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Biogas: Diese Tücken enthält das neue EEG

Lesezeit: 9 Minuten

Das EEG 2021 verunsichert die Biogasbranche massiv. Es gibt viele neue Hürden, deren Folgen nach und nach sichtbar werden. Mit falschen Entscheidungen können Betreiber jetzt viel Geld verlieren.

Nach und nach lichtet sich der Nebel nach der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2021). Immer deutlicher zeigen sich dabei die weitreichenden Folgen einzelner Regelungen, die erst in letzter Minute im Dezember 2020 in das Gesetz aufgenommen wurden. Aus Sicht der Biogasbranche ist besonders kritisch, dass einige Regelungen rückwirkend viele Betreiber treffen, die schon investiert haben. Auch könnte sich die erhöhte Ausschreibungsmenge als Bumerang erweisen und den Rückbau von Anlagen beschleunigen. Wir haben im Folgenden die wichtigsten Neuerungen analysiert.

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Für wen gilt das neue EEG?

Das neue Gesetz betrifft Neuanlagen bzw. bestehende Anlagen, die in die zweite Vergütungsperiode wechseln und die zehnjährige Anschlussvergütung in Anspruch nehmen wollen. Für Anlagen, die vor 2021 in Betrieb gegangen sind bzw. die vor 2021 einen Zuschlag im Rahmen der Ausschreibung erhalten haben, gilt das EEG 2017.

Wer eine neue Anlage plant oder mit einer bestehenden Anlage in die zweite Vergütungsperiode wechseln will, muss seit dem Jahr 2017 an einem Ausschreibungsverfahren teilnehmen. Hierbei gibt es im EEG 2021 zahlreiche Änderungen, die wir im Folgenden näher erkläutern:

  • Neue Zulassungsvoraussetzungen,
  • höhere Gebotsgrenzen,
  • neue Regelung beim Flexzuschlag,
  • endogene Mengensteuerung,
  • eine Südquote.

Neue Regeln für Bieter

Der Gesetzgeber hat die jährlich ausgeschriebene Menge für Biomasseanlagen (Biogasanlagen und Biomassekraftwerke) von 200 auf 600 MW erhöht. Die Ausschreibungen finden künftig am 1. März und am 1. September statt.

Wer ab dem 1.1.2021 in die zweite Vergütungsperiode wechseln will oder eine neue Anlage plant, muss künftig im Minimum etwas mehr als die doppelte Leistung installieren. Denn das EEG 2021 schreibt vor, dass nur noch die Strommenge vergütet wird, die – verkürzt gesagt – 45% der installierten Leistung entspricht. Wer heute also eine Bemessungsleistung von 500 kW hat, muss künftig mindestens 1110 kW installieren. Bislang war die doppelte Überbauung ausreichend, in dem Beispiel wären es also 1000 kW gewesen.

Neu ist auch, dass die Anlagen an 1000 Stunden 85% ihrer Leistung erzeugen müssen. Eine Anlage mit 1 MW installierter Leistung muss also an 1000 Stunden jährlich 850 kWh Strom produzieren. „Ansonsten gibt es für das jeweilige Kalenderjahr keinen Flexzuschlag“, sagt Rechtsanwalt Dr. Helmut Loibl aus Regensburg. Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber verhindern, dass Betreiber auch für ein altes BHKW, das nicht mehr betrieben wird, aber zur installierten Leistung dazu zählt, den Flexzuschlag kassieren.

Neue Gebotshöhe

Betreiber von Neuanlagen können im Jahr 2021 in der Ausschreibung bis zu 16,40 ct/kWh bieten, bestehende Anlagen bis 18,40 ct/kWh. Damit hat der Gesetzgeber die noch 2020 geltenden Höchstgebotswerte um mehr als 2 ct angehoben. Neue und bestehende Anlagen bis 500 kW bekommen bis zum Jahr 2025 weitere 0,5 ct/kWh. Dieser Bonus muss beim Gebot nicht mit eingepreist werden. Wer z.B. einen Zuschlag für 16,3 ct pro kWh erhalten hat, bekommt dann 16,8 ct/kWh.

Kritik am Flexzuschlag

Wer in einem Ausschreibungsverfahren einen Zuschlag erhält, kassiert zusätzlich zur gebotenen Vergütung den Flexibilitätszuschlag (kurz: Flexzuschlag). Diesen hat der Gesetzgeber von aktuell 40 €/kW auf 65 €/kW angehoben. Der höhere Zuschlag gilt für diejenigen, die nach dem 1.1.2021 an einer Ausschreibung teilnehmen oder nach einer erfolgreichen Teilnahme erst im Jahr 2021 in Betrieb gehen bzw. die Anschlussvergütung in Anspruch nehmen. Der Zuschlag wird für die gesamte installierte Leistung gezahlt. Zur Erinnerung: Die Flexprämie in der ersten Vergütungsperiode in Höhe von 130 €/kW gibt es nur für die zusätzlich installierte Leistung.

Bislang gab es in der 2. Vergütungsperiode den Flexzuschlag pauschal für jeden Betreiber, der im Ausschreibungsverfahren erfolgreich war. Das hat der Gesetzgeber mit dem EEG 2021 geändert – mit dramatischen Folgen für die Branche: Jetzt gibt es den Flexzuschlag nur noch für die Leistung, die neu installiert wurde. Begründung: Wer schon in der 1. Vergütungsperiode für die zusätzlich installierte Leistung die Flexprämie erhalten hat, hätte die Investition damit bereits finanzieren können. Der Flexzuschlag in der 2. Vergütungsperiode sei unnötig und damit eine unzulässige Doppelförderung.

Allerdings haben viele Betreiber seit Jahren bei ihren Anlagenkonzepten mit dem Flexzuschlag gerechnet. Denn die Flexprämie reicht für die Refinanzierung der Umrüstung selten aus. Die mit dem EEG 2012 eingeführte Prämie wird für zehn Jahre gewährt und endet mit der 20-jährigen EEG-Laufzeit der Anlage – unabhängig davon, wie lange der Betreiber die Prämie bis dahin schon bekommen hat. Darum sind viele Altanlagen von der Änderung betroffen:

  • Wer schon früh flexibilisiert hat, muss in der 2. Vergütungsperiode wahrscheinlich das BHKW erneuern. Die Refinanzierungsmöglichkeit über den Flexzuschlag fällt jetzt weg.
  • Wer spät flexibilisiert hat, hat die Investition über die Flexprämie noch nicht finanziert (die zehn Jahre sind bei EEG-Ende nicht ausgeschöpft), das aber bewusst in Kauf genommen, weil er mit dem Flexzuschlag in der Anschlussförderung rechnen konnte.
  • Besonders fatal ist die Lage für die Betreiber, die schon vor 2021 einen Zuschlag für die Anschlussförderung erhalten haben. Sie hatten bei der Gebotsabgabe den Flexzuschlag fest eingepreist. Ihnen fehlen je nach Grad der Überbauung bis zu 2,3 ct/kWh.

Der Fachverband Biogas arbeitet jetzt unter Hochdruck an einer politischen Lösung. „Wir haben den Eindruck, dass viele Bundestagsabgeordnete nicht wussten, welche Auswirkung dieser Beschluss haben wird“, sagt Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie, das auch den Fachverband Biogas in Berlin vertritt. Noch einen Schritt weiter geht eine Interessengemeinschaft von betroffenen Betreibern, die eine Musterklage vor dem Bundesverfassungsgericht anstreben. „Es gibt an mehreren Stellen verfassungsrechtliche Bedenken“, sagt Anwalt Loibl, der die Betroffenen vertritt.

Das ist jetzt zu tun

Solange die Lage unklar ist, sollten Betreiber, die derzeit die Flexprämie noch nicht beantragt haben, dieses unterlassen. Stattdessen könnte es eine Alternative sein, eine Flexibilisierung erst in der zweiten Vergütungsperiode in Angriff zu nehmen, um dann für die Zusatzleistung den Flexzuschlag zu erhalten. „Eine pauschale Empfehlung gibt es dazu leider nicht, das muss jeder Betreiber genau durchrechnen“, rät Georg Friedl, Referatsleiter Mitgliederservice beim Fachverband Biogas.

Es gibt Betreiber, die bisher schon die Flexprämie bekommen, aber jetzt noch stärker flexibilisieren wollen. Allerdings ist unklar, welches Gesetz jetzt für sie gilt. Der Fachverband rät daher, eine Nachflexibilisierung bis zum 31. Juli 2021 abzuschließen. Denn bestehende Anlagen unterliegen dem EEG 2017, bei dem es den sogenannten Flexdeckel gab. Dieser besagt: Wenn in Deutschland insgesamt 1000 MW flexible Leistung erreicht sind, gibt es nach einer Übergangsfrist keine Flexprämie mehr.

Die 1000 MW waren im September 2019 erreicht, die Übergangsfrist endet am 31.7.2021. „Zwar ist der Flexdeckel jetzt abgeschafft. Aber das EEG 2021 gilt nur für Anlagen, die die Flexprämie noch nicht bekommen“, sagt Friedl. Da es bei vielen Anlagenkonstellationen offene Fragen gibt, rät er dazu, auf jeden Fall juristischen Beistand einzuholen.

Was ist „Mengensteuerung“?

Mit einem neuen Instrument will der Gesetzgeber für mehr Wettbewerb bei der Ausschreibung sorgen und damit die Vergütungshöhe für die Anlagen möglichst gering halten. Dazu wendet die Bundesnetzagentur bei Ausschreibungsrunden, bei denen das ausgeschriebene Volumen nicht erreicht wird, die 80/20-Regelung an. Sie besagt, dass die gebotene Menge nachträglich um 20% reduziert wird, womit 20% der höchsten Gebote keinen Zuschlag erhalten.

In dem mehrstufigen Zuschlagsverfahren werden Neu- und Bestandsanlagen getrennt betrachtet. Wie es abläuft, lässt sich an einem Beispiel verdeutlichen: In einer Ausschreibungsrunde werden 300 MW ausgeschrieben. Wenn die Betreiber Gebote für 270 MW abgeben, ist die Runde unterdeckt. In dem Beispiel sollen 80 MW für bestehende Anlagen, 90 MW für neue Anlagen abgegeben worden sein. Wegen der 80/20-Regel reduziert die Bundesnetzagentur von den 90 MW der Neuanlagen das ausgeschriebene Volumen um 20% (in diesem Fall 18 MW). Also erhalten nur so viele der günstigsten Gebote einen Zuschlag, bis 72 MW erreicht sind. Bei den bestehenden Anlagen reduziert sich die ausgeschriebene Menge um 36 MW.

Die 80/20-Regelung ist höchst umstritten. Denn sie macht das Ausschreibungsverfahren noch intransparenter und erhöht das Risiko, dass man keinen Zuschlag erhält. „Viele Betreiber werden sich gegenseitig unterbieten, um sicher einen Zuschlag zu bekommen. Aber hierfür haben sie wirtschaftlich kaum Spielraum“, warnt Loibl. Schon in diesem Jahr könnte damit die höhere Ausschreibungsmenge von 600 MW zum Bumerang werden. Denn noch ist die Zahl der Anlagen, die in die zweite Vergütungsperiode wechseln kann, gering. Es ist also wahrscheinlich, dass die Menge von 300 MW pro Runde nicht ausgeschöpft wird.

Was bedeutet Südquote?

Ab dem Jahr 2022 müssen 50% der Zuschläge an Gebote aus einer genau umrissenen Südregion vergeben werden, zu der viele Landkreise in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland gehören. Gibt es weniger Gebote aus dem Süden, werden die Mengen aus dem Norden, die über die 50% hinausgehen, für eine Ausschreibung drei Jahre später übertragen.

Aber: 60% der in Deutschland installierten Biogasanlagenleistung steht im Norden. Das bedeutet auch, dass entsprechend viele Betreiber nach Auslaufen der EEG-Vergütung eine Verlängerung beantragen könnten. Wenn es zu wenig Gebote aus dem Süden gibt, wird das ungenutzte Volumen nicht auf den Norden übertragen. „Wir werden hier also nach und nach einen Rückbau von Anlagen erleben“, erklärt Rostek. Das wäre auch fatal für die Branche: Vertreter norddeutscher Hersteller- und Servicefirmen befürchten einen Rückgang von Aufträgen, da sie nur regional tätig sind. Das würde zum Verlust von Arbeitsplätzen führen.

Nutzung von Solarstrom

Beim Wechsel in die zweite Vergütungsperiode dürfen Sie BHKW-Strom nicht mehr zur Eigenstromversorgung außerhalb der Anlage nutzen. Erlaubt ist lediglich, Komponenten wie BHKW, Pumpen oder Rührwerke damit zu betreiben. „Wer dagegen den kompletten Biogasstrom einspeist, kann beispielsweise Solarstrom zur Versorgung der Anlagenkomponenten nutzen“, sagt Loibl. Mit dem EEG 2021 sind Solaranlagen bis 30 kW bei Eigenstromnutzung von der EEG-Umlage befreit. Das erleichtert die Eigenstromnutzung.

Fazit zum EEG 2021

  • Der rückwirkende Wegfall des Flexzuschlags für Altanlagen führt zu einer großen Verunsicherung der Betreiber. Wie Praktiker mitteilen, werden viele unter diesen Voraussetzungen auf eine bedarfsgerechte Stromerzeugung verzichten.
  • Die instransparente 80/20-Regelung und die Südquote machen die Gebotsabgabe zu einem großen Risiko, da die ausgeschriebene Menge je Runde erst im Nachhinein feststeht. Anstatt für mehr Wettbewerb in der Ausschreibung zu sorgen, könnte das dazu führen, dass noch weniger Betreiber teilnehmen und das Ziel der Regelung ins Gegenteil verkehren.
  • Die Südquote könnte dafür sorgen, dass die installierte Leistung im Norden allmählich zurückgebaut wird. Denn hier stehen 60% der in Deutschland installierten Leistung. Kommt zu wenig gebotene Leistung aus dem Süden, wird das ungenutzte Volumen nicht auf Norddeutschland übertragen.

hinrich.neumann@topagrar.com

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