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Gänseschäden: Bauern bekommen Entschädigung

Ein komplizierter Rechtsstreit rund um die Entschädigung von Gänseschäden in Niedersachsen sorgt für Aufregung. Wir sprachen mit Rechtsanwalt Christian Teppe, was das Urteil für die Praxis bedeutet.

Lesezeit: 5 Minuten

Was ist genau passiert?

Das niedersächsische Innenministerium hatte in verschiedenen Fällen Entschädigungsfestsetzungsbeschlüsse herausgegeben, die fünf betroffenen Landwirten Entschädigungszahlungen für Gänseschäden zubilligen. Das niedersächsische Umweltministerium klagte gegen die Entschädigungszahlungen. Im März 2024 hatte das VG Oldenburg diese Klage bereits abgewiesen (Az. 5 A 6823/17). Die Klage sei unzulässig, da es sich um einen unzulässigen „In-Sich-Prozess“ handele.

Wenn die Entscheidungspraxis in Bezug auf Entschädigungen zwischen zwei Ministerien desselben Bundeslandes umstritten sei, könne eine solche Streitigkeit außerdem innerhalb der Landesregierung, etwa durch Kabinettsbeschluss, entschieden werden, so die Richter. Das Umweltministerium ging trotzdem in Berufung. Bevor das Oberverwaltungsgericht Lüneburg entscheiden konnte, zog das Umweltministerium seine Klage jedoch zurück.

Weil das Umweltministerium die Zuständigkeitsfrage für Entschädigungen vom Landtag bekommen hat, hatte sich die Klage des Umweltministeriums gegen das Innenministerium erledigt. Damit wird die Zuständigkeit für Streitfragen zum Gänsefraß in Zukunft von der Enteignungsbehörde im Innenministerium zum Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), der nachgeordneten Behörde des Umweltministeriums übertragen. Das bedeutet, dass in Zukunft nur ein Ministerium in diesen Fällen zuständig ist; das schafft Rechtsklarheit und eine einheitliche Zuständigkeit.

Herr Teppe, gegen welche Entschädigungsfestsetzungsbeschlüsse richtete sich die Klage des Umweltministeriums?

Die Klage richtete sich gegen die Beschlüsse, die zugunsten der Landwirte durch das Innenministerium erfolgt sind.

Sind die Entschädigungsfestsetzungsbeschlüsse, mit denen den Bauern die Gänseschäden ersetzt werden sollen, damit automatisch rechtskräftig?

Ja, durch die Zurücknahme der Klage durch das niedersächsische Umweltministerium sind die Beschlüsse rechtskräftig. Und damit haben die Landwirte einen rechtlichen Anspruch auf Entschädigung.

Was ist die Rechtsgrundlage für die Entschädigungsfestsetzungsbeschlüsse?

Der §68 im Bundesnaturschutzgesetz – dieser regelt, dass man für Schäden am Eigentum, welche durch den Naturschutz entstehen, einen Entschädigungsanspruch hat.

Wie viele Landwirte haben solche Beschlüsse vom Innenministerium bislang erhalten?

Meines Wissens sind es bislang fünf oder sechs Landwirte, die alle im Landkreis Leer beheimatet sind.

Erhalten die Landwirte nun jährliche Zahlungen? Wenn ja, wie müssen die Landwirte diese beantragen?

Die Landwirte können jedes Jahr für die Schäden Leistungen beantragen. Ich empfehle aber, immer vorher eine Ausnahmegenehmigung auf Vergrämung und Bejagung der Gänse zu stellen und die Schäden durch einen Sachverständigen zu belegen. Damit die Landwirte belegen können, alles in ihrer Macht stehende getan zu haben, die Schäden abzuwehren und sie die Behörde auf die Schäden hingewiesen haben. Die Landwirte müssen belegen können, dass die Schäden entstanden sind.  

Können auch Landwirte profitieren, die sich bislang noch nicht gegen die Gänseschäden gewehrt haben? Wie sollten diese vorgehen?

Ja, andere betroffene Landwirte können Anträge für die Vergangenheit stellen. Es ist aber dringend anzuraten, sich juristischen Beistand einzuholen. Es sind alle Beweismittel zugelassen, jedoch ist ein professionelles Gutachten anzuraten. Es muss kein Gutachter der Landwirtschaftskammer sein, es kann auch ein Privatgutachter sein. Daraufhin erfolgt durch einen Fachanwalt ein Aufforderungsschreiben an den Kreis. Wichtig ist, dass die Betroffenen die Situation belegen können, sie sollten eine ausführliche Schadensdokumentation durchführen. Vorher sollte man einen Antrag auf Vergrämung und Bejagung und gleichzeitig einen Antrag auf Entschädigung stellen.

 

Können auch Landwirte außerhalb von Niedersachsen davon profitieren? Können sie sich auf das Urteil berufen?

Ja, das Verfahren hat bundesweite Bedeutung, weil die rechtliche Grundlage mit dem §68 des  Bundesnaturschutzgesetzes eben ein Bundesgesetz ist. Auch Landwirte außerhalb von Niedersachsen können sich somit auf das Verfahren berufen. 

Ist der Fall auch auf andere Schäden z.B. durch den Wolf übertragbar?

Grundsätzlich ist der Fall nicht nur auf Gänseschäden übertragbar, sondern er gilt allgemein für den Aufopferungsanspruch. Aufopferung bedeutet, dass Eigentum durch einen hoheitlichen Eingriff – in diesem Fall durch das Naturschutzrecht – beeinträchtigt wird. Man kann also versuchen, auch andere Schäden durchzusetzen, aber das geht natürlich erst bei einer gewissen Bedeutung des Schadens. Überall dort, wo durch das Bundesnaturschutzgesetz Schäden verursacht werden, kann man über Entschädigungsanträge nachdenken. Der Wolf ist aber über den §45 und 45a des Bundesnaturschutzgesetz geschützt und dort gibt es gewisse Spezialvorschriften. Wenn man wirklich alles getan hat, um den Schaden von seinem Eigentum abzuwenden – das sind beim Wolf bestimmte Zäune oder das Unterbringen der Tiere im Stall statt auf der Weide, könnte das möglich sein. Aber der große Unterschied zu den Gänsen ist, dass man gegen sie kaum etwas tun kann. Und eine Entschädigung ist immer das letzte Mittel, wenn andere Maßnahmen nicht hilfreich waren.

 

Und was ist mit Schäden durch Biber?

Für den Biber gibt es in einigen Bundesländern, z.B. in Bayern, entsprechende Verordnungen, wo es zur Abwehr erheblicher wirtschaftlicher Schäden Abschussmöglichkeiten gibt. Dort, wo das nicht der Fall ist, muss man auf den §68 des Bundesnaturschutzgesetzes und den Aufopferungsanspruch zurückgreifen.

 

Kann das Urteil eine Bejagung der Wildgänse in Niedersachsen bewirken?

Das wäre das Vernünftigste, um die Gänsepopulation einzudämmen. Dadurch würde sich das Land erhebliche finanzielle Ausgaben sparen. Ich gehe schon davon aus, dass der neue Ministerpräsident vernünftig handeln wird. In Schleswig-Holstein gibt es einen geringeren Schutz für Graugänse, die erhebliche Schäden anrichten.

 

Können sich die Landwirte auf diese Rechtsprechung verlassen oder müsste das Urteil langfristig vor dem Bundesverwaltungsgericht entschieden werden?

Die Landwirte können sich auf diese Rechtsprechung verlassen. Es ist eine saubere Rechtsgrundlage, die allerdings von der Verwaltung gerne abgelehnt wird. Daher müssen sich betroffene Landwirte eben juristische Hilfe holen.

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