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Bio-LNG: Wunschkraftstoff für Lkw und Busse

Lesezeit: 7 Minuten

Flüssiges Biogas gilt als interessante Alternative für den Schwerlastverkehr. Die Zahl von Tankstellen und Fahrzeugen wächst rasant. Der Boom bietet Chancen für Biogasanlagen.


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Biogas als Kraftstoff lässt sich auf zwei Wegen einsetzen: Als komprimiertes CNG (Compressed Natural Gas), das in Drucktanks im Auto bzw. Lkw untergebracht ist, oder in Form von LNG (Liquefied Natural Gas), das bei -162°C verflüssigt wird.


Im Jahr 2020 wurden bis September knapp 30200 t flüssiges Erdgas (LNG) an deutschen Tankstellen abgesetzt – mehr als doppelt so viel wie im gesamten Jahr 2019. Das geht aus einer Erhebung der Brancheninitiative Zukunft Gas hervor. Im Gesamtjahr 2020 könnten rund 47000 t verkauft werden. Noch nicht berücksichtigt in dieser Zahl ist der zunehmende Einsatz von verflüssigtem Biogas (Bio-LNG).


Dieser Biokraftstoff ist stark im Aufwind: „Im Schwerlastverkehr sehen wir bis 2025 nur Bio-LNG als durchgreifende Dekarbonisierungsoption“, sagt der für Energieeffizienz zuständige Unterabteilungsleiter im Bundesverkehrsministerium, Ulrich Benterbusch auf einer Diskussionsveranstaltung der Deutschen Energieagentur.


Für den Mineralölkonzern Shell bietet der europäische Markt gute Aussichten. „Überall entwickelt sich die LNG-Infrastruktur positiv, es gibt immer mehr neue Stationen“, sagt Raoul König, LNG-Experte von Shell. Das sei auch wichtig für den Markt: Der Schwerlastverkehr sei schließlich in ganz Europa unterwegs.


LNG wird gefördert


Schon die fossile LNG-Variante bringt gegenüber Diesel nicht nur 15 bis 20% CO2-Einsparung, sondern verursacht auch weniger Feinstaub und 85% weniger Stickoxide. Aus Sicht der Speditionen ein weiteres Plus: Das Bundesverkehrsministerium zahlt eine Kaufprämie von 12000 € für einen LNG-Lkw. „Neben dem umweltfreundlichen Image und der Einsparung von Harnstoff (AdBlue) bringen allein Mautbefreiung und geringere Kraftstoffkosten im Vergleich zu Diesel Einsparungen von 30000 € pro Fahrzeug im Jahr“, rechnet Jens Pawlowski vom Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) vor. Zudem gibt es aktuell das Projekt ProBioLNG der Universität Hohenheim, an dem auch der Landmaschinenhersteller Claas beteiligt ist. Dieser prüft, inwieweit sich LNG bei Erntemaschinen einsetzen lässt.


Mit knapp 4000 hat die Zahl der Förderanträge zur Beschaffung von mit Flüssigerdgas betriebenen Lkw im November 2020 einen neuen Höchststand erreicht. Diese positive Bilanz zieht die LNG-Taskforce, eine Initiative, die von der Deutschen Energie-Agentur (dena) und dem Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) vorangetrieben wird, anlässlich ihres fünfjährigen Bestehens. In der Zeit hat auch die Zahl der Tankstellen deutlich zugenommen: War Flüssigerdgas im April 2019 an nur vier öffentlichen Tankstellen verfügbar, so sind inzwischen 37 LNG-Tankstellen deutschlandweit in Betrieb – ein fast flächendeckendes Netz. Weitere 60 Tankstellen befinden sich in der Planung.


Kurze Tankzeiten


Auch die Tankzeiten seien identisch mit Diesel, sodass die Akzeptanz der Fahrer für den Kraftstoff hoch sei, erklärt Juliane Arriens, Projektmanagerin bei der Berliner Liquind 24/7 GmbH, die in Deutschland ebenfalls am flächendeckenden LNG-Tankstellennetz arbeitet. Der Umstieg auf Bio-LNG sei technisch problemlos möglich. Daher sieht sie fossiles LNG aktuell nur als Übergangslösung, um den Markt zu entwickeln. „In naher Zukunft muss die Versorgung durch Bio-LNG erfolgen“, fordert Arriens.


Konkurrenzfähig gegenüber fossilem LNG werde das Produkt momentan über den Verkauf der THG-Quote (siehe Info auf Seite 15). „Aber es wird nicht funktionieren, wenn alle Beteiligten nur auf die Quote setzen und damit die Wirtschaftlichkeit erreichen wollen“, warnt sie. Denn eine höhere Quotenmenge führt unweigerlich zu sinkenden Preisen – vor allem, wenn die THG-Minderungsanforderung für die Mineralölindustrie niedrig bleibt und es irgendwann einen Quotenüberschuss gibt. „Daher müssen alle Beteiligten der Wertschöpfungskette gemeinsam daran arbeiten, dass wir den Markt entwickeln und Bio-LNG zu günstigen Preisen an die Kunden abgeben können.“


Dezentrale Verflüssigung


Eine große Hürde für Bio-LNG ist die fehlende Infrastruktur für die Verflüssigung. Hierfür gibt es mehrere Ansätze: Eine kleine dezentrale Anlage am Standort der Biomethananlage oder eine zentrale Variante im Raffineriemaßstab mit mehreren 100000 t Jahresausstoß.


Ein Beispiel für den dezentralen Ansatz ist die Anlage der GasCom Equipment GmbH aus Troisdorf bei Bonn. Sie bietet einen „LIN-Verflüssiger“ für ca. 3 bis 6 t Biomethan pro Tag an. LIN steht für „Liquefied Nitrogen“ (flüssiger Stickstoff), der als Kältemittel eingesetzt wird. Der Verflüssiger lässt sich an bestehenden Gasaufbereitungsanlagen andocken.


Das Gas muss vor dem Verflüssigen die gleiche Qualität haben wie Biomethan zur Netzeinspeisung. Es sollten maximal 3% CO2 enthalten sein. „Wir müssen dieses CO2 dann möglichst vollständig aus dem Biomethan entfernen. Denn bei Minustemperaturen bildet sich sonst Trockeneis, das die Funktion von Ventilen usw. behindert“, erklärt GasCom-Experte Dr. Can Kreuz.


Zur Separation von CO2 und zur Verflüssigung verbraucht die Anlage etwa 3 kg flüssigen Stickstoff pro kg Biomethan. Der Stromverbrauch liegt bei 0,02 bis 0,05 kWh/kg Bio-LNG.


Zwei dieser Anlagen werden aktuell in einem Pilotprojekt in Niedersachsen getestet. „Wir werden mit Verflüssigungsversuchen an Biogasanlagen und dem Aufbau von zwei Tankstellenstandorten sowohl bei der Erzeugung als auch beim Verbrauch ansetzen“, erläuterte Dr. Marie-Luise Rottmann-Meyer, Geschäftsführerin des 3N Kompetenzzentrums Niedersachsen Netzwerk Nachwachsende Rohstoffe und Bioökonomie in Werlte. 3N ist der Projektkoordinator bei dem Modell und unterstützt interessierte Biogasanlagen und Betreiber von Lkw-Flotten bei den Realisierungsschritten.


Firma kauft Biomethan


Eine Alternative bietet die bayerische Firma CM Fluids, ein Start-up-Unternehmen zu Bio-LNG, das mit Biogasanlagenbetreibern kooperieren will. „Wir nehmen den Betreibern das Rohbiogas ab, bereiten es zu Biomethan auf und verflüssigen es auf dem Standort der Biogasanlage“, erklärt Projektleiterin Lena Friedmann. Dafür pachtet CM Fluids eine kleine Fläche am Standort. Die Abnahmepreise sind noch nicht fix, aber im Gespräch sind 6 bis 7 ct/kWh für das Rohbiogas.


Treibstoff für Kommunen


Das Bio-LNG verwendet CM Fluids in einer interessanten Nische: Das Unternehmen rüstet kommunale Dieselbusse um auf einen Hybridantrieb, eine Kombination aus Elektroantrieb und Verbrennungsmotor. Dieser wird mit Bio-LNG betrieben und dient ausschließlich dazu, über einen Generator die Batterie im Fahrzeug zu laden.


Die Kommunen haben laut CM Fluids großes Interesse an der neuen Dienstleistung. Denn nach der EU-Richtlinie „Clean Vehicles Directive“ müssen sie ab August 2021 bis Ende 2025 bei Bussen für alternative Antriebe sorgen. 45% der neu zu beschaffenden Fahrzeuge sollen „sauber“ sein.


Noch ist die Richtlinie nicht in deutsches Recht umgesetzt. Doch die Städte und Gemeinden sind bereits sehr hellhörig. „In Deutschland gibt es rund 35400 Busse im kommunalen Nahverkehr, die in etwa 730 Mio. l Diesel pro Jahr verbrauchen. Eine Umrüstung ist für sie wesentlich kostengünstiger als die Neuanschaffung, daher sehen wir noch großes Potenzial“, sagt Friedmann.


Zudem würden die Kommunalvertreter begrüßen, dass sich der Dienstleister auch um die Beschaffung des „sauberen“ Kraftstoffs kümmert. Bis zum Jahr 2025 will CM Fluids 800 Busse umrüsten und gleichzeitig 30 Kooperationen mit Betreibern bestehender Biogasanlagen eingehen.


Zentrale Anlagen


Trotz der Aktivitäten werden sich in Deutschland mittelfristig eher größere Verflüssigungsanlagen durchsetzen, die über 100 t LNG pro Tag herstellen, meint Jürgen Muhle von der Alternoil GmbH, die in Deutschland seit zwei Jahren eine LNG-Logistik aufbaut. Ein Beispiel für ein Großprojekt ist eine in Köln geplante Verflüssigungsanlage, mit der Shell im Jahr 100000 t Bio-LNG produzieren will.


Auch Christian Schneider, Geschäftsführer des Tankstellenbetreibers Liquind 24/7 erwartet, dass Biogasanlagenbetreiber Bio-LNG nicht primär vor Ort herstellen, sondern das Biomethan über das Gasnetz zu zentralen Verflüssigungen leiten. Er hält den Bedarf zur Bio-LNG-Produktion hierzulande für so groß, dass rund 2000 Biogasanlagen auf die Biomethanproduktion umgerüstet werden könnten – die zehnfache Menge der heutigen Zahl. „Wir müssen eine riesige Dieselmenge im Schwerlastverkehr durch Bio-LNG ersetzen“, begründet er das.


„Gerade in Regionen mit hoher Biogasanlagendichte wie Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein halten wir es für sinnvoll, das Gas der Anlagen per Sammelleitung zu einer zentralen Aufbereitungsanlage mit angeschlossener Verflüssigung zu leiten“, ergänzt Dr. Helmut Kern vom Dienstleister Arcanum (zum Thema Sammelleitung siehe auch Beitrag ab Seite 6).


hinrich.neumann@topagrar.com

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