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Biokraftstoffe: Hoffnung für heimische Rohstoffe

Lesezeit: 7 Minuten

Ab 2022 gilt das neue Gesetz zur Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungsquote. Biokraftstoffe werden damit – anders, als zunächst befürchtet – nicht abgeschafft.


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Der Bundestag hat im Mai und im Juni zwei wichtige Gesetze verabschiedet, die große Auswirkungen auf den Biokraftstoffabsatz haben:


  • Das novellierte Klimaschutzgesetz,
  • das neu beschlossene Gesetz zur Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungs-Quote (THG-Quotengesetz).


Das Klimaschutzgesetz


Die Novellierung des Klimaschutzgesetzes war notwendig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht im März die bisherige Fassung als verfassungswidrig eingestuft hatte. Zudem hat die EU ihre Klimaziele verschärft. Beides nahm die Bundesregierung zum Anlass für eine Korrektur. Im Verkehr soll die Minderung gegenüber 1990 jetzt 48% anstelle von 42% betragen. Im Jahr 2020 lag sie erst bei 11%.


Das THG-Quotengesetz


Dieses hat der Bundestag am 20. Mai verabschiedet. Es wird nach der Zustimmung des Bundesrates voraussichtlich im September in Kraft treten und ab 2022 gelten.


Mit dem Gesetz setzt die Regierung die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (RED II) in deutsches Recht um. Es bestimmt, wie viel und welche Biokraftstoffe bis zum Jahr 2030 zum Klimaschutz beitragen sollen. Dafür werden Vorschriften wie die 38. Bundes-Immissionsschutzverordnung (BImSchV) geändert.


Die RED II gibt den Mitgliedstaaten vor, dass der Anteil erneuerbarer Energien im Verkehrssektor bis ins Jahr 2030 auf mindestens 14% am gesamten Energieverbrauch steigen muss. Deutschland könnte die EU-Vorgaben jetzt übertreffen.


Höhere THG-Quote


Seit dem Jahr 2015 gibt es in Deutschland die Treibhausgasminderungsquote. Sie schreibt vor, dass Mineralölunternehmen die THG-Emissionen ihres im Jahr verkauften Kraftstoffs um einen bestimmten Prozentsatz gegenüber einem gesetzlichen Referenzwert senken müssen. Die Quote lag im Jahr 2020 bei 6%. Mit dem neuen Gesetz steigt sie von 7% im Jahr 2022 schrittweise auf 25% im Jahr 2030 an.


Die Minderung können die Unternehmen erreichen, indem sie u.a. Biokraftstoffe wie Biodiesel oder Bioethanol zu fossilem Kraftstoff beimischen, Biomethan als Kraftstoff verkaufen oder am THG-Quotenhandel teilnehmen. Verfehlen sie ihr Ziel, droht eine Strafzahlung von 600 €/t CO2. Bislang waren es 460 €/t.


Weitere Details des Gesetzes:


  • Ab 2023 wird Biodiesel, der aus Palmöl produziert wurde, nicht mehr auf die Quotenverpflichtung angerechnet. Schon im Jahr 2022 wird der anrechenbare Anteil auf 0,9% der verkauften Energiemenge begrenzt.
  • Der Anteil der Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse wird auf 4,4% (bezogen auf den Endenergieverbrauch) beschränkt. Dabei wird der Ausschluss von Palmöl nicht eingerechnet.
  • Es gibt eine verpflichtende Unterquote für fortschrittliche Biokraftstoffe (z.B. Biomethan aus Gülle oder Stroh), die von 0,1% im Jahr 2021 auf 2,6% (bezogen auf den Energieinhalt) im Jahr 2030 ansteigt. Unterquote bedeutet: Diesen Anteil müssen Mineralunternehmen zusätzlich zur THG-Quote erreichen.
  • Übersteigt die in Verkehr gebrachte Menge an fortschrittlichen Biokraftstoffen diese Vorgabe, kann die Übermenge doppelt auf die THG-Quotenverpflichtung des Unternehmens angerechnet werden.
  • Einige Erfüllungsoptionen werden zum besseren Marktanreiz mehrfach angerechnet, z.B. grüner Wasserstoff (zweifach) oder der Ladestrom für Elektrofahrzeuge (dreifach).
  • Anders, als beim heutigen System, werden die Optionen zur Erfüllung der THG-Minderungsquote aus fossilen Energien oder aus Rest- und Abfallstoffen stärker eingeschränkt oder laufen sogar ganz aus.


Raps ist Gewinner


Den kontinuierlichen Anstieg auf 25% der THG-Quote bewertet die Biokraftstoffbranche genau wie die Obergrenze für Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse positiv. „4,4% entspricht dem heutigen Stand mit einer Anbaufläche von 1,2 bis 1,3 Mio. ha in Deutschland. Damit bleibt der Anbau von Raps und anderer Pflanzen für die Biokraftstoffproduktion gesichert“, sagt Stephan Arens, Geschäftsführer der Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen (UFOP).


Im Jahr 2020 haben die Mineralölunternehmen in Deutschland ca. 3 Mio. t Biodiesel und Hydriertes Pflanzenöl (HVO) zur Erfüllung der THG-Quote benötigt. Allein das Palmölverbot wird die Nachfrage nach Biodiesel aus Raps erhöhen, erwartet Arens. Palmöl als Rohstoff macht zwar bei in Deutschland produziertem Biodiesel nur 2% aus, Rapsöl kommt auf einen Anteil von etwa 57%. Doch EU-weit sieht es anders aus: Bei einer Biodieselproduktion von rund 15 Mio. t lag der Palmölanteil im Jahr 2019 bei 30%, Raps dagegen bei 38%. In Italien, Spanien und in den Niederlanden ist importiertes Palmöl für die Biodieselproduktion Rohstoff Nr. 1.


Neu ist auch die Möglichkeit, nach der RED II erneuerbare Komponenten in Kerosin für den Flugverkehr auf die Quote im Verkehr anrechnen zu lassen. „Eingesetzt wird Biokerosin aus Abfallölen und -fetten“, sagt Arens. Diese Rohstoffe stünden dann für die Biodieselherstellung nicht mehr zur Verfügung. Die UFOP erwartet, dass die Biodieselindustrie infolgedessen Biodiesel aus Rapsöl herstellen muss.


Biosprit contra Strom


Mit einem Anteil von nur 7,3% erneuerbarer Energien hat der Verkehrssektor in Deutschland noch einen weiten Weg vor sich. Dabei haben Biokraftstoffe im Jahr 2020 nach Schätzung der UFOP ca. 12 Mio. t CO2 eingespart und sind damit heute die wichtigste Klimaschutzoption im Straßenverkehr. Allein mit der aktuellen Produktionskapazität von 4,5 Mio. t für Biodiesel in Deutschland ließen sich heute 12% des Dieselverbrauchs ersetzen.


Strom aus erneuerbaren Energien machte dagegen nur 12% der Erneuerbaren im Verkehr aus und wird aktuell fast nur im Schienenverkehr eingesetzt. Biokraftstoffe sind also keine Alternative zum Strom, sondern ein Ersatz für fossile Treibstoffe.


Billigmacher biosprit?


Es gibt Befürchtungen, dass die höhere THG-Quote zu einem Preisanstieg an der Tankstelle führen wird. „Das Gegenteil ist der Fall“, sagt Stephan Arens (UFOP). Denn fossile Kraftstoffe werden seit Anfang des Jahres mit einem CO2-Aufschlag verteuert. Dieser steigt in den nächsten Jahren kontinuierlich an (siehe Übersicht auf Seite 116). „Da er nur für die fossilen Kraftstoffe gilt, wirken beigemischte Biokraftstoffkomponenten preisdämpfend“, sagt er.


Schub für Biogasanlagen


Das THG-Quotengesetz wird sich auch stark auf den Biogasmarkt auswirken (siehe Interview in top agrar 7/2021, Seite 92). Denn die RED II bescheinigt Biogas aus Gülle eine hohe Treibhausgasminderung. Das hat die Bundesregierung mit dem THG-Quotengesetz übernommen. „Wir sehen sehr gute Entwicklungsmöglichkeiten für Biomethan aus Gülle oder Stroh, weil sie hohe THG-Minderungsgutschriften mitbringen“, sagt Udo Hemmerling, stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes und Vorstandsmitglied im Bundesverband Bioenergie.


Auch die Höhe der Unterquote für diese fortschrittlichen Biokraftstoffe böten genügend Potenzial. Das sieht auch die Wirtschaft so: Die Verbio AG, größter Hersteller von Biomethan aus Stroh in Deutschland, sieht dank der Beschlüsse wieder ein investitionsfreudiges Umfeld. Das Unternehmen, das in den Werken Schwedt und Pinnow 80000 t Stroh im Jahr zu Biomethan verarbeitet, hält es laut aktuellen Studien für möglich, dass in Deutschland 20 Mio. t überschüssiges Stroh für die energetische Nutzung zur Verfügung steht. „Das sind ausreichend Rohstoffe, um bis zu 10 Mio. Mittelklasse-PKW bzw. bis zu zwei Drittel der schweren LKW im Fernverkehr mit Bio-CNG und Bio-LNG klimaneutral zu betreiben“, sagt Verbio-Chef Claus Sauter.


Anreiz zur Umrüstung


Das Nadelöhr beim Absatz ist jetzt allerdings der Fahrzeugbestand, weil für den Kraftstoff ein Antrieb für Gas (CNG) oder Flüssiggas (LNG) nötig ist. „Wir setzen hier auf die gekoppelte Wirkung mit der CO2-Besteuerung, die konventionelle Kraftstoffe verteuert. Es wird sich also für Verbraucher, aber vor allem für Spediteure lohnen, auf Gasantrieb umzustellen“, erwartet Hemmerling. Die Produktion von Biomethan als Kraftstoff könnte damit so attraktiv werden, dass es eine Umstellungsoption für Biogasanlagen wird, die das Ende des zwanzigjährigen Vergütungszeitraums nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erreichen.


Auch für Landwirte wird Diesel teurer. „Neben dem Preisanstieg spielt auch eine Rolle, dass die Landwirtschaft als Sektor auch Treibhausgase einsparen muss“, erklärt Arens. Darum könnte der Einsatz von Pflanzenöl, Biodiesel oder Biomethan in Landmaschinen wichtiger werden.


Weitere nötige Schritte


Laut UFOP müssen jetzt Vorschriften wie z.B. die 10. BImSchV geändert werden, um die Kappungsgrenze für Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse von 4,4% bis 2030 ausschöpfen zu können. Denn der wachsende Anteil von Elektrofahrzeugen könnte den Bedarf an flüssigen Kraftstoffen verringern. Damit das nicht passiert, sollte laut UFOP der Beimischungsanteil von Biodiesel in Diesel bzw. von Bioethanol in Benzin steigen. Wie die Erfahrung anderer Länder zeigt, wäre das technisch umsetzbar. Ebenso müsste die Steuerbefreiung für die Verwendung von Biokraftstoffen in der Land- und Forstwirtschaft verlängert werden. „Hilfreich wäre auch, wenn Fahrzeughersteller den Einsatz von Biokraftstoffen auf ihre CO2-Flottengrenzwerte anrechnen dürften“, sagt Arens.


Mit der Verabschiedung der beiden Gesetze ist also erst der Anfang gemacht. Die Energiewende im Verkehrssektor hat noch einen weiten Weg vor sich.


hinrich.neumann@topagrar.com

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