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Wie die Grundsteuer für Landwirte zur Belastung wird

Die meisten Landwirte haben mittlerweile ihre Grundsteuerbescheide erhalten – und die sind oft falsch. Bei einigen fallen sie auch teurer aus als gedacht.

Lesezeit: 9 Minuten

Schnell gelesen

  • Viele Landwirte erhalten derzeit ihre Grundsteuerbescheide und sind ­enttäuscht: Die Kosten steigen und ­Fehler häufen sich.

  • Einsprüche gegen Fehler in den Grundsteuermessbescheiden bearbeiten die ­Finanzämter teilweise erst Monate später.

  • Die Kommunen passen die Hebesätze sehr unterschiedlich an: Einige ­senken sie, andere drehen an der ­Preisschraube.

  • Ein Widerspruch gegen den endgültigen Grundsteuerbescheid ist möglich, aber selten erfolgreich.

  • Es gibt Klagen gegen die Grundsteuerreform. Die Erfolgsaussichten sind aber gering, dass die Reform zurückgenommen wird.

Das Versprechen der großen Koalition im Jahr 2019 war unmissverständlich: Die Reform der Grundsteuer sollte aufkommensneutral bleiben. Die Kommunen dürften sich nicht an der Reform bereichern. Sechs Jahre später hat manch ein Landwirt Zweifel daran, ob die Regierung ihr Wort halten kann.

Teure Bescheide

Für ein endgültiges Urteil ist es jedoch zu früh. Einige Kommunen haben ihre Hebesätze noch nicht festgelegt, andere beginnen erst jetzt mit dem Versand der Grundsteuerbescheide. Es werden noch einige Monate vergehen, bis verlässliche Zahlen vorliegen.

Dazu muss man wissen: Zunächst haben die Finanzämter die Grundsteuermessbescheide verschickt. Die darin enthaltenen Messbeträge teilen die Finanzämter zudem den Gemeinden mit. Die Kommunen multiplizieren die Werte anschließend mit den jeweiligen für ihre Region gültigen Hebesätzen. Das Ergebnis ist die Grundsteuer in Euro und Cent. Beispiel: Beträgt der Grundsteuermessbetrag für eine Fläche 50 € und der Hebesatz 200 %, ergibt das eine Grundsteuer von 100 € (50 € x 2).

Steuerberater Ludwig Gamigliano von der Kanzlei wetreu Alfred Haupt KG in Münster betreut zahlreiche Landwirte im Zuge der Grundsteuerreform. Sein Zwischenfazit: „Im Schnitt zahlen die von uns betreuten Mandanten mehr – allerdings ‚nur‘ etwa 5 bis 10 %.“ Gamiglianos Kollege von der wetreu in Kiel, Stefan Heins, ordnet die Lage ähnlich ein. „Große Veränderungen kann ich nicht erkennen“, so der Steuerberater. 

Wer sich in der Praxis umhört, merkt schnell: Durchschnittswerte verschleiern Einzelschicksale. Der Frust hat viele Gründe – nicht nur steigende Kosten, sondern auch fehlerhafte Bescheide und neue Bürokratie durch die Reform. Drei Beispiele zeigen, was das konkret heißt:

Fehlerkorrektur im Schneckentempo

Ackerbauer Martin Dellers aus Neuenburg am Rhein ist eigentlich von Natur aus geduldig. Doch als er im Januar 2025 den Grundsteuerbescheid seiner Gemeinde erhielt, war es mit der Ruhe vorbei. Rund 7.745 € sollte er nur für sein Wohnhaus samt Grundstück zahlen – ein Vielfaches dessen, was er erwartet hatte. Bislang waren es für den gesamten Hof „nur“ 1.074 €. Der Grund für die enorme Steigerung: Ein Fehler beim Finanzamt, das eine viel zu große Fläche für sein Betriebsleiterhaus angesetzt hatte.

Der Ärger begann für Dellers, wie für Millionen andere Grundstücksbesitzer in Deutschland, mit dem Ausfüllen der neuen Grundsteuererklärung. Die bisherigen Einheitswerte hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe für verfassungswidrig erklärt und so musste die Berechnung der Grundsteuer reformiert werden. Es folgte eine beispiellose Datensammlung.  Rund 36 Millionen Grundstücks- und Immobilienbesitzer mussten unter anderem ihre Flächengrößen, Bodenrichtwerte und Größe des Hauses an das Finanzamt melden. Dellers übermittelte seine Daten fristgerecht an sein Finanzamt und bekam wenige Monate später seinen Grundsteuermessbescheid. Bei näherem Hinsehen stellte er fest, dass das Finanzamt für sein Wohnhaus und Grundstück eine Fläche von 26.478 m² angesetzt hatte. Tatsächlich sind es jedoch nur 794 m².

Dazu muss man wissen: Mit der Reform hat sich auch die Bewertung der Betriebsleiterhäuser geändert. Hierfür wird nicht mehr wie bislang die Grundsteuer A, sondern die in vielen Regionen teurere Grundsteuer B fällig, was den Flächenfehler noch ärgerlicher machte.

Zusammen mit seinem Steuerberater legte er fristgerecht im September 2023 Einspruch gegen den fehlerhaften Bescheid ein. Doch das Finanzamt reagierte nicht – auch nach fast anderthalb Jahren nicht. Stattdessen wurden die falschen Werte unverändert an die Gemeinde übermittelt. Diese erließ auf Basis der falschen Angaben dann den viel zu hohen Grundsteuerbescheid.

Sein Steuerberater sieht das Problem nicht in bösem Willen, sondern in der Überforderung der Behörden. Viele Finanzämter seien auf diese Datenflut nicht vorbereitet. Zudem sei die Kommunikation mit den Behörden schwierig. Man bekomme keinen Sachbearbeiter ans Telefon. Alles laufe schriftlich, was viel Zeit koste, erklärt er gegenüber top agrar.

Er hätte auch eine Untätigkeitsklage einreichen können. Diese Möglichkeit gibt es, wenn nach einem Einspruch mindestens sechs Monate vergangen sind, ohne dass sich das Finanzamt zurückmeldet hat. Dellers und sein Steuerberater setzten allerdings auf Geduld, die sich letztendlich auszahlte. Im Februar 2025 erhielt der Landwirt den korrigierten Bescheid.

Durch das Einlenken der Behörde blieb ihm eine kuriose Situation erspart. Denn sein Einspruch beim Finanzamt hätte ihn nicht von seiner Zahlungspflicht entbunden. Zwar hätte er auch Widerspruch gegen den Grundsteuerbescheid selbst einlegen können. Der Widerspruch ist aber nur erfolgreich, wenn der Grundsteuerbescheid selbst einen Fehler enthält. Die Fehler haben sich in den meisten Fällen, wie bei Dellers, aber schon viel früher eingeschlichen – nämlich in den Grundsteuermessbescheiden.

Wenn der gewerbliche Stall zur Kostenfalle wird

Hardy Wehming aus Damme in Niedersachsen bewirtschaftet mit seiner Familie einen 100 ha großen Hof (unter anderem Schweinemast und Speisekartoffeln). Auch er hat einige Fehler in seinem Bescheid entdeckt, musste dazu allerdings genau hinschauen.

Wehming besorgte sich Katasterauszüge von seinen Gebäuden bzw. Flächen und verglich die Flurstückgrenzen mit den realen Gegebenheiten. Dabei fiel ihm auf: Einige Flächen waren größer eingetragen, als sie tatsächlich sind – und genau darauf basiert die Grundsteuerberechnung.

Ein Flurstück mit Wald am Garten seines Wohnhauses hatte das Finanzamt seinem Wohnhaus zugeordnet und einen „Faktor für die räumliche Verbindung des Wohnhauses zu Land & Forst“ vergessen zu berücksichtigen. Dieser kommt zum Zuge, wenn sich das Betriebsleiterhaus neben Wirtschaftsgebäuden befindet und der Wert des Hauses durch die Lage niedriger ausfällt als bei einer Einzellage (gilt nur, wenn der Betriebsleiter auch selbst im Gebäude wohnt). Die Nutzfläche seines Stalles setzte die Behörde zudem zu hoch an. Auch das ließ er erfolgreich korrigieren. Sein Rat an Berufskollegen: „Nicht blind vertrauen. Prüft Eure Bescheide und legt Widerspruch ein, wenn etwas nicht passt!“

Kammerumlage sinkt

Vor allem ärgert sich Wehming darüber, dass er für seinen gewerblichen Stall deutlich mehr zahlen muss als bislang. Die Grundsteuer für seinen gewerblichen Schweinemaststall hat sich sogar verdreifacht: von 1.322 auf 3.440 €. „Und das, obwohl die Politik Aufkommensneutralität versprochen hatte. Davon kann hier keine Rede sein“, sagt Wehming und schüttelt den Kopf. Dabei hat die Gemeinde die Hebesätze für die Grundsteuer A als auch B sogar gesenkt – einheitlich auf 325 %. Der Satz für die Grundsteuer A lag vorher bei 340 %, der Wert für die Grundsteuer B bei 360 %.

Steuerberater Ludwig Gamigliano von der wetreu in Münster berichtet, dass nicht nur rein gewerbliche Tierhalter teils mehr zahlen müssen. Betroffen seien auch sogenannte Tierhaltungskooperationen (51-Gesellschaften). Bislang wurde für diese die günstigere Grundsteuer A fällig, nun die Grundsteuer B. Grund: 51a-Ställe zählten vor der Reform zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen, wofür die Grundsteuer A erhoben wird. Nun sind sie Teil des Grundvermögens, das der Grundsteuer B unterliegt. Für Ställe, die nicht zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zählen, fällt allerdings keine Kammerumlage an. „In einigen Fällen könnte das die gestiegene Grundsteuer wieder ausgleichen oder sogar überkompensieren“, sagt Gamigliano.

Steigende Hebesätze und Bürokratie

Was passiert, wenn eine Gemeinde bzw. Stadt die Hebesätze erhöht, erlebt derzeit Alexander Amberg aus Erfurt. Der Geschäftsführer der Amberg & Rothe Agrarhof GmbH und Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Erfurt-Sömmerda soll für seinen Betrieb bis zu 8.000 € mehr zahlen. Derzeit sind es rund 25.000 €.

Im September 2024 setzte der Erfurter Stadtrat den Hebesatz für die Grundsteuer A von 350 auf 540 % rauf (gültig seit dem 1.1.2025). Für landwirtschaftliche Betriebe in der Region zieht das eine Steuererhöhung um bis zu 35 % nach sich. „Von der Aufkommensneutralität sind wir weit entfernt!", kritisiert Amberg. Auch in anderen thüringischen Kommunen steigen die Hebesätze. „Offensichtlich wird ein Teil der Bürger entlastet und andere zahlen drauf. Gerecht ist das aber nicht“, ärgert sich Amberg.

Diejenigen, deren Kommune die Hebesätze gleich gehalten oder gesenkt hat, dürften aufatmen. Allerdings haben nicht wenige Kommunen bereits im Vorfeld der Grundsteuerreform ihre Hebesätze angehoben. Dahinter dürfte eine bewusste Strategie stecken: Gemeinden, die ihre Einnahmen in den vergangenen Jahren gesteigert haben, könnten 2025 die Hebesätze senken und trotzdem behaupten, sie nähmen durch die neue Grundsteuer nicht mehr ein als in den Jahren zuvor.

Ablesen lässt sich dies an Zahlen, die das Unternehmen EY (Ernst & Young) für die Grundsteuer B erhoben hat. 2021 erhöhte jede zwölfte Kommune den Hebesatz, 2022 jede achte Kommune und 2023 war es jede vierte. Immerhin haben die meisten Länder aufkommensneutrale Hebesätze veröffentlicht. Halten die Kommunen sich daran, dann nehmen sie nicht mehr ein als in den Jahren zuvor . Einziger Haken: Die Gemeinden sind nicht verpflichtet, sich daran zu halten.

Chaos im Osten

Amberg macht noch auf eine andere Herausforderung aufmerksam. So waren im Osten bislang die Pächter für die Zahlung der Grundsteuer verantwortlich. Nun geht die Pflicht auf die Eigentümer über – es sei denn, es gibt individuelle Vereinbarungen.

Für Amberg bedeutet das enormen Verwaltungsaufwand: „Ich muss bei jedem Grundsteuerbescheid berechnen, welcher Anteil auf meine Pachtfläche fällt, da die Summen in den Bescheiden nicht nach Flächen aufgeschlüsselt sind.“ Besonders kompliziert wird es, wenn Erbengemeinschaften als Verpächter auftreten.

„Von einer Entbürokratisierung sind wir weit entfernt“, fügt Amberg hinzu. „Ich finde die Grundsteuerreform verwaltungstechnisch sehr schwach gemacht“, so der Agraringenieur. Was ihn auch ärgert: Die Behörden haben die Daten pro Flurstück gesammelt, können die Grundsteuer aber nicht flurstücksgenau herausgeben.

Bürokratie und kein Ende

Auch Steuerberater Stefan Heins von der wetreu in Kiel erfährt gerade, wie die Grundsteuerreform den Aufwand in seiner Kanzlei und auf den Höfen verschärft. Denn Grundstücks- und Immobilieneigentümer sind nun verpflichtet, nicht nur jeden Flächenverkauf oder -kauf, sondern auch Veränderungen des Viehbestandes zu melden – und zwar jedes Jahr aufs Neue (in den meisten Bundesländern jeweils bis zum 31.3. des Folgejahres).

Kurios: Fehler im Grundsteuermessbescheid korrigiert das Finanzamt erst bei einer Abweichung der Grundsteuerwertfeststellung von mehr als 15.000 € - nach unten als auch nach oben. „Landwirte müssen hingegen jede noch so kleine Veränderung melden, auch wenn die Grenze unterschritten wir d“, ärgert sich Heins. Wer sich nicht daran hält, muss mit einem Verspätungszuschlag von 25 €/Monat rechnen. „Fällt dem Finanzamt bei einer Prüfung eine Veränderung Jahre später auf, kommen schnell ein paar Hundert Euro Zuschlag zusammen“, befürchtet Heins. Um seine Mandanten vor bösen Überraschungen zu bewahren, hat er deshalb 1222 Mandanten informiert und muss nun in deren Auftrag Hunderte von Änderungen bei den jeweils zuständigen Finanzämtern einreichen. „Das ist für alle Beteiligten ein Kraftakt“, sagt Heins.

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