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Parkinson durch Pflanzenschutz – Erkranken Landwirte häufiger?

Wenn Landwirte langjährig mit Pflanzenschutzmitteln gearbeitet haben, kann Parkinson als Berufskrankheit anerkannt werden. Dennoch gibt es offene Fragen zu Risiko und Anerkennung.

Lesezeit: 3 Minuten

Der langjährige Einsatz von Pestiziden kann Parkinson hervorrufen, das ist das Ergebnis des Ärztlichen Sachverständigenbeirates Berufskrankheiten beim Bundesarbeitsministerium (ÄSVB). Eine Untergruppe der Pestizide sind die Pflanzenschutzmittel.

Studien untermauern Verbindung zu Parkinson

Den Zusammenhang zwischen Pestiziden und Parkinson leitet der ÄSVB aus epidemiologischen Studien ab, bei denen landwirtschaftlich tätige Personen systematisch im Hinblick auf Parkinson und Pflanzenschutzmitteleinsatz beobachtet wurden. „Die Studien, vor allem aus den USA und Frankreich, haben eine hohe Datenqualität. Wir wissen genau, was die Personen gearbeitet haben und wie häufig eine Anwendung von Pflanzenschutzmitteln erfolgte. Der Zusammenhang zwischen Pflanzenschutzanwendung und Auftreten von Parkinson ist eindeutig“, so Prof. Dr. Monika A. Rieger, stellvertretende Vorsitzende des ÄSVB. Eine entsprechend langjährige und häufige eigene Anwendung von Pestiziden komme insbesondere in der Landwirtschaft vor, so Rieger.

Zweifel am kausalen Zusammenhang

Dennoch äußert z. B. der Deutsche Bauernverband (DBV) Zweifel am ursächlichen Zusammenhang zwischen Pflanzenschutzmitteln und Parkinson und fordert weitere Prüfungen. Der Wirkungszusammenhang sei nur für zwei nicht mehr zugelassene Wirkstoffe zweifelsfrei nachgewiesen (Rotenon und Paraquat), das bestätigt auch das Bundesinstitut für Risikobewertung.

Fehlende Tests bei Pflanzenschutz-Zulassung?

Das Pestizid-Aktionsnetzwerk kritisiert hingegen, das Fehlen spezifischer Tests in den Zulassungsprüfungen für Pflanzenschutzmittel, obwohl es entsprechende Verfahren schon lange gebe.

Keine Häufung von Parkinson in LKK

Ein weiterer Punkt, so der DBV: Bislang könne keine höhere Häufigkeit von Parkinson in der Grünen Branche bzw. unter den LKK-Versicherten festgestellt werden. Diese Argumentation lässt Prof. Dr. Rieger nicht gelten: Die Daten der LKK hätten im Vergleich zu den hochwertigen epidemiologischen Studien nur eine geringe Qualität, man könne z. B. keine Verbindung zwischen versicherter Person und den angebauten Kulturen herstellen. Hinzu komme, dass in den LKK-Daten längst nicht alle Personen erfasst seien, die Pestizide anwenden (z. B. landwirtschaftliche Arbeitnehmer).

100 Anwendungstage für Berufskrankheiten-Anerkennung

100 Anwendungstage mit Pflanzenschutzmitteln – das ist die Schwelle für die Anerkennung von Parkinson als Berufskrankheit. Als Anwendungstag gilt ein Tag, an dem der Antragsteller selbst Pflanzenschutzmittel ausgebracht hat, Vor- oder Nachbereitungen oder Störungsbeseitigungen vorgenommen hat.

Diese Grenze geht aus der Empfehlung des ÄSVB zugrunde liegenden wissenschaftlichen Studien hervor, ist aber nicht unumstritten. So bezeichnete es Martin Empl, Vorstandsvorsitzender der SVLFG, bei einem Fachgespräch im Landwirtschaftsausschuss des Bayerischen Landtages als unverständlich, dass es für den Nachweis keine Rolle spiele, ob man nur kurz eine Handspritze betätigt oder den ganzen Tag sein Feld besprüht habe.

DBV fordert neue Anerkennungsgrenzen

Nicole Spieß, Referatsleiterin für Sozialpolitik beim Deutschen Bauernverband, plädiert deshalb für eine zusätzliche Grenze, wie zum Beispiel eine Mindesteinsatzzeit oder eine Mindestdosis der Pflanzenschutzmitteleinsätze.

Zur Abgrenzung zwischen berufsbedingter Belastung und schicksalhaftem Allgemeinrisiko sollte aus ihrer Sicht auch die Einführung einer Latenzzeit zwischen letzter Ausbringung und Auftreten von Parkinson geprüft werden. In Frankreich z. B. sei die Anerkennung als Berufskrankheit unmöglich, wenn der letzte Kontakt zu Pflanzenschutzmitteln über sieben Jahre zurückliege.

Diskussion um Anwendungsnachweis für Hilfsarbeiter

Ein anderer Punkt von Jörg Heinel, Arbeitnehmervertreter bei der SVLFG: „Die 100 Tage Anwendungszeit kann nur das anwendende Fachpersonal nachweisen, Hilfsarbeiter, die z. B. direkt nach einem Pflanzenschutzmitteleinsatz ungeschützt unter Glas gearbeitet haben, bleiben außen vor.“

Neue Berufskrankheit - ja oder nein?

Bislang ist Parkinson eine sog. Wie-Berufskrankheit. Das heißt: Der ÄSVB hat Parkinson  zur Aufnahme in die Berufskrankheiten-Verordnung vorgeschlagen. So können Betroffene sich ihre Krankheit als Berufskrankheit anerkennen lassen – obwohl sie formalrechtlich noch keine Berufskrankheit ist.

Anders als zunächst erwartet, erfolgte die endgültige Aufnahme in die Berufskrankheiten-Verordnung nicht zum 1. April 2025, ist aber nun mit einer weiteren Berufskrankheiten-Änderungsverordnung geplant, so das Bundesarbeitsministerium. Derzeit werden noch zahlreichen Nachfragen vom ÄSVB eingehend geprüft und diskutiert.

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