren dazu, darüber nachzudenken, was sie alles nicht können. Das machen Männer anders. Ich glaube, Frauen sollten sich viel mehr zutrauen. Sie sollten sich auf ihre Stärken konzentrieren und damit punkten.
Treffen für Frauen
Am 13. und 14. Mai 2025 veranstaltet die DLG in Münster den „Female Agri Fellows Summit“. Auf diesem Netzwerktreffen für Frauen in der Landwirtschaft und im Agribusiness finden Vorträge statt etwa zu Frauen und Finanzen, Hofübergabe oder mentaler Gesundheit. Es werden Exkursionen angeboten und es ist Zeit für Gespräche.