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Bauern heizen der Stadt ein

Lesezeit: 5 Minuten

In Bad Kötzting vermarkten 66 Waldbauern Hackschnitzel an drei Heizwerke, an denen sie auch finanziell beteiligt sind.


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Wärmekonzepte für öffentliche Einrichtungen liegen im Trend. Häufig sind es Großinvestoren, die sich dieses lukrative Geschäft sichern.


Anders im oberpfälzischen Bad Kötzting. Unter dem Dach der Bayerwaldwärme GmbH und Co. KG haben sich Waldbesitzer zusammengeschlossen. Gemeinsam betreiben sie mittlerweile drei Biomasseheizkraftwerke und versorgen ein Schwimmbad, ein Kran­kenhaus sowie mehrere Schulen mit Wärme.


Resthölzer sinnvoll nutzen


„Auslöser war die Suche nach einer attraktiven Verwertung für unsere Resthölzer“, erinnert sich Hans Kastl. Schon lange suchte der Landwirt und Vorsitzende der Waldbauernvereinigung Bad Kötzting nach einer Möglichkeit, die Hölzer, die bei der Durchforstung oder dem Einschlag anfielen, sinnvoll nutzen zu können.


Als vor rund sieben Jahren für das neue Schwimmbad ein Wärmelieferant gesucht wurde, entstand die Idee, selbst ein Konzept zur Wärmelieferung zu erstellen. Gemeinsam mit dem Maschinenring „Oberer Bayerischer Wald“ trieb Hans Kastl die Pläne voran. Dabei mussten auch manche Vorbehalte gegenüber der Biomasseheizung ausgeräumt werden. „Wichtig war es zu zeigen, dass wir mit Gas und Öl im Preis mithalten können“, erinnert sich Kastl.


Heute sind alle Beteiligten in Bad Kötzting froh, dass die Bayerwaldwärme den Zuschlag bekam. „Hätte ein Investor den Bau verwirklicht, dann wären wir Waldbauern zu bloßen Lieferanten degradiert worden“, ist sich der Vorsitzende des Maschineneringes Christian Vogl sicher. Er ist einer von 66 Landwirten aus Bad Kötzting und Umgebung, die als Gesellschafter an der KG beteiligt sind. Für jeden Gesellschafts-Anteil den er in Höhe von 2 500 € gezeichnet hat, erhält er das Recht für die Lieferung von 30 Schüttraummeter (Srm) Hackschnitzel. Für diese „Kontingent-Schnitzel“ wird ein hoher Preis bezahlt, den die Vorstandschaft der Bayerwaldwärme Bad Kötzting jährlich festlegt. Aktuell liegt dieser bei 19,33 €/Srm (netto, frei Anlage, Feuchte unter 30 %). Liefert Vogl mehr, so werden diese zum rund 3 € niedrigeren Marktpreis abgerechnet.


Landwirte profitieren mehrfach


„Unsere Waldbesitzer sind so an der Wertschöpfung der Anlage beteiligt“ erläutert Josef Plötz, der als Geschäftsführer die Geschicke der Bayerwaldwärme GmbH und Co. KG führt. Neben den Lieferrechten erhalten die Eigner auf den Gesellschaftsanteil eine jährlich garantierte Verzinsung von 4% ausbezahlt.


Über die normale Verzinsung hinaus sind alle Gesellschafter über eine Dividende am wirtschaftlichen Erfolg beteiligt. Zuletzt lag diese bei 2 %. Neben den Waldbauern sind weitere 64 Bürger als Kapitalgeber beteiligt. „Durch die breite Verankerung werden wir in der Öffentlichkeit sehr positiv wahrgenommen“, hat Josef Plötz darin einen willkommenen Nebeneffekt ausgemacht.


Die bisherige Entwicklung der Bayerwaldwärme liest sich wie eine einzige Erfolgsstory:


Ausgangspunkt bildete die Biomasseheizung des Schwimm-bades Aqacur Badewelt, welche im Juli 2005 ans Netz ging. Ein 800 kW Biomasse-Kessel versorgt die Bad- und Saunalandschaft kontinuierlich mit Wärme. Für Spitzenlasten oder wenn Wartungsarbeiten an der Anlage nötig sind, steht ein Heizölbrenner in gleicher Größe zur Verfügung.


Schon im folgenden Jahr der nächste Streich: Ein Biomasse-Kessel mit 500 kW Leistung wurde für die Versorgung der Grund- und Hauptschule errichtet.


Wärmeerzeugung an drei Standorten


Mit einem Biomasse-Kessel von 900 kW folgte im April 2009 die vorerst größte Anlage. Über rund 1 000 Meter Wärmeleitung sind ein Krankenhaus sowie ein Schulzentrum aus Realschule und Gymnasium angeschlossen. Als Sicherheit ist auch hier ein Heizölbrenner vorhanden. Damit die Anlage lange im effizienten Volllastbetrieb läuft, ist ein 26 m3 -Pufferspeicher vorhanden.


Für die Projekte hat die Bayerwaldwärme bisher rund 2 Mio. € investiert. Gesenkt werden konnten die Investitionskosten mittels Zuschüsse der KfW sowie aus dem bayerischen Förderprogramm „Nachwachsende Rohstoffe in Bayern“ in Höhe von etwa 310 000 €.


Alle Anlagen sind in einem separaten Gebäude mit integriertem Hackschnitzel-Lager untergebracht. Über Schubboden, Querförderschnecke sowie eine Unterschubfeuerung gelangen die Hackschnitzel kontinuierlich in den Brennraum. Eine automatische Austragsschnecke entfernt die Asche.


„Wir sind vertraglich verpflichtet, eine permanente Wärmelieferung sicher zu stellen“, erläutert Geschäftsführer Josef Plötz. Im seltenen Fall einer Störung sind daher zwei Landwirte eingestellt, die auf 400-€-Basis abwechselnd die Rufbereitschaft übernehmen. Auch kleinere Wartungsarbeitern sowie die Annahme der Hackschnitzel übernehmen sie.


Mit den Abnehmern bestehen langfristige Lieferverträge, die sich auf eine jährliche Wärmelieferung von 5 500 Megawattstunden belaufen.


8 500 Schüttraummeter pro Jahr


Der Preis für die Wärme wird jedoch ständig neu angepasst. Entscheidend hierfür ist die Preisentwicklung von Öl, Strom, Hackschnitzel sowie der Lohnkosten, die je nach Anteil an den Gestehungskosten für die Wärme in die Berechnung einfließen


Für die Bad- und Saunalandschaft mit ihrer kontinuierlichen Wärmeabnahme kostet so das Kilowatt Wärmeenergie derzeit rund 6,5 Cent. Wegen des sehr schwankenden Wärmebedarfes werden etwa für das Schulzentrum etwa 8,5 Cent je KWh berechnet. Zufrieden stellt Hans Kastl fest: „Bis jetzt konnte wir noch jedes Jahr mit Gas oder Heizöl konkurrieren.“


Je Jahr werden insgesamt 8 500 Srm Hackschnitzel benötigt. „Da wir auf eine ständige Hackschnitzelzufuhr angewiesen sind, müssen unsere Lieferanten ein Zwischenlager haben“, so Josef Plötz. Jeden Samstag koordiniert er die Lieferungen zu den Anlagen. „Eine Pflicht zur Lieferung besteht jedoch nicht“ betont Plötz. „Die Lieferrechte können auch auf das Folgejahr übertragen werden.“


Weitere Anlagen geplant


Das unkompliziertes Vorgehen ist typisch für die Bayerwaldwärme Bad Kötzting. Die Menge der gelieferten Schnitzel wird anhand der Maße des Hängers ermittelt und der Feuchtegehalt nach dem Abladen gemessen. „So sparen wir uns eine teure Wiegeein-richtung und unnötigen Zeitaufwand“, so Plötz. Auch der Heizwert der Schnitzeln wird nicht bewertet. Bei über 30 % Feuchte erfolgt eine Preis-Abzug.


Mit ihren bisherigen Erfolgen geben sich die „Macher“ der Bayerwaldwärme jedoch nicht zufrieden. Eine kleinere vierte Anlage kommt noch dieses Jahr hinzu, im Folgejahr soll die zuletzt gebaute Anlage verdoppelt werden. Über den Hackschnitzel-Bezug macht sich Plötz hierbei keine Sorgen: „Bis wir alle unsere Resthölzer selbst in der Region verheizen können, wird es noch etwas dauern.“ Matthias Häfner

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