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Biomethan statt Strom: Lohnt sich der Wechsel?

Lesezeit: 7 Minuten

Der Biomethanverkauf vor allem als Kraftstoff könnte eine Alternative zur Stromerzeugung sein. Ob sich der Markt entwickelt, hängt jetzt von der Politik ab.


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Wenn nach 20 Jahren die Vergütung nach dem EEG ausläuft, überlegt der eine oder andere Biogasanlagenbetreiber: Soll ich weiter Strom produzieren oder die Anlage auf die Biomethanproduktion umstellen? Statt des BHKW wäre dafür eine Gasaufbereitung nötig, mit deren Hilfe das CO2 aus dem Biogas entfernt und das Gas auf Erdgasqualität gebracht wird.


Der Energieträger lässt sich als Erdgasersatz sehr flexibel im Gasnetz, an Tankstellen oder in Gaskraftwerken einsetzen.


Nach einer Studie der Deutschen Energieagentur (dena) gibt es dafür erhebliches Potenzial: Auch mit Berücksichtigung des nötigen Anbaus von Nahrungs- und Futtermitteln ließe sich die Biomethanproduktion von heute 10 Terawattstunden (TWh) auf um die 100 TWh steigern. Der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfachs (DVGW) geht sogar von 214 bis 414 TWh aus. Zusammen mit synthetischen Kraftstoffen wie Wasserstoff oder Methan (Power-to-Gas) könnte Deutschland knapp die Hälfte seines heutigen Erdgasbedarfs mit diesen Quellen decken.


Vielseitig einsetzbar


Ein weiterer Vorteil laut dena: Biomethan kann je nach Bedarf vielseitig im Strom-, Wärme- und Kraftstoffmarkt eingesetzt werden. Langfristig sieht die dena Bio-CNG (komprimiertes Biomethan) und Bio-LNG (flüssiges Biomethan) als ernstzunehmende Alternative zu fossilen Kraftstoffen im Schwerlast- und Schiffsverkehr: 118 TWh Biomethan reichen aus, um mehr als 12 Mio. Pkw oder 185000 Lkw zu betanken, rund 8 Mio. Einfamilienhäuser zu beheizen oder rund 12,5 Mio. Vier-Personenhaushalte mit Strom zu versorgen.


Ein positives Signal hierfür ist, dass die Bundesregierung die seit 2019 geltende Mautbefreiung für Erdgas-Lkw bis zum 31. Dezember 2023 verlängert hat. „Das könnte auch den Absatz für Biomethan beflügeln“, sagte Alexey Mozgovoy, Biomethanexperte beim Fachverband Biogas.


Zudem hat Biomethan aus Gülle, Stroh und Bioabfällen im Vergleich zu den fossilen Kraftstoffen eine sehr gute Treibhausgasbilanz. Verglichen mit Batteriefahrzeugen, die Strom mit dem heutigen Mix aus dem Netz nutzen, schneiden sie ebenfalls besser ab, zeigt eine Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung im Auftrag des Biogasrates.


Auch das Bundeswirtschaftsministerium erkennt Biomethan als wichtige Alternative zu Erdgas und als Ergänzung strombasierter erneuerbarer Gase an, zeigt die Bilanz des Dialogprozesses „Gas 2030“. Darin haben Unternehmen und Verbände sowie Vertreter aus Wissenschaft und Politik die mittel- und langfristigen Nutzungsoptionen von Gas diskutiert und hierbei insbesondere den Beitrag erörtert, den erneuerbare Gase zum Erreichen der Klimaziele im Wärme- und Verkehrssektor leisten können.


Rolle keineswegs sicher


Doch das Potenzial für Biomethan im Verkehr ist in der Fachwelt umstritten. Nach Ansicht des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt und Energie z.B. übernehmen Wind- und Solarenergie das Ruder, im Kraftstoffbereich verschwindet der Verbrennungsmotor vom Markt und damit auch die Option für Biomethan als Kraftstoff. Da bis zum Jahr 2050 die Landwirtschaft treibhausgasneutral (THG-neutral) sein müsse, die Tierhaltung zurückgehe und künftig keine Anbaubiomasse für Energie mehr genutzt werde, würde auch die zur Verfügung stehende Biomethanmenge sinken, stellte die Forschungsbereichsleiterin „Systeme und Infrastrukturen“, Dr. Karin Arnold, auf der FNR/KTBL-Tagung „Biogas in der Landwirtschaft 2019“ in Leipzig fest.


Schon heute verströmt der Biomethanmarkt nicht gerade Euphorie. Im Jahr 2019 ist der Anteil von Biomethan im Verkehr gegenüber 2018 zwar um 70% auf 660 Mio. kWh gewachsen. Die im Jahr 2020 gestiegene Treibhausgasminderungsquote von vier auf sechs Prozent hat zu steigendem Absatz und erhöhten Quotenpreisen geführt (zum Quotenhandel siehe Zusatzinfo).


Auch vermeldet der Industriekreis CNG-Mobilität (eine Gruppe aus Unternehmen der Auto- und Energiewirtschaft), dass bis Mitte 2020 der Anteil Biomethan am in Deutschland genutzten CNG-Kraftstoff bei 50% liegen wird. 2018 lag der Anteil nur bei 20%. Zudem steige der Anteil der Tankstellen, die 100% Biomethan als CNG anbieten.


Nur geringer Absatz


Doch die Prozentzahlen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kraftstoffmenge heute immer noch verschwindend gering ist. Der Anteil von Biomethan selbst an allen regenerativen Kraftstoffen lag 2019 bei nur 1,8%. Und die gesamten Erneuerbaren deckten nur 5,6% des Energieverbrauchs im Verkehr.


Die Tendenz bestätigt das aktuelle Branchenbarometer Biomethan der dena: Erstmals ist die Einspeisung von Biomethan ins Gasnetz im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Die Gründe liegen vor allem im anhaltenden Preisverfall. Für das Branchenbarometer 2020 hat die dena gut 80 Unternehmen der Biomethanbranche befragt.


Biomethan wird benachteiligt


Der Nachteil beim Geschäftsmodell Kraftstoffmarkt:


  • Der Markt enthält viele Unsicherheiten. So steht der Quotenverkauf in Konkurrenz zu Biodiesel oder Bioethanol, mit denen die Mineralölunternehmen ihre Minderungsverpflichtung auch erfüllen können.
  • Außerdem kann nur dann eine Quote erzeugt und damit verkauft werden, wenn eine entsprechende Menge Gas als Kraftstoff verkauft wird. Hierfür ist der Absatz wichtig.
  • Der Markt für Gasfahrzeuge allgemein kommt aber seit Jahren nicht richtig in Schwung, obwohl der Kraftstoff sehr günstig ist.
  • Die Neuregelungen der 38. Bundes-Immissionsschutzverordnung benachteiligen Biomethan sogar gegenüber fossilen Kraftstoffen: Denn die darin vorgegebene THG-Minderungsquote lässt sich auch mit emissionsarmen, fossilen Energieträgern wie CNG/LNG oder sogar LPG („Autogas“) erfüllen.
  • Zudem gibt es eine wachsende Konkurrenz z.B. durch Elektromobilität im Pkw-Bereich.
  • Auch im Schwerlastverkehr arbeitet die Branche genauso wie Forschungsinstitute an verschiedenen Optionen wie Elektroantrieb mit Oberleitungen, Flüssiggas (LNG) aus fossilen oder erneuerbaren Quellen, Brennstoffzellen oder synthetischen Kraftstoffen als Dieselersatz. Organisationen wie das Wuppertal-Institut, das Ökoinstitut oder das Umweltbundesamt geben Biomethan mangels Potenzial nur wenig bis keine Chancen im Kraftstoffmarkt.
  • Die Umrüstung von der Verstromung auf die Gasaufbereitung zur Biomethanproduktion ist teuer und rechnet sich heute meist nur für Anlagen mit einer Größe von umgerechnet 500 kW elektrischer Leistung.
  • Neue Aufbereitungstechniken wie die Membrantechnik macht die Aufbereitung künftig zwar auch für kleinere Biogasanlagen interessant. Aber noch gibt es nicht viele Anbieter.
  • Dazu kommt, dass Erdgas aufgrund neuer Importmöglichkeiten wie die Pipeline „Nord Stream 2“ günstiger werden könnte.


Ökogas als Alternative


Ein weiterer Absatzweg ist der Verkauf von „Ökogas“ an Gashändler, die bei ihren Kunden dafür einen Mehrpreis erzielen. Zukünftig könnte sich auch der Verkauf an die Industrie entwickeln, die daraus Chemikalien, Synthesegas und anderes herstellt – sofern sich die angebotene Gasmenge über eine Art „Erzeugergemeinschaft“ oder Ähnlichem so vergrößern lässt, dass sie für die Industrie interessant ist. „Oder es bilden sich Bioraffinerien, die eine möglichst vollständige Nutzung aller Bestandteile der Biomasse anstreben“, stellt Katharina Scherge von der Universität Lüneburg fest, die im Projekt Forschungsprojekt „Next Generation Biogas“ Zukunftsoptionen untersucht hat.


Neue Impulse


Der Verkauf als Ökogas könnte mit dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) neue Impulse bekommen. Denn damit wird ab 2021 erstmals ein CO2-Preis auf fossile Brennstoffe eingeführt. Der CO2-Aufpreis könnte dafür sorgen, dass Biomethan gegenüber Erdgas wirtschaftlicher wird. Allerdings sehen Marktbeobachter diesen Effekt erst langfristig innerhalb der nächsten Jahre, da der CO2-Preis anfangs sehr niedrig ist.


Unabhängig vom Absatzmarkt ist nicht jede bestehende Anlage für die Biomethanproduktion geeignet. Das zeigt eine Untersuchung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) aus Leipzig. Die Wissenschaftler haben analysiert, inwiefern Biogasanlagen gemeinsam Biomethan aufbereiten und ins Gasnetz einspeisen können. Hierzu haben sie nur Anlagen ausgewählt, die mindestens 375 kW elektrische Leistung haben und im Radius von 10 km rund um einen Einspeisepunkt im Gasnetz liegen. Der Zusammenschluss von Anlagen (Cluster) soll aus wirtschaftlichen Gründen eine Gesamtleistung von mindestens 5 MW haben.


Bei diesem Raster hat das UFZ 1680 Anlagen in 225 Clustern ermittelt. „Eine deutliche Häufung gibt es in Nordwestdeutschland und im mittleren Süddeutschland“, sagt Michael Steubing vom UFZ. Unter diesen Annahmen haben nur 20% der Biogasanlagen das Potenzial, sich mit anderen zusammenzuschließen und gemeinsam Biomethan zu erzeugen. „Ein weiteres Problem bei den Clustern ist, dass die Anlagen unterschiedlich alt sind und somit deren 20-jährige EEG-Vergütung zu unterschiedlichen Zeitpunkten endet“, sagt Steubing. Das macht eine gemeinsame Finanzierung schwierig.


„Wegen seiner Einsatzmöglichkeiten in der Strom- und Wärmeversorgung oder im Verkehrssektor ist Biomethan ein wichtiger Baustein der Energiewende. Sein Potenzial wird aber längst nicht ausreichend genutzt“, fasst An-dreas Kuhlmann, der Vorsitzende der dena-Geschäftsführung, die aktuelle Lage zusammen.


Bioenergie sei auch für die Wertschöpfung in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum wichtig. Die Branche benötige einen klaren politischen Handlungsauftrag und stützende Rahmenbedingungen.


hinrich.neumann@topagrar.com

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