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„Biomethan im Tank bleibt interessant“

Lesezeit: 6 Minuten

Horst Seide, Präsident des Fachverbandes Biogas und Biomethan-Tankstellenbetreiber, erläuterte im Gespräch mit top agrar, wie Biogas-erzeuger mit dem Gasverkauf Geld verdienen können.


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Erdgas an der Tankstelle kostet zurzeit rund 1,6 Cent pro Kilowattstunde, Biomethan aus Rest- und Abfallstoffen 6 Cent. Wie schaffen Sie es dennoch, das grüne Gas als Kraftstoff (CNG) zu vermarkten?


Seide: Das geht, weil ich nicht nur Biomethan als CNG, sondern auch Zertifikate über die Treibhausminderung verkaufe. So widersinnig es klingt: Dabei spielt uns der niedrige Ölpreis in die Hände.


Wie funktioniert das?


Seide: Die Bundesregierung hat Anfang 2015 eine Treibhaus-Minderungsquote für Biokraftstoffe eingeführt. Danach muss die Mineralölwirtschaft nachweisen, dass sie die Treibhausgase ab Anfang 2015 beim Verkauf von Kraftstoff um 3,5 % gegenüber fossilem Benzin oder Diesel reduziert. Tut sie das nicht, muss sie eine empfindliche Strafe zahlen. Die THG-Minderung schafft sie, indem sie Biodiesel oder Bioethanol einkauft und beimischt, das ist technisch die einfachste Variante. Die Beimischung von 7 % Biodiesel zum fossilen Diesel und 5 bzw. 10 % Ethanol zu Benzin reicht aus, um die Quote zu erfüllen, Biomethan ist dafür nicht nötig. Alternativ könnten die Konzerne aber auch Zertifikate, also den Nachweis kaufen, dass an anderer Stelle Treibhausgase eingespart wurden. Wenn ich Biomethan herstelle und an der Tankstelle verkaufe, reduziere ich freiwillig eine bestimmte Menge THG. Diese Einsparung muss man sich von einem zertifizierten Unternehmen quittieren lassen. Dann kann ich sie der Mineralölindustrie verkaufen.


Warum ist der niedrige Ölpreis von Vorteil?


Seide: Die Mineralölkonzerne handeln betriebswirtschaftlich. Bei dem niedrigen Ölpreis ist der Preisabstand zu Biodiesel und Bioethanol sehr hoch, was bedeutet, dass die Industrie für die THG-Minderung derzeit viel Geld bezahlt. Darum haben sie großes Interesse an günstigeren THG-Einsparungen. Der Preis für die Zertifikate, die ich verkaufen kann, ist zwar Verhandlungssache. Aber ich brauche nur etwas unterhalb des Biodiesel- oder Ethanolpreises zu bleiben, um gute Absatzchancen zu haben.


Welche Erlöse sind bei dem Quotenverkauf möglich?


Seide: Derzeit wird das Zertifikat über die Einsparung einer Tonne CO2-Äquivalent mit 230 € gehandelt. Das sind umgerechnet je nach THG-Einsparung bei der Biomethanproduktion etwa 5 bis 6 ct/kWh. Das heißt, dass der Quotenverkauf den Preisabstand zwischen Erdgas und Biomethan an der Tankstelle mehr als wettmacht.


Wie wird sich die Nachfrage nach den Zertifikaten entwickeln?


Seide: Genau lässt sich das natürlich nicht sagen. Aber da sich die THG-Quote bis 2020 auf 6 % erhöht, müssen die Mineralölfirmen immer mehr THG-Emissionen reduzieren. Das könnte dafür sprechen, dass die Nachfrage nach Zertifikaten hoch bleibt. Alle Verbände aus der Biokraftstoffbranche drängen schon länger darauf hin, dass die Quote allmählich angehoben wird und nicht, wie geplant im Jahr 2020 einen Sprung von 4 auf 6 % macht. Eine langsame, jährliche Steigerung wäre deutlich besser für den Biomethanabsatz.


Sie produzieren Biomethan aus Reststoffen der Lebensmittelindustrie. Inwieweit lässt sich Biomethan als Kraftstoff auch aus Energiepflanzen herstellen?


Seide: Biomethan aus Abfällen ist momentan deshalb so interessant, weil man damit rein rechnerisch deutlich mehr Emissionen einspart als bei Energiepflanzen. Aber das Potenzial ist begrenzt. Ich habe selbst nicht genug Abfallgas für die vier Tankstellen und muss schon etwas von anderen Anlagen dazukaufen. Daher bin ich bemüht, die Emissionen im Energiepflanzenanbau zu senken, um auch damit mehr Zertifikate verkaufen zu können. Das geht, wenn man nur noch organisch düngt, Pflanzenschutzmittel mit weniger Aufwand verwendet oder beim Schlepper von Diesel auf Pflanzenölsprit umsteigt. Auch könnte ich das CO2, das ich bei der Biomethanproduktion vom Rohbiogas abscheide, verkaufen und weitere Emissions-Zertifikate generieren.


Wie hat sich jetzt im ver-gangenen Jahr die Nachfrage nach Biomethan an der Tankstelle entwickelt?


Seide: Im Jahr 2014 hatten wir in Deutschland 300 Tankstellen, die Biomethan in unterschiedlichen Anteilen mitverkauft haben, der Anteil des „grünen“ Gases am Erdgas-Absatz lag bei 20 %. Aber da viele Tankstellenbetreiber nicht wussten, wie sich der Zertifikatehandel entwickelt, haben etliche wieder auf Erdgas umgestellt. Auch der niedrige Ölpreis hat einen Anteil daran, denn deswegen wurden weniger Gasfahrzeuge verkauft.


Welche Erfahrungen haben Sie persönlich mit Ihren vier Tankstellen gemacht?


Seide: Pro Tag tanken an allen vier Tankstellen etwa 120 Fahrzeuge, also ca. 30 pro Zapfsäule. Trotz des niedrigen Ölpreises ist Biomethan bzw. Erdgas immer noch der günstigste Kraftstoff, daher brauchte ich die Preise nicht zu senken. Wir haben allerdings bei uns im Landkreis Lüchow-Dannenberg eine Sonderrolle, da bei uns die Dichte an Gasfahrzeugen sehr hoch ist. Fast 2 % der Fahrzeuge fahren bei uns mit Erdgas bzw. Biomethan, damit ist die Dichte zehnmal so groß wie im Bundesdurchschnitt. Dafür war viel Aufklärungsarbeit nötig. Den Absatz muss man sich erarbeiten mit vielen persönlichen Gesprächen mit Autohändlern, Tankstellenbetreibern, Verbrauchern sowie Marketingaktionen und ständiger Pressearbeit.


Es gibt einen Trend zu kleinen Hoftankstellen, die Biomethan anbieten. Haben diese überhaupt eine Chance auf dem Markt?


Seide: Auf jeden Fall! Hauptabnehmer für das Gas könnten Traktoren werden. Eine Befüllung bringt den gleichen Umsatz wie fünf bis sechs Autos. Wenn dann noch ein bis zwei Gasfahrzeuge dazukommen, kann sich auch eine kleine Tankstelle auf dem Land rechnen. Wir haben 8 000 Bio­gasanlagen und bei jeder gibt es auch ein bis zwei Traktoren, Radlader usw., da wäre also viel Absatzpotenzial. Die ersten Modelle von Steyr, Valtra und Deutz-Fahr sind ja als Prototypen auf dem Markt. Wenn die Hersteller diese serienreif anbieten, wird es eine Nachfrage geben, bin ich überzeugt.


Welche weiteren Perspektiven sehen Sie für Biomethan-Sprit?


Seide: Viele Hoffnungen ruhen auf der Verflüssigung von Biomethan zu LNG (Liquid Natural Gas). Denn derzeit fahren fast ausschließlich Pkw mit CNG. Diese könnten künftig aber auch elektrisch fahren, sodass uns ein Absatzweg wegbrechen würde. Mit der Verflüssigung zu LNG wird das Gas aber für den Schwerlastverkehr sowie für See- und Binnenschiffe interessant. Ein Lkw verbraucht so viel Gas wie 100 Pkw. Das könnte also schnell ein großer Absatzkanal werden. Das ist dann auch für Betreiber von größeren Biomethanaufbereitungsanlagen interessant: Eine Verflüssigungsanlage lohnt sich nach heutiger Rechnung schon ab einer Biomethanmenge von 700 m3 pro Stunde.

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