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Biomethan: Der Markt muss schneller wachsen!

Lesezeit: 7 Minuten

Bis zum Jahr 2020 sollen 1 500 Anlagen Biomethan ins Erdgasnetz einspeisen, heute sind es erst 35. Jetzt gibt es heftige Diskussionen darüber, wie wir schneller vorankommen können.


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Heute speisen 35 Biogasanlagen in Deutschland aufbereitetes Biogas ins Erdgasnetz ein. Sie ersetzen etwa 200 Mio. m3 Erdgas, schätzt die Bundesnetzagentur. „Nach jetzigem Planungsstand könnten es bis Ende 2010 etwa 60 Anlagen werden“, stellt Sandra Rostek von der Deutschen Energie-Agentur (dena) in Aussicht. Nach Auswertungen der dena werden die meisten Anlagen in Nordrhein-Westfalen entstehen (siehe Übersicht).


Das hört sich zwar viel an – gemessen an den Zielen der Bundesregierung ist es aber sehr wenig. Denn ab dem Jahr 2020 sollten eigentlich sechs Milliarden Kubikmeter Biomethan jährlich ins Erdgasnetz gehen. „Dafür müssen wir in Deutschland in den nächsten zehn Jahren 1 500 bis 1 800 Anlagen neu bauen oder umrüsten“, rechnet Dr. Gerrit Volk von der Bundesnetzagentur vor. Volk ist Referatsleiter und u.a. für den Zugang zu den Gasverteilnetzen zuständig.


Baurecht hemmt Projekte


Es gibt mehrere Gründe, warum der Markt so langsam vorankommt:


Genehmigung, Netzanschluss und andere rechtliche Hürden sorgen dafür, dass ein Biomethanprojekt bis zu zwei Jahre Vorlaufzeit benötigt.


Das Baurecht für Biogasanlagen passt nicht auf Biomethananlagen.


Es gibt viele Diskussionen mit Netzbetreibern über den Zugang zum Gasnetz.


Es fehlen finanzielle Anreize, damit auch kleinere Anlagen wirtschaftlich Biomethan herstellen können.


Der Absatz von Bio­methan stockt, es fehlen neue Verwertungspfade.


Bei der Genehmigung stellt sich heraus, dass es nur wenig geeignete Standorte gibt. „Typische Einspeiseanlagen benötigen eine Betriebsfläche von zwei bis fünf Hektar in einem Gewerbegebiet. Häufig passt die Biogaserzeugung aber nicht zu anderen Industriebetrieben“, berichtet Dr. Andreas Seebach von der Projektentwicklungsgesellschaft RES Projects aus München.


Auch der Transport von bis zu 45 000 t Biomasse mit mehreren tausend Fahrten jährlich stößt in vielen Gewerbegebieten auf Kritik. Die Ausweisung eines Sondergebietes für Biogas dauert dagegen bis zu acht Monate. Abhilfe könnte laut Seebach eine Änderung des Baugesetzbuches schaffen, um Biogasanlagen entlang der Gaspipelines im Außenbereich privilegiert bauen zu dürfen.


Streit um Gasnetzzugang


Die Diskussion mit dem Netzbetreiber über den Anschlussvertrag kann mehrere Wochen in Anspruch nehmen. „Besser wäre ein Muster-Netzanschlussvertrag“, schlägt Seebach vor.


Einige Vorschriften z. B. zur Gasqualität passen nicht zum Biomethanmarkt und der dezentralen Einspeisung. Mit welchen Schwierigkeiten Praktiker dabei zu kämpfen haben, zeigt folgendes Beispiel: Viele Biomethananlagen liegen in der Nähe von Gasverteilnetzen. Das sind die Netze, die das Gas zum Endkunden transportieren. Sie sind ideal zum Einspeisen von Biomethan gerade bei kleineren Biogasanlagen, da das Gas in ihnen einen niedrigen Druck von etwa 800 Millibar (mbar) hat.


Der Nachteil: Gerade im Sommer, wenn wenig Gas verbraucht wird, können diese Netze unter Umständen nicht das komplette Biomethan aufnehmen. Mehr Kapazitäten hat die nächst höhere Netzklasse, die Transportnetze mit 16 bar Druck. „Wer aber in diese Netze einspeisen will, muss einen 16 bar-Verdichter haben, der bis zu 2 Mio. Euro kosten kann. Auch gibt es für diese Verdichter inzwischen Lieferzeiten von bis zu acht Monaten“, erklärt Seebach.


Nach anfänglichen Diskussionen mit den Gasnetzbetreibern hat sich jetzt folgende Praxis etabliert: Speist eine Bio­methananlage Gas in ein Ortsverteilnetz ein und kann das Netz das Gas nicht komplett aufnehmen, muss der Netzbetreiber das Gas auf eigene Kosten verdichten und in das 16 bar- Transportnetz einspeisen.


Jetzt kommt aber ein neues Problem auf die Verteilnetzbetreiber zu: Vor der Gaseinspeisung muss das Biomethan mit einem Geruchsstoff versehen (odoriert) werden.


Nach Ansicht der Transportnetzbetreiber darf das odorierte Gas aber nicht verdichtet und rückgespeist werden. „Wir müssen jetzt klären, welche Geruchsstoffe wir wie aus dem Gas herausbekommen sollen“, erläutert Jörg Ehmke von der Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg.


Solange diese Frage offen ist, bleibt der Anschluss von Biomethananlagen an das Ortsverteilnetz schwierig.


Die Zahl der Reibungspunkte beim Gasnetzzugang geht noch viel weiter. Daher diskutiert die Branche bereits erste Lösungsvorschläge:


Um landwirtschaftlichen Biogasanlagen den Zugang zum Gasnetz zu erleichtern, regt der Fachverband Biogas ein Gaseinspeisegesetz an (siehe Interview ab S. 12).


Die Vergütung für vermiedene Netzkosten nach der Gasnetzzugangsverordnung in Höhe von 0,7 Cent je kWh könnte für kleine Anlagen erhöht werden.


Der Güllebonus im EEG sollte auch für die Biomethan-Verstromung gelten. Das wäre ein weiterer Anreiz für kleinere Biogasanlagen, in die Gaseinspeisung einzusteigen.


Vermarktung stockt


Das Biomethan lässt sich in Blockheizkraftwerken (BHKW) verstromen, die oft Stadtwerken oder anderen Energieversorgern gehören. „80 bis 90 Prozent des Gases werden zurzeit so genutzt“, erläutert Klaus Huber von dem Handelshaus BMP Greengas aus München.


Abnehmer des Biomethans sind Gashändler. Es gibt aber zunehmend auch neue Dienstleistungen für die Vermarktung (siehe dazu das nebenstehende Interview).


Skepsis gibt es dagegen bei den Endkunden von Bio­methan. Denn wer ein BHKW betreibt und für den Strom die Vergütung nach dem EEG haben will, muss nachweisen, dass das eingekaufte Biomethan auch dazu berechtigt. Ein Beispiel: Wer den Nawaro-Bonus haben will, muss lückenlos nachweisen, dass das Gas auch in entsprechenden Nawaro-Biogasanlagen erzeugt wurde.


Dieser Nachweis ist heute schwierig, Haftungsfragen sind häufig noch ungeklärt. Um diese Rückverfolgbarkeit zu vereinfachen, arbeitet die dena jetzt an einem Zertifizierungssystem.


Ein weiterer Hemmschuh: Biomethan ist als Brennstoff im Moment zu teuer gegenüber Erdgas. „Mit der Stromvergütung für Erdgas nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz können die BHKW-Betreiber mehr verdienen als mit der EEG-Vergütung“, beschreibt Daniel Hölder von dem Energie-Dienstleistungsunternehmen Dalkia. „Erdgas kann man an der Börse für rund 1 Cent je kWh kaufen, Biomethan kostet 8 Cent je kWh“, ergänzt Georg Radlinger von der Erdgas Schwaben GmbH.


Auch der erhoffte Marketingeffekt mit einer Beimischung von Biomethan zum Erdgas als „Ökokomponente“ stellt sich noch nicht ein. Wie Ökogas-Anbieter mitteilen, kaufen Kunden nur dann Erdgas mit Biomethanbeimischung, wenn die Mischung gegenüber herkömmlichem Erdgas billiger ist. Allerdings brauchte auch die Ökostromvermarktung einen langen Atem. Daher sind Insider davon überzeugt, dass die Ökogasvermarktung interessant werden könnte.


Auch noch wenig Potenzial bietet der Absatz im Tankstellenbereich. Denn in Deutschland gibt es erst 77 000 Erdgasfahrzeuge und 850 Erdgastankstellen. „Den Bedarf könnten die wenigen Biomethananlagen derzeit locker decken“, meint Radlinger.


Wärmemarkt öffnen


Daher fordert nicht nur Radlinger, dass das Erneuerbare- Energien-Wärmegesetz geändert werden muss. Nach dem Gesetz muss jeder Hausbesitzer beim Neubau einen bestimmten Anteil erneuerbarer Energien bei der Wärmeversorgung einsetzen.


In der jetzt geltenden Fassung kann der Hausbesitzer die Pflicht mit Biomethan nur dann erfüllen, wenn er das Gas in einem Blockheizkraftwerk verbrennt. Kleine BHKW für das Einfamilienhaus sind aber noch Mangelware am Markt. Die Forderung der Branche: Die Pflicht zum BHKW sollte entfallen, damit Biomethan auch in herkömmlichen Gasbrennwertkesseln verbrannt werden kann.


In diese Richtung gehen die Vorschläge von CDU und FDP im Koalitionsvertrag. Darin heißt es, die Bundesregierung wolle „die Biogas-Einspeisung im Erneuerbare-Wärmegesetz verbessern“.


Auch die geplante Änderung der Gasnetz-Zugangsverordnung geht in diese Richtung. „Der Gesetzgeber will den Passus in der Verordnung streichen, der vorschreibt, dass Biomethan vorrangig in der Kraftwär-mekopplung oder als Kraftstoff genutzt werden muss“, stellt Volk von der Bundesnetzagentur in Aussicht.


Kritiker halten dem Aufweichen von der BHKW-Pflicht entgegen, dass Biomethan bei der Verbrennung nicht effizient genutzt wird. Auch reicht es nicht aus, Biomethan nur in neuen Häusern einzusetzen, die Absatzmenge wäre viel zu klein. „Wir müssen die Pflicht zum Einsatz erneuerbarer Energie auch bei Sanierungen im Altbau einführen“, fordert Dirk Becker, für Energiepolitik zuständiger Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion.


Die Bundesregierung will Ende Mai 2010 prüfen, inwieweit Deutschland den selbst gesteckten Biomethanzielen näher gekommen ist und wo Korrekturberdarf besteht. Dafür muss die Bundesnetzagentur einen Bericht vorlegen.


Fazit


Die Einspeisung von Biomethan ins Erdgasnetz nimmt stetig zu. Derzeit sind 35 Anlagen am Netz. Damit Deutschland aber die selbst gesteckten Ziele bis zum Jahr 2020 erreicht, müssten in den kommenden zehn Jahren mindestens 1 500 neue Biomethananlagen gebaut werden.


Für ein schnelleres Marktwachstum fordert die Branche, dass der Gesetzgeber Hemmnisse im Baurecht und im Gasnetzzugang ausräumt. Auch bei der Vermarktung des Biomethans stoßen die Händler heute schon an Grenzen.


Branchenvertreter fordern daher, den Absatz von Biomethan auch zum Heizen stärker anzuregen – z. B. über eine Änderung des Erneuerbare-Wärmegesetzes. Hinrich Neumann

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