Dieses Interview ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".
Wochenblatt: Ende März ist der Startschuss für die Modernisierung der Ausbildungsordnung im Beruf „Landwirt“ gefallen. Sie begleiten den Prozess für den Deutschen Bauernverband (DBV) in Berlin und damit die Arbeitgeberseite. Die aktuelle Ausbildungsordnung stammt aus dem Jahr 1995. Warum ist sie in die Jahre gekommen?
Winterberg: Die Landwirtschaft hat sich seit 1995 weiterentwickelt, unter anderem durch den Strukturwandel, aber auch durch veränderte gesellschaftliche Anforderungen. Inhaltliche Schwerpunkte in der Ausbildung haben sich verschoben. Dazu zählen zum Beispiel Digitalisierung und Nachhaltigkeit.
Aber auch die Grundlagen persönlicher, sozialer und kommunikativer Kompetenzen werden immer wichtiger. Denn Landwirtschaft findet in der Öffentlichkeit statt. Letztlich wollen wir die Verordnung auch an aktuelle rechtliche Vorgaben anpassen und Fachbegriffe aktualisieren.
Welche Prioritäten legt der Deutsche Bauernverband bei der Modernisierung der Ausbildungsordnung?
Winterberg: Uns ist wichtig, die neuen Standardberufsbildpositionen zu integrieren. Dazu gehören Themen wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung sowie Arbeitsschutz und Persönlichkeitsbildung. Der letzte Punkt liegt uns dabei vor allem am Herzen. So soll es nicht nur eine gute fachliche Grundausbildung sein, sondern die angehenden Landwirte sollen auch in ihrer Persönlichkeit gestärkt werden.
Wie flexibel sind die Bundesländer bei der Umsetzung der bundesweiten Ausbildungsordnung?
Winterberg: Für den berufsschulischen Teil der Ausbildung ist der Rahmenlehrplan maßgeblich. Dieser wird von den Ländern erarbeitet und auf den Ausbildungsrahmenplan für den betrieblichen Teil abgestimmt. In der Umsetzung des Rahmenlehrplans haben die Berufsschulen bzw. die Länder auch zukünftig die Möglichkeit, sich an regionalen Bedarfen zu orientieren, beispielsweise in Bereichen wie Tierhaltung oder Ackerbau.
Die Ausbildungsordnung bleibt grundsätzlich generalistisch, um eine breite Basis zu schaffen."
Was entgegnen Sie Stimmen, die vermuten, dass mit der neuen Ausbildungsordnung schon eine Spezialisierung während der Ausbildung stattfinden soll?
Winterberg: Die Ausbildungsordnung beschreibt technologieoffen formulierte Mindeststandards und bleibt grundsätzlich generalistisch, um eine breite Basis zu schaffen. Auch vorherige landwirtschaftliche Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Das ist vor allem wichtig, da immer mehr Auszubildende nicht mehr vom Hof stammen. Spezialisierung erfolgt in der Weiterbildung
Vielleicht können Sie kurz beschreiben, wie jetzt der Prozess konkret aussieht. Wann können wir mit einer Umsetzung rechnen?
Winterberg: Der Prozess läuft über mehrere Sachverständigensitzungen mit Vertretern der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite. In diesen Gremien sitzen auch erfahrene Ausbilder. Der Bauernverband vertritt die Arbeitgeberseite und IG BAU die Arbeitnehmerseite. Das Ziel ist es, alle relevanten Aspekte der modernen Landwirtschaft in die Ausbildung zu integrieren. Dabei haben wir haben uns eng mit den Landesbauernverbänden abgestimmt, um die Vielfalt der Landwirtschaft abzubilden.
Sehen Sie Konfliktpotenzial mit der Arbeitnehmerseite der IG Bauen-Agrar-Umwelt (BAU)?
Winterberg: Wir sind da auf einem guten gemeinsamen Nenner mit der Arbeitnehmerseite. Beide Seiten sehen den Bedarf einer Modernisierung. Deswegen hoffe ich, dass wir für die Erarbeitung der neuen Verordnung nicht länger als ein Jahr brauchen. Unser Wunsch ist, dass die neue Ausbildungsordnung zum Ausbildungsbeginn 2027 an den Start gehen kann.
Welche Rolle spielt das Bundesministerium für Landwirtschaft (BMLEH) dabei?
Winterberg: Das BMLEH ist für den Beruf Verordnungsgeber und in dieser Rolle beratend tätig. Es vertritt die Interessen der Bundesregierung und achtet auf verordnungsrechtliche Vorgaben.