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Behörde düpiert Vogelschützer

Lesezeit: 4 Minuten

Nach 30 Jahren wollte ein Landwirt aus Niedersachsen ein Kleinwindrad ersetzen. Jetzt fordern die Behörden plötzlich Artenschutzgutachten, die das Projekt unwirtschaftlich machen würden.


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Vögel fühlen sich auf dem Betrieb von Angelika und Bodo Meier-Oetjen offensichtlich wohl. Etliche Rauch- und Mehlschwalben, Gartenrotschwänze und Sperlinge schwirren auf dem Milchviehbetrieb durch die Luft. Seit 30 Jahren leben sie in Eintracht mit zwei Windrädern, die Meier-Oetjens im Jahr 1989 errichtet haben. Sie haben 100 bzw. 200 Kilowatt (kW) Leistung und sind 24 bzw. 42,5 m hoch. „Wir haben in 30 Jahren keine Kollisionsopfer gefunden“, sagt die Landwirtin. Im Gegenteil: Am Windkraftturm brüten Dohlen, unter der Anlage fühlen sich Kiebitze wohl, die hier Schutz vor Krähen finden.


35000 € für Gutachten:

Daher hatte sich das Ehepaar nichts dabei gedacht, als sie die kleinere Anlage nach einem Schaden der Hauptwelle durch ein Kleinwindrad ersetzen wollten: Eine Lely Aircon 30 mit 30 kW und 49 m Höhe – gerade unterhalb der Grenze von 50 m, ab der eine Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz nötig wäre. Den Strom wollten sie u.a. für den Melkroboter nutzen.


Doch die Rechnung haben sie ohne die untere Naturschutzbehörde des Landkreises Cuxhaven gemacht. Sie forderte für die neue Anlage Artenschutzgutachten für Vögel und Fledermäuse, die 35000 € und mehr kosten sollten – gut ein Drittel der Investitionskosten für die neue Mühle. Trotzdem könnte es sein, dass die Anlage gar nicht genehmigt wird.


„Es liegen hier zum Standort keine verlässlichen Untersuchungen vor, ob und inwieweit es durch die Altanlagen bisher zu Schäden gekommen ist. Kollisionsopfer bzw. Scheucheffekte auf Tierarten sind bei vielen Windenergie-Standorten unbestritten und belegt“, sagt ein Sprecher des Naturschutzamtes beim Landkreis Cuxhaven. Dass am geplanten Standort bereits eine Anlage gestanden habe, wirke sich auf den Untersuchungsbedarf nicht aus.


Die unverhältnismäßig hohen Kosten für die geforderten Gutachten begründet die Behörde so: „Im Umfeld des Vorhabens nahe der Weser und Lunemündung sowie der Osterstader Marsch gibt es bedeutende Schutzgebiete, Gast- und Brutvogellebensräume und Fledermausvorkommen.“


Wie bei Großanlagen:

Die Genehmigungspflicht ergäbe sich aus der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO). Das niedersächsische Recht unterscheide nicht zwischen Klein- und Großwindenergieanlagen (KWEA/GWEA). Ab einer Höhe von 30 m sind Windenergieanlagen danach sogar Sonderbauten, für die ein umfassendes Genehmigungsverfahren nach § 64 NBauO durchzuführen ist.


„Untersuchungen zum Natur- und Artenschutz sind die große Unbekannte im Genehmigungsverfahren, sie arten auch für Kleinwindkraftanlagen immer mehr aus“, beobachtet Willibald de Vries vom Anlagenhersteller Lely Aircon aus Leer. Seit über zehn Jahren macht er die Genehmigungsplanung für die Kunden. „Wenn früher ein Bauantrag 50 bis 60 Seiten hatte, sind es heute fast 300 Seiten“, stellt er fest.


„Eine Erklärung für die deutlich gestiegenen Erhebungs- und Prüfanforderungen liegt in der Entwicklung des europäischen und deutschen Artenschutzrechts“, erklärt Holger Ohlenburg vom Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) in Berlin. „Seit 2007 enthält das Bundesnaturschutzrecht Regelungen zum ‚besonderen Artenschutz‘, mit denen ein deutlich strengeres Rechtsregime verbunden ist. Sie sorgen für die heute umfangreicheren Prüfpflichten, je nach Landesbauordnung und demnach auch bei Anlagen unter 50 m Gesamthöhe.“


Neues Forschungsprojekt:

Allerdings sind die Auswirkungen von KWEA auf Vögel und Fledermäuse selbst unter Fachleuten umstritten. Daher lässt das Bundesamt für Naturschutz (BfN) das Thema aktuell an 15 KWEA in Schleswig-Holstein untersuchen. Die Ergebnisse sollen im August 2018 vorliegen.


Familie Meier-Oetjen hat ihren Bauantrag jetzt erst einmal zurückgezogen, auch wenn die bisherige Planung bereits 4000 € gekostet hat. Jetzt wollen sie einen neuen Anlauf wagen mit halbierter Masthöhe. Damit nehmen sie nicht unerhebliche Ertragsverluste in Kauf.


Aber sie kommen damit der Behörde entgegen. Wegen der deichnahen Lage in der offenen Marsch sei eine Anlage, die sich in die vorhandene Gehölz- und Gebäudekulisse einordnet, weniger gefährlich für Zug- und Wiesenvögel sowie Fledermäuse, erklärt das Naturschutzamt.


Für die vogelfreundliche Familie Meier-Oetjen bleiben die Entscheidungen der Behörden und die gesetzlichen Regelungen unverständlich und stehen in krassem Widerspruch zu den Klimaschutzzielen der Bundesregierung.


Kontakt:


hinrich.neumann@t-online.de

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