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​Biomethan als Kraftstoff: LNG oder CNG?

Lesezeit: 9 Minuten

Der Einstieg in die Kraftstoffproduktion ist derzeit so attraktiv wie nie zuvor. Doch neben Chancen gibt es auch einige Herausforderungen für Biomethanerzeuger.


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Der Biokraftstoffmarkt wird immer mehr zu einer Alternative für Biogasanlagenbetreiber. „Während das EEG 2023 wenig Perspektiven für Biogasanlagen bietet, waren die Bedingungen im Kraftstoffmarkt noch nie so gut wie heute“, erklärt Horst Seide, Präsident des Fachverbandes Biogas. Aktuell fließen von den 100 Terawattstunden (TWh) Biogas in Deutschland knapp 1 TWh in den Kraftstoffmarkt.


Das könnte sich laut Seide aber schnell ändern. Denn es gibt derzeit weit über 100 Projekte in Deutschland, bei denen Landwirte und andere Interessierte eine Biomethananlage neu bauen oder bestehende Anlagen auf die Biomethanerzeugung umrüsten wollen.


Beim Verkauf von Biomethan als Kraftstoff sind zahlreiche rechtliche Vorgaben zu beachten, wie z.B. eine Zertifizierung nach der Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung für die Rohstoffe sowie den gesamten Herstellungsprozess. „Zudem gibt es im Rahmen des Gasnetzzugangs Vorgaben für die Gasqualität bei der Einspeisung ins Gasnetz“, erläutert Dirk Bonse, Leiter der Stabstelle Erneuerbare Gase beim Fachverband Biogas.


Zwei Kraftstoffvarianten


Im Kraftstoffmarkt gibt es zwei Gasvarianten, die derzeit gefragt sind:


  • CNG (Compressed Natural Gas): Das Gas ist hierbei auf bis zu 250 bar komprimiert und wird in Flaschen im Fahrzeug mitgeführt. Wird es auf Basis von Biomethan hergestellt, spricht man von Bio-CNG.
  • LNG (Liquefied Natural Gas): Das Gas wird auf mindestens -161 °C abgekühlt und so verflüssigt. Es wird gekühlt getankt. Vorteil: Die Energiedichte ist ähnlich der von Diesel und damit deutlich höher von CNG. Mit zwei 540 l-Tanks kann ein Lkw mit einer Tankfüllung bis zu 1600 km weit fahren.


Heutiger Gaskraftstoff wird überwiegend aus Erdgas hergestellt. Auf Basis von Biomethan spricht man von Bio-CNG oder Bio-LNG.


Nachfrage nach CNG sinkt


Der Markt für beide Kraftstoffarten entwickelt sich allerdings sehr unterschiedlich. CNG lässt sich in entsprechenden Fahrzeugen nutzen, sowohl in Lkw als auch in Pkw. Die Tankstelleninfrastruktur ist etabliert und gut ausgebaut.


Allerdings ist CNG als Kraftstoff politisch hinter der Elektromobilität zurückgefallen. Mehr und mehr Autohersteller haben sich aus dem Bereich zurückgezogen, es gibt nur noch wenig Fahrzeuganbieter. In Deutschland fahren zurzeit 80000 Gas-Pkw. Dazu kommen 20000 Liefer-Kfz und Busse.


LNG für Lkw


Der Fokus beim LNG liegt auf dem Schwerlast- und Schiffsverkehr. „Nicht nur die Fahrzeughersteller und Speditionen sehen hierin einen Zukunftsmarkt, sondern auch die EU-Kommission“, erklärt Bonse. So sind u.a. im Klimaschutzpaket „Fit for 55“ oder in der „Alternative Fuels Infrastructure Directive“ der EU-Ausbauziele für die LNG-Infrastruktur genannt. „Bis 2030 werden gasbetriebene Fahrzeuge die einzige marktreife Technologie sein, die eine deutliche CO2-Reduktion im Schwerlastverkehr verspricht. Speditionen haben das bereits erkannt. Die starke Nachfrage von LNG-Lkw führte seit 2019 zu einem extrem starken Wachstum des LNG-Absatzes“, erläutert beispielsweise Dr. Timm Kehler, Vorstand des Branchenverbandes „Zukunft Gas“ und Präsident der Natural & bio Gas Vehicle Association (NGVA Europe).


Bis März 2021 hatte die Bundesregierung die Umrüstung der Lkw-Flotten auf LNG bezuschusst. Im Förderprogramm „Energieeffiziente und/oder CO2-arme schwere Nutzfahrzeuge (EEN)“ wurden laut Initiative „Zukunft Gas“ bis Ende des Jahres 2020 insgesamt 5034 Fahrzeuge beantragt. Darunter waren 4355 LNG-Lkw – eine Quote von 87 %. Weitere 12 % seien auf CNG-Lkw (602 Fahrzeuge) entfallen.


Mautbefreiung läuft aus


Ein weiteres Plus aus Sicht der Transporteure ist die Mautbefreiung für erdgasbetriebene Lkw. Allerdings gilt diese seit 1. Oktober 2021 nur noch für Erdgas-Fahrzeuge, die werkseitig für den Betrieb mit CNG, LNG oder als Zweistoffmotor mit LNG/Diesel ausgeliefert wurden, nicht mehr für nachgerüstete Lkw. Aktuell gibt es rund 3000 LNG-Lkw in Deutschland.


Auch die Zahl der LNG-Tankstellen wächst: Sie ist von vier im Jahr 2019 auf 109 im März 2022 gestiegen, 52 weitere sind in Planung.


Mehr Produktionsanlagen


Erste Bio-LNG Produktionsanlagen wurden bereits in mehreren Ländern wie Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Belgien und den Niederlanden in Betrieb genommen, weitere befinden sich in der Planung. In Deutschland ist laut einer Befragung des Verbandes Zukunft Gas ab 2023 mit einem signifikanten Anteil Bio-LNG im Markt zu rechnen. Die weitere Entwicklung wird allerdings stark von den rechtlichen Rahmenbedingungen abhängen wie der Fortführung der Mautbefreiung nach 2023, der Förderung von Gasfahrzeugen und energiesteuerlichen Regelungen. Zudem setzt die Bundesregierung selbst weniger auf heimisches LNG, sondern eher auf den Import (s. Info „LNG-Import“, S. 9).


Verkauf von Quoten und CO2


Eine weitere Erlösoption für Biomethanproduzenten sind Treibhausgasminderungsquoten (THG-Quoten). „Der Handel mit THG-Quoten bringt inzwischen einen zwei- bis dreifachen höheren Umsatz als das Tankstellengeschäft“, rechnet Bonse vor. Besonders bei der Vergärung von Gülle und Mist ist die THG-Bilanz sogar negativ und damit die THG-Quote sehr hoch. Aktuell liegt der Preis bei über 20 ct/kWh (Brennwert). Käufer sind Tankstellenbetreiber oder Mineralölkonzerne.


Eine weitere Einnahmequelle könnte CO2 werden, das bei der Gasaufbereitung von Biogas zu Biomethan anfällt. Abnehmer könnten die Lebensmittelindustrie oder Betreiber von Gewächshäusern sein.


Für den Einstieg in die Biomethanerzeugung gibt es jedoch verschiedene Wege. Denn nicht jede Anlage liegt strategisch günstig an einer Gasleitung oder ist groß genug, damit sich eine eigene Aufbereitung rechnet. Dazu kommt der Zugang zum Kraftstoffmarkt, für dessen Erfolg verschiedene Faktoren gehören.


Optionen für den Einstieg


Folgende Möglichkeiten stellt Bonse als denkbar heraus:


  • Verkauf von Rohbiogas an Händler,
  • Aufbereitung von Biogas zu Biomethan und Einspeisung ins Erdgasnetz,
  • eigene Hoftankstelle für die eigene Nutzung oder zum Verkauf,
  • Produktion von Bio-LNG durch Verflüssigung von Biomethan,
  • Bündelung mehrerer Anlagen, um das Rohbiogas zu einer zentralen Aufbereitung zu leiten und dort Biomethan sowie bei Bedarf auch Bio-CNG oder Bio-LNG herzustellen.


Eigene CNG-Hoftankstelle


Auch die Eigenversorgung mit Kraftstoff kann lukrativ sein. „Mit einer eigenen Tankstelle bleibt mehr Wertschöpfung auf dem Hof“, sagt Alexey Mozgovoy, zuständig für die Geschäftsentwicklung bei PlanET Biogastechnik aus Gescher. Während Diesel an öffentlichen Tankstellen zwischenzeitlich über 2 €/l kostete, lässt sich Bio-CNG einschließlich Energie- und Mehrwertsteuer für 1,30 bis 1,60 €/kg herstellen.


Eine Förderung ist die reduzierte Energiesteuer in Höhe von 40 % des Regelsteuersatzes bis 2023. Zudem entfällt bei Bio-CNG die CO2-Abgabe nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz, die 9,6 ct/kg bei fossilen Kraftstoffen wie CNG oder LNG ausmacht und bis 2026 auf 18 ct/kg ansteigt.


Bei der eigenen Hoftankstelle gibt es heute die Möglichkeit, neben der Verstromung eine kleine Biogasaufbereitung auf Basis der Membrantechnik plus Tankstelle zu errichten. „Damit lassen sich pro Stunde etwa 25 bis 40 m3 Biomethan erzeugen“, rechnet Mozgovoy vor.


Diese Gasmenge reicht für bis zu drei Lkw und ersetzt im Jahr rund 30000 l Diesel. Der Landwirt kann die Anlage selbst finanzieren oder auch mit Investoren kooperieren. „Daneben sind aber auch Neubau einer Biomethananlage oder der komplette Umstieg von der Strom- auf die Kraftstofferzeugung denkbar“, sagt Mozgovoy.


Zur Absicherung der Wirtschaftlichkeit rät er dazu, in der Nähe der Tankstelle Unternehmen mit kleinen Fahrzeugflotten anzusprechen, um sie als Kunden zu gewinnen. Das könnten unter anderem Bäckereien, Busunternehmen, Speditionen usw. sein.


„Außerdem muss langfristig sichergestellt sein, dass genügend Rest- und Abfallstoffe wie Wirtschaftsdünger, Abfall aus dem Obst- und Gemüseanbau etc. als Rohstoff für die Biogaserzeugung vorhanden sind“, sagt er.


verflüssigung von Biomethan


Eine andere Möglichkeit ist es, Biomethan zu erzeugen und in einer Großanlage im Lohn zu LNG verflüssigen zu lassen. „Das Verfahren ist besonders interessant für Biogasanlagen, die aus der ersten EEG-Periode fallen“, sagt Jörg Fischer vom Anlagenhersteller EnviTec Biogas.


Hierfür wird das Gas zunächst ins Gasnetz eingespeist und dann bilanziell am Ort der Verflüssigung wieder entnommen. Das bietet dem Biomethanerzeuger mehrere Vorteile, wie Fischer erläutert:


  • Die Investition in eine eigene Verflüssigungsanlage mit entsprechenden Gefahrgutauflagen entfällt.
  • Ebenso ist keine Betreuung des komplexen Verflüssigungsprozesses nötig.
  • Die Kosten für die Verflüssigung sind günstiger, als wenn der Landwirt selbst in eine Anlage investieren würde.
  • Dennoch behält der Betreiber die Option, den Kraftstoff selbst vermarkten zu können.


„Wer nicht selbst in die Vermarktung von Bio-LNG einsteigen will, kann uns aber auch das erzeugte Biomethan verkaufen“, nennt Fischer eine zusätzliche Option für Biomethanerzeuger.


Vor- und Nachteile


Die vorgestellten Optionen haben Vor- und Nachteile: Wer beispielsweise eine Hoftankstelle für Bio-CNG betreibt, kann nur eine Teilmenge des Gases als Kraftstoff verkaufen. Denn der Absatz schwankt, erklärt Biokraftstoffexperte Hubert Maierhofer vom Netzwerk C.A.R.M.E.N. „Zudem muss der Betreiber viel Marketing betreiben, um den Absatz zu sichern. Das kostet Zeit und Geld“, sagt er.


Bei der LNG-Produktion lässt sich der Kraftstoff dagegen kontinuierlich erzeugen und das fertige Produkt zur Tankstelle liefern.


Für CNG spricht allerdings, dass damit die THG-Quote höher ausfällt. Denn die Verflüssigung ist ein energieaufwendiger Schritt, der bei der CNG-Produktion wegfällt.


„Wir sehen beide Kraftstoffarten als interessant an: CNG im Nahbereich bzw. im Werksverkehr, LNG dagegen im Fernverkehr für Speditionen, die bei Langstreckentransporten mit einer Tankfüllung bis zu 3000 km fahren wollen“, bewertet Harald Sentner vom Landesverband Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen (LBT) die verschiedenen Optionen aus Sicht der Fuhrunternehmen.


LNG-Import


Das plant die Bundesregierung


Die Bundesregierung will künftig mehr verflüssigtes Erdgas (LNG) aus anderen Ländern importieren, um sich unabhängiger von russischem Erdgas zu machen. Dafür sind Importterminals in den niedersächsischen Hafenstädten Wilhelmshaven und Stade geplant. Ein drittes Terminal soll in Brunsbüttel (Schleswig-Holstein) entstehen. Das LNG soll per Schiff angeliefert werden.


Mit einer schwimmenden Plattform (Floating Storage and Regasification Unit, FSRU) soll in Wilhelmshaven schon Ende 2022 das erste Flüssigerdgas importiert werden können. Insgesamt soll allein in Wilhelmshaven eine Importkapazität von 25 Mrd. m³ LNG entstehen. Ab 2024 soll dann das Terminal in Stade fertig sein, ab 2025/26 in Brunsbüttel. „LNG-Terminals helfen, die Versorgungssicherheit in Deutschland und Europa zu erhöhen. Gleichzeitig planen wir die Umstellung auf grünen Wasserstoff bzw. Wasserstoffderivate wie Ammoniak von Anfang an mit. Das betrifft auch den Bau der Wasserstoff- Infrastruktur“, stellt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in Aussicht.


Das Gas dient allerdings nicht nur als Kraftstoff – auch wenn hier die Herausforderungen besonders hoch sind. Die Minderung der Treibhausgase ist für den Verkehrssektor eine der größten Herausforderungen. Lkw haben zwar nur einen Anteil von 6 % aller Fahrzeuge auf deutschen Straßen, verursachen allerdings 30 % der gesamten Verkehrsemissionen, bei steigender Tendenz.


Besserstellung von Bio-LNG


In einem gemeinsamen Positionspapier fordern der Branchenverband der deutschen Gaswirtschaft „Zukunft Gas“ und der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), dass der Einsatz von Biomethan im Transportsektor bei der Revision der EU-Flottengrenzwerte positiv berücksichtigt wird und das Bio-LNG sowohl auf europäischer als auf nationaler Ebene im Rahmen der Eurovignetten-Richtlinie weiterhin eine größtmögliche Mautermäßigung erhält. „Großserien für E-Lkw und Wasserstoff-Lkw werden erst zum Ende dieses Jahrzehnts erwartet. Wenn wir Klimaschutz ernst nehmen, können wir die Hände bis dahin nicht in den Schoß legen“, erklärt BGL-Vorstandssprecher Prof. Dirk Engelhardt.


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