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Biogas ab Hof: Immer frisch gezapft!

Lesezeit: 7 Minuten

Mit einer Hoftankstelle können Landwirte Biogas direktvermarkten oder selbst nutzen. Wir stellen Beispiele vor.


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Etwa 45 km südwestlich von Stuttgart an einer einsamen Landstraße stoßen Autofahrer auf ein ungewöhnliches Hinweisschild: „Green-CNG Biogastankstelle“. An einem Container hängt ein moderner EC-Kartenautomat neben einem Zapfanschluss für Gasfahrzeuge. „Wir gehen hier einen neuen Weg, stehen aber noch ganz am Anfang“, erklärt Winfried Vees, der den Bioenergiehof Weitenau in der Nähe von Eutingen am Gäu mit seiner Frau Juliane führt.


Strom ist Auslaufmodell:

Vees hat im Jahr 2004 eine Biogasanlage installiert und später die elektrische Leistung von 180 auf 500 Kilowatt (kW) erhöht.


Doch die Stromerzeugung ist für ihn ein Auslaufmodell. Denn in neun Jahren endet für ihn das Recht auf eine Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Ab dann 2024 muss er den Strom selbst vermarkten – oder die Anlage stilllegen. Für zukunftsträchtiger hält er den Verkauf von Gas.


Viele andere Berufskollegen, die Biogas als Kraftstoff verkaufen, speisen es ins Erdgasnetz ein, wo es an anderer Stelle zur Versorgung der Tankstelle wieder entnommen wird. Das war bei Vees nicht möglich. Denn die nächste Gasleitung verläuft rund 10 km entfernt. Aufwand und Ertrag für den Anschluss stünden in keinem Verhältnis. Daher ist er auf die Idee gekommen, das Gas auf Erdgasqualität aufzubereiten und über eine kleine Tankstelle direkt ab Hof zu verkaufen.


Reinigung mit Membranen:

Weiterer Vorteil: Die Gasqualität muss nicht so hoch sein wie bei der Einspeisung ins Netz. So müssen Einspeiser in Regionen mit H-Gas-Qualität den Brennwert des Biogases mithilfe von flüssigem Propan erhöhen. Der Zukauf von Propan kostet zusätzlich Geld. „Diesen Schritt können wir uns komplett sparen, wichtig ist nur, dass das aufbereitete Biogas mindestens 95 % Methan enthält“, schildert der Landwirt. Aber schon ab ca. 85 % können Pkw das Gas als Kraftstoff nutzen.


Jahrelang hat er eine Aufbereitungstechnik gesucht, die auch kleine Mengen verarbeiten kann und trotzdem kostenmäßig im Rahmen bleibt. Schließlich ist er auf das Ingenieurbüro Buse aus Winsen an der Luhe (Niedersachsen) gestoßen. Es hat ein neues Verfahren entwickelt, das auf dem immer stärker verbreiteten Membranverfahren basiert. Nähere Infos dazu finden Sie im Beitrag „Spaghettis reinigen Biogas“ im Energiemagazin 3/2013.


Die Gasreinigung nach diesem „Membrankontaktverfahren“ erfolgt über eine Membran mit so kleinen Poren, die Gas hindurchlassen, aber Wasser abweisen. Die Reinigung, also vor allem die CO2-Abtrennung, erfolgt in zwei Schritten: Zunächst wird Wasser, das sich permanent im Kreislauf befindet, über die erste Membran, die „Entgasungs-Membran“ geleitet. Dabei wird das CO2 aus dem Wasser entfernt. Im zweiten Schritt wird Biogas zusammen mit Wasser durch die „Gasaustausch-Membran“ geführt. Hierbei wird das CO2 aus dem Biogas entfernt und in das entgaste Kreislaufwasser überführt. Denn CO2 löst sich etwa 75-mal besser in Wasser als Methan. Weil das Gas allein aufgrund des Druckunterschiedes auf beiden Seiten der Membran hindurchströmt, ist auch keine Druckerhöhung nötig. „Mich hat fasziniert, dass das Verfahren mit geringem Energieaufwand, ohne Chemikalien und mit wenig Platz auskommt“, begründet Vees die Wahl der Technik. Das Gas wird über Kompressoren anschließend wie bei anderen Gastankstellen auch auf 220 bar verdichtet.


Die Biogasanlage produziert pro Stunde 230 m3 Rohbiogas. Davon kann Vees etwa 7 % des insgesamt produzierten Biogases aus dem Fermenter für die Tankstelle nutzen – rund 15 m3 pro Stunde. „Bei entsprechender Nachfrage könnten wir die Kapazität ganz einfach verdoppeln“, erklärt er. 1 m3 Biomethan wiegt etwa 0,72 kg. In der ersten Ausbaustufe will er nur 7 m3 bzw. 5 kg Biomethan pro Stunde bzw. 120 kg pro Tag produzieren. Die Gasmenge reicht aus, um sechs Fahrzeuge am Tag betanken zu können.


Die Gasaufbereitung einschließlich Tankstelle hat 300 000 € gekostet. Für die Anlage hat Vees eine Förderung von 25 % der Investitionssumme vom Land Baden-Württemberg in Anspruch genommen.


Noch wenige Nutzer:

Das Gas verkauft er zurzeit zum Einführungspreis von 1,05 € pro kg einschließlich MwSt. „Um Geld zu verdienen, müssten wir dagegen mindestens 1,20 € einnehmen“, rechnet er vor. Aber im Moment geht es ihm darum, die Anlage erst einmal zum Laufen zu bringen. Seit der Einweihung im September 2015 tanken bei Vees ca. 1 bis 2 Fahrzeuge pro Tag. Das ist noch verschwindend wenig. Daher subventioniert gegenwärtig noch die Stromvergütung aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz die Kraftstoffvermarktung. „Aber wir wissen, dass wir Geduld brauchen. Wir werden Infoveranstaltungen anbieten“, sagt er.


Dabei hat er wie andere Gastankstellenbetreiber das Problem, die Verbraucher von den Vorteilen des Gasantriebs zu überzeugen. Zwar entspricht 1 kg Biomethan dem Energieinhalt von 1,3 l Diesel und ist damit der mit Abstand günstigste Kraftstoff. Das weiß Vees selbst, der seit mehreren Jahren einen Passat mit Gasantrieb fährt. „Im Jahr sparen wir bis zu 1500 € gegenüber einem Diesel ein“, hat er ausgerechnet.


Zudem gibt es heute flächendeckend in Deutschland Gastankstellen. Zwar sind die rund 900 Anlagen teilweise sehr verstreut. Aber zum schnellen Auffinden können sich Autofahrer die Tankstellen via Apps für Smartphones anzeigen lassen – so auch Vees’ Tankstelle. Als zusätzlichen Service hat er für rund 35 000 € einen EC-Kartenautomaten für die Bezahlung einbauen lassen, mit dem die Fahrer rund um die Uhr tanken können.


Aber viele Verbraucher hängen aus Gewohnheit am Flüssigkraftstoff. Und nicht nur sie: Als Vees zur Einweihung Automobilhändler zur Ausstellung von Gasfahrzeugen gebeten hatte, haben mehrere arrogant abgelehnt. Nur Audi war bereit, ein Fahrzeug zu stellen, das Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller medienwirksam betankt hatte.


Obwohl Vees den Kraftstoff direktvermarktet, ist er an die Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung gebunden, wenn er eine Steuerbefreiung für das Biomethan in Anspruch nehmen will. „Solange wir keinen Nachhaltigkeitsnachweis haben, zahlen wir 20 ct Steuern pro kg CNG“, berichtet der Landwirt.


Um am Treibhausgas-Minderungsgesetz teilnehmen zu können, sind noch weitere aufwendige Verwaltungsschritte notwendig. Auch verursacht die fällige CO2-Zertifizierung weitere Kosten. Mit der geringen Verkaufsmenge von weniger als 100 m3 pro Tag ist seine Anlage bei den Kosten für das vorgeschriebene Zertifizierungsverfahren zu klein. Denn es ist auf große Konzerne ausgelegt. Daher wünscht er sich, dass der Gesetzgeber ein einfacheres Verfahren für kleinere Produzenten erlässt.


Zusätzlich muss er, um wirtschaftlich Biomethan als Kraftstoff erzeugen zu können, auf landwirtschaftliche Reststoffe zurückgreifen. „Der Anbau von Nawaros ist so teuer, dass wir 2 € pro kg nehmen müssten. Aber die Reststoffe liegen auch im Interesse unserer Kunden“, erklärt er.


Nur Reststoffe:

Für den Kraftstoff setzt er nur Reststoffe wie Gülle, Rinder- und Pferdemist ein. Da allerdings eine zweite, kleine Anlage nur für die Kraftstoffproduktion viel zu teuer wäre, stammt das Kraftstoff-Biogas aus dem gleichen Fermenter wie das Biogas für die Verstromung. Der Umweltgutachter muss dabei attestieren, dass der Kraftstoff – zumindest bilanziell – ausschließlich aus diesen Reststoffen produziert wurde. Das erhöht auch die Wirtschaftlichkeit der Verstromung, da er dafür mehr nachwachsende Rohstoffe einsetzt und hierfür eine höhere Vergütung erhält.


Einen höheren Verbrauch könnte der Einsatz in Lkw oder in gasbetriebenen landwirtschaftlichen Fahrzeugen bringen. So gibt es mit Valtra, Steyr und New Holland erste Traktorhersteller, die einen Gasantrieb entwickelt haben. „Wir werden versuchen, unseren Telelader für die Anlagenbeschickung auf Zündstrahlbetrieb umzubauen, so haben wir sofort einen zusätzlichen Absatz von ca. 15 kg Biomethan am Tag“, erklärt der Landwirt.

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