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Bioschlachtkühe gemeinsam vermarkten

Lesezeit: 5 Minuten

Jahrelang waren Bioaltkühe chronisch unterbezahlt. Den Reibach machten andere. „Damit soll Schluss sein“, dachten sich niedersächsische Biobauern und gingen in den Lieferstreik. Mit Erfolg!

Wir wollten uns nicht mehr mit einem Bioaufschlag von 20 bis 30 Cent/kg SG abspeisen lassen“, erzählt Biobauer Heinrich Meier-Köpke. Der 70-Jährige ärgert sich noch heute darüber, dass er seine Altkühe über Jahre hinweg so günstig abgeben musste. Sein Sohn hält mit ihm zusammen 90 Milchkühe im niedersächsischen Hessisch-Oldendorf.

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Ähnlich sieht es Knuth Peters: „Wir wussten, dass in der Coronazeit Biofleisch gut nachgefragt war.“ Der Biomutterkuhhalter aus Wunstdorf ist überzeugt, dass sich vor allem der Lebensmitteleinzelhandel in dieser Zeit eine goldene Nase verdient hat.

Hohe Beteiligung beim Streik

Ende 2020 beschlossen deshalb eine handvoll Biolandwirte und -berater, dass es so nicht weitergehen könne und zettelten einen Lieferstreik für Schlachtkühe an. Sie wussten, dass sie nur eine Chance haben würden, wenn die Mehrheit der Betriebe mitmacht und forderten daher alle niedersächsischen Biomilchviehhalter und Biomutterkuhhalter schriftlich auf, den Streik zu unterstützen. Mit Erfolg, denn Anfang Januar kamen in Niedersachsen kaum noch Bioaltkühe auf den Markt. „Wer dennoch verkaufen musste, deklarierte die Rinder als konventionell“, erzählt Peters. Die Resonanz war überwältigend: „Ich schätze, dass wir etwa 70 bis 80% der üblichen Stückzahlen zurückhalten konnten.“ Der Streik brachte den Biorindfleischmarkt in Niedersachsen zum Erliegen und strahlte bundesweit aus. „Ich bekam sogar Anrufe aus Süddeutschland”, erinnert sich Peters.

Die großen Schlachter taten sich schwer, und erst nach zähen Verhandlungen war einer bereit, mehr zu zahlen. Doch die streitbaren Landwirte wollten nicht nur kurzfristig einen besseren Preis. „Wir wollen unsere Tiere endlich verkaufen und nicht mehr nur abliefern wie früher“, sagt Meier-Köpke. Bis dato hatten niedersächsische Biobetriebe ihre Altkühe bei ihrem Viehhändler angemeldet, der sie dann zusammen mit konventionellen Tieren zu Tönnies, Westfleisch und Co. lieferte.

Seit dem Streik bündeln die Rinderhalter ihre Mengen. Dabei arbeiten sie mit der Vermarktungsgesellschaft Bioland Schleswig-Holstein (VGS) zusammen. Die VGS ist seit Jahren im Biobereich unterwegs und verkauft für Landwirte diverse Produkte, u.a. auch Fleisch. „Sie hilft uns bei der Abwicklung und Verwaltung“, erklärt Peters. Bei Biotieren seien die Dokumentationspflichten sehr aufwendig. „Wir hätten wahrscheinlich zwei Jahre gebraucht, um eigene Strukturen aufzubauen“, schätzt er.

Neue Biokuhvermarktung

Zu Beginn der Woche melden Rinderhalter nun ihre Tiere nicht mehr bei irgendeinem Händler an, sondern per E-Mail an Peters bzw. an die VGS. Peters bündelt und verhandelt den Preis mit der Schlachtstätte. „Es sind jede Woche etwa 50 Kühe, die wir so vermarkten“, erklärt Peters. Das entspricht etwa Dreiviertel aller Bioschlachtkühe in Niedersachsen.

Abnehmer ist in den meisten Fällen Böseler Goldschmaus, ein mittelständischer Schlachtbetrieb in Niedersachsen. „Uns geht es nicht nur um den Preis, sondern auch um Verlässlichkeit und kurze Transportwege“, erklärt Peters. Als freier Mitarbeiter der VGS organisiert er inzwischen die gesamte Erfassung und kontrolliert sogar die Schlachtprotokolle für die liefernden Betriebe. Die Bauern schätzen den Service und die transparente Vermarktung. „Wir haben gute Kontakte zu den Fleischverarbeitern und können gut einschätzen, wie sich der Biofleischabsatz derzeit entwickelt“, erklärt Peters. Das sei sehr wichtig für die Verhandlungen.

Festes Händlernetz

Klare Prinzipien haben die Biobauern auch beim Transport. In ganz Niedersachsen haben sie mittlerweile ein Händlernetz, das Tiere aus allen Regionen abholen kann. Pro Tier bekommt der Spediteur pauschal 40 bis 50 €. „Jeder in der Wertschöpfungskette soll zu seinem Recht kommen“, stellt Peters klar. Zu diesem Zweck haben sie einen „Soli“ eingeführt: Jeder Landwirt zahlt pro Tier pauschal 69 €, mit denen die kompletten Vorkosten abgedeckt sind. Ein kleiner Teil der Abgabe wandert in einen Fonds, der bei unwirtschaftlichen Transporten angezapft wird. „Das kann passieren, wenn beispielsweise ein Einzeltier kurzfristig abgeholt werden muss“, erklärt Peters.

Soli für „Notfälle“

Das Solidarsystem rechnet sich, weil die Tierhalter nun insgesamt deutlich mehr erlösen. Den Preisaufschlag auf konventionelle Schlachttiere haben die Biobauern durch den Streik und den Aufbau der Vermarktungsstrukturen schon nachhaltig auf rund 1 € pro kg SG angehoben (siehe Übersicht). „In der Spitze gab es auch schon mal 1,30 € Aufschlag“, berichtet Peters. Außerdem haben sie die Preisbasis zugunsten der Landwirte verbessert. Demnach muss die O3-Kuh nur noch 280 kg SG erreichen für den Basispreis und nicht wie früher 300 kg. Doch das System ist noch im Aufbau. „Wir haben noch viele Fragen zu klären“, erklärt Meier-Köpke. So seien die Niedersachsen beispielsweise bisher nur freie Lieferanten bei der VGS und nicht beteiligt an der Gesellschaft. Am einfachsten wäre es, so Meier-Köpke, wenn Biomilchviehhalter aus Niedersachsen auch Vollmitglieder der VGS würden. Sie müssten ihre Tiere dann andienen. Doch nicht jeder Betriebsleiter möchte das, berichtet Peters. Man brauche daher ein Anreizsystem. Die Idee: Mitglieder erhalten am Ende des Jahres eine Überschussbeteiligung, Lieferanten ohne Mitgliedschaft gehen dabei dann leer aus.

Faire Preise: nur gemeinsam

Das neue Vermarktungskonzept muss sich täglich am Markt beweisen. „Wir wissen, dass Schlachtunternehmen größeren Betrieben manchmal sogar höhere Preise bieten als die VGS“, erklärt Peters.

Die Gefahr sei groß, dass einzelne Bauern schwach würden. Allen müsse aber klar sein, dass man langfristig nur gemeinsam eine Chance auf faire Konditionen habe.

Ihr Kontakt zur Redaktion:andreas.beckhove@topagrar.com

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