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Biogas: Ab 2022 gelten Kriterien zur Nachhaltigkeit

Lesezeit: 7 Minuten

Nach EU-Recht sollen viele Biogasanlagenbetreiber künftig neue Auflagen erfüllen. Ansonsten ist die EEG-Vergütung in Gefahr. Eine entsprechende Verordnung des BMU ist jetzt in Arbeit.


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Rund 2000 Biogasanlagen in Deutschland hängen derzeit in der Luft. Seit Anfang Juli müssten sie eigentlich nachweisen, dass sie ihre Rohstoffe nach bestimmten Nachhaltigkeitskriterien erzeugt haben. Doch das zuständige Bundesumweltministerium (BMU) hat die dafür nötige Verordnung noch nicht verabschiedet.


Hintergrund ist die Erneuerbare- Energien-Richtlinie (Renewable-Ener-gy-Directive, RED II) der EU. Sie gibt die Nachhaltigkeitskriterien vor.


Landwirte, die Raps, Getreide oder Zuckerrüben für die Bioethanol- oder Biodieselproduktion angebaut haben, kennen das genauso wie Erzeuger von Biomethan als Kraftstoff. Denn seit 2009 gilt die Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung in Deutschland. Sie setzt die EU-Vorgaben in deutsches Recht um. Lieferanten von Rohstoffen für den Biokraftstoffmarkt müssen Selbsterklärungen abgeben, in denen sie die Einhaltung der Kriterien bestätigen.


Im Jahr 2018 hatte die EU die RED novelliert und festgelegt, dass auch feste und gasförmige Biomasse für die Strom- und Wärmeerzeugung künftig nachhaltig erzeugt und bestimmte Vorgaben zur Treibhausgasminderung erfüllt sein müssen.


Die RED II musste bis Ende Juni 2021 in nationales Recht umgesetzt worden sein. Doch erst im April 2021 hatte das BMU einen Entwurf für die Nachhaltigkeitsverordnungen für Biomassestrom und Biokraftstoffe veröffentlicht. Seitdem wartet die Branche auf eine rechtsverbindliche Fassung.


Wer betroffen ist


Die neuen Nachhaltigkeitsanforderungen gelten für Holzheizkraftwerke sowie Biogasanlagen, allerdings erst ab einer bestimmten Größe. Bei Kraftwerken mit Holz als Rohstoff gelten 20 MW als Grenze, bei Biogasanlagen 2 MW. Gemeint ist die Feuerungswärmeleistung. Diese umfasst die elektrische und die thermische Leistung einer Anlage. „Bezogen auf die elektrische Leistung sind Biogasanlagen etwa ab 800 kW betroffen“, sagt Dr. Stefan Rauh, Geschäftsführer im Fachverband Biogas. Der Fachverband geht davon aus, dass dies auf rund 2000 Anlagen in Deutschland zutrifft.


Der Nachweis über die Nachhaltigkeit der eingesetzten Biomasse ist künftig für alle Arten der Förderung nötig. Dazu zählt die Stromvergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG): Nur für den Strom, den der Anlagenbetreiber aus nachhaltig erzeugter Biomasse produziert, erhält er auch die EEG-Vergütung.


Als Förderung gelten auch Steuerermäßigungen oder das Erfüllen von Quoten. Ein Beispiel ist das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz in Baden-Württemberg: Wer Biomethan als Brennstoff an Hausbesitzer verkauft, die damit ihren Pflichtanteil an erneuerbaren Energien erfüllen wollen, muss künftig ein entsprechendes Zertifikat vorlegen. „Es gibt noch viele weitere Gesetze und Regelungen, bei denen das nötig ist, bei denen es aber derzeit noch keine Vorgaben gibt“, sagt Thomas Siegmund von der Sustainable Ressources Verification Schemes GmbH (SURE) aus Bonn, die ein Zertifizierungssystem für Biomasse aufgebaut hat.


Wie der Entwurf der Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung zeigt, will das BMU die RED II ohne wesentliche Änderungen in nationales Recht umsetzen. Die Kriterien, die Landwirte und Biogasanlagenbetreiber erfüllen müssen, ähneln denen, die seit 2009 aus dem Biokraftstoffbereich bekannt sind.


Was das BMU vorschreibt


Folgende Vorgaben macht der Verordnungsentwurf unter anderem:


  • Vorgaben an den Boden: Die Rohstoffe dürfen u.a. nicht von bewaldeten Flächen, ehemaligem, biologisch wertvollem Grünland oder aus Naturschutzgebieten stammen, in denen die Biomassenutzung nicht zum Schutzzweck gehört. Der Status als Ackerfläche darf seit dem 1. Januar 2008 nicht verändert worden sein. Mit der Einhaltung von Cross Compliance erfüllen Erzeuger einen Großteil der Auflagen.
  • Auch bei Abfällen wie Speiseresten oder Reststoffen wie Gülle und Mist gibt es Prüfkriterien. So ist nachzuweisen, dass es sich wirklich um Abfall- bzw. Reststoffe handelt.
  • Mit der Energieerzeugung muss eine bestimmte Minderung von Treibhausgasen einhergehen. Das betrifft allerdings nur Anlagen, die ab 1.1.2021 neu in Betrieb gegangen sind. „Wir gehen davon aus, dass Anlagen, die die Anschlussvergütung im zweiten Vergütungszeitraum bekommen, nicht als Neuanlagen gelten“, erklärt Rauh.
  • Die eingesetzte Biomasse muss sich über Zertifikate und Nachweise bis zum Erzeuger zurückverfolgen lassen.


Wie erfolgt der Nachweis?


Die Basis für die entsprechenden Nachweise bildet ein Zertifizierungssystem, das von der EU-Kommission anerkannt sein muss. Im Biokraftstoffbereich hat sich in Deutschland das System von REDcert etabliert. Der Dienstleister bietet auch die Zertifizierung für gasförmige Biomasse im Biokraftstoffsektor an. Das Schwesterunternehmen SURE hat dagegen ein System für feste und gasförmige Biomasse in der Stromerzeugung entwickelt. Beide Systeme sind kompatibel. „REDcert erkennt bestimmte Nachweise der Vorkette an, wenn sie nach SURE zertifiziert worden sind und umgekehrt“, erklärt Siegmund.


Für die Kontrolle sind unabhängige Zertifzierungsstellen zuständig (siehe Grafik auf Seite 128). Das sind vielfach Unternehmen, die auch Umweltgutachten für Biogasanlagen erstellen wie z.B. Omnicert oder der TÜV Nord. Sie müssen nicht nur von REDcert/SURE anerkannt sein, sondern auch von der Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft (BLE), die das nationale Register zur Rückverfolgbarkeit der Biomasse („Nabisy“) führt.


Die Auditoren der Zertifizierungsstellen nehmen die Anlagen unter die Lupe und stellen bei erfolgreicher Auditierung ein für jeweils ein Jahr gültiges Zertifikat aus. Wie bei Umweltgutachten prüft der Auditor anhand von Liefer- und Wiegescheinen sowie anderen Belegen, ob die erzeugte Energie und die zur Verfügung stehende Menge an nachhaltig erzeugter Biomasse zusammenpassen. Die Lieferanten der Biomasse geben für jedes Erntejahr eine Selbsterklärung ab. Stichprobenartig werden einzelne Erzeuger überprüft und zertifiziert.


Der aktuelle Stand


Die Umsetzung der Nachhaltigkeitszertifizierung verzögert sich in ganz Europa, so auch in Deutschland. „Das BMU arbeitet derzeit an einer zügigen Finalisierung zur nationalen Umsetzung der Richtlinie. Wir werden bei der Neufassung der Verordnungen die Vorgaben der RED II eins zu eins in deutsches Recht umsetzen und Übergangsregelungen vorsehen“, teilte eine Ministeriumssprecherin Anfang August auf top agrar-Anfrage mit. Die Ressortabstimmungen seien abgeschlossen, das Notifizierungsverfahren bei der EU soll in Kürze eingeleitet werden.


Die Verzögerung führt aktuell zu erheblichen Problemen: Anlagenbetreiber müssten jetzt eigentlich Lieferkontrakte für nachhaltige Biomasse-Brennstoffe für das kommende Jahr schließen oder die RED II-Konformität der diesjährigen Erntemengen sicherstellen. Das ist jedoch wegen der fehlenden Verordnung kaum möglich.


Einziger Lichtblick: Das SURE-EU-System hat – genau wie andere Systeme in der EU – die technische Evaluierung für den gesamten Geltungsbereich der Strom- oder Wärmeerzeugung aus land- oder forstwirtschaftlicher Biomasse sowie biogenen Abfall und Reststoffen erfolgreich abgeschlossen. Demnach dürfen Zertifizierungsstellen bereits in der Übergangszeit bis zur offiziellen Anerkennung des Systems nach Vorgaben der RED II zertifizieren.


Darum schult der Dienstleister jetzt Zertifizierungsstellen und deren Auditoren. Denn sobald die verbindlichen Vorgaben auf dem Tisch liegen, kann es schnell zu Engpässen kommen. Dann müssen in kurzer Zeit tausende Anlagen in ganz Europa zertifiziert werden. „Es ist wegen der großen Anzahl an Betroffenen mit einem erheblichen Zeitaufwand und Verzug zu rechnen“, heißt es in einer Stellungnahme des BBE zur Nachhaltigkeitsverordnung.


frist bis Ende 2022 gefordert


Zudem stelle die Coronapandemie die Wirtschaftsbeteiligten bereits vor erheblich erschwerte Bedingungen, sodass die Unternehmen auf absehbare Zeit nicht im Normalbetrieb arbeiten können und die Umsetzung der Anforderungen der RED II entsprechend erschwert würde. Darum fordert der BBE eine Übergangsfrist bis Ende 2022, um die Nachweisführung umzusetzen.


Auch dürfte es spätestens im Jahr 2022 zu einer Verknappung von nachhaltiger Biomasse kommen. Die höhere Nachfrage könnte laut SURE zu steigenden Preisen führen.


Wie die BLE Ende Juni 2021 mitteilt, hat die EU-Kommission bisher keine freiwilligen Systeme nach der RED II anerkannt, aber bereits entsprechende Anträge erhalten und für einige Systeme vorläufige positive Bewertungen abgegeben. Sie will die ersten freiwilligen Systeme in Kürze anerkennen. Bis dahin will auch die BLE Nachweise von Systemen zulassen, die die Kommission bislang nicht abgelehnt hat.


Was jetzt zu tun ist


Betreiber von Anlagen mit mehr als 2 MW Feuerungswärmeleistung sollten sich umgehend mit der Zertifizierung auseinandersetzen. Dazu bieten u.a. SURE oder der Fachverband Biogas Schulungen an. Auch sollten sie Kontakt zu von SURE anerkannten Zertifizierungstellen aufnehmen.


hinrich.neumann@topagrar.com

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