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Brüssel dreht Biosprit den Hahn zu

Lesezeit: 8 Minuten

Die EU-Kommission will herkömmlichen Biodiesel und Bioethanol nicht weiter fördern. Diese hätten eine schlechte Klimabilanz. Neue Studien beweisen das Gegenteil.


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Die Bundesregierung steckt in einem Dilemma: Der Klimaschutz auf der Straße kommt nicht voran. Jede Effizienzverbesserung bei Motoren oder Kraftstoffen wird sofort von höherem Verkehrsaufkommen überrollt. Insgesamt verursacht der Personen- und Güterverkehr in Deutschland 18% aller Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen). Die Emissionen sind im Jahr 2014 mit 164 Mio. t gegenüber 1990 sogar um 1% gestiegen.


70% THG-Minderung:

Abhilfe könnten Biokraftstoffe wie Biodiesel aus Raps oder Bioethanol aus Getreide liefern. Sie erreichten im Jahr 2015 gegenüber fossilen Kraftstoffen eine THG-Einsparung von durchschnittlich 70%, zeigt die jüngste Auswertung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (siehe auch Grafik auf S. 111).


Doch diese Kraftstoffe der „ersten Generation“ auf Basis von Pflanzenöl, Getreide oder Zuckerrüben sind der EU-Kommission ein Dorn im Auge. Sie würden weltweit Landnutzungsänderungen auslösen – zum Beispiel zum Anbau von Palmöl. Die Folge seien massive Eingriffe wie z.B. die Entwässerung von Torfgebieten oder Brandrodung auf Urwaldflächen. Das verursache mehr THG-Emissionen als fossile Kraftstoffe.


Aus diesem Grund hat die EU-Kommission im November 2016 den Entwurf einer neuen Erneuerbaren Energien-Richtlinie (Renewable Energy Directive, RED II) vorgelegt. Danach sollen Kraftstoffe der ersten Generation durch „fortschrittlichere“ Biokraftstoffe ersetzt werden. Darunter versteht die EU Kraftstoffe auf Basis von Reststoffen wie Stroh, Nussschalen, Klärschlamm oder Gülle. Diese sollen von einem Anteil im Jahr 2021 von 0,5% auf 6,8% bis 2030 ansteigen.


Dagegen will die Kommission keine europaweit geltende Förderung für Biodiesel oder Bioethanol aus Anbaubiomasse mehr und will auch die Möglichkeiten der Mitgliedsstaaten einschränken, diese Kraftstoffe zu fördern. Ihr zulässiger Anteil soll von 7% im Jahr 2021 auf maximal 3,8% im Jahr 2030 zurückgehen. Das wäre laut EU-Kommission ungefähr die Menge, die im Jahr 2008 EU-weit auf dem Markt war. Die Rückführung sei also kein Verbot, sondern nur ein Deckel für Kraftstoffe aus Anbaubiomasse, die in der EU produziert und verbraucht werden dürfen.


Seit mehreren Jahren gibt es zwar Nachhaltigkeitskriterien in der EU für Biokraftstoffe. „Dennoch werden weltweit mehr landwirtschaftliche Flächen für die Futtermittel- und Biokraftstoffproduktion auch in umweltsensiblen Gebieten genutzt“, erklärte Bernd Küpker von der Generaldirektion Energie (DG Energy) der EU-Kommission auf dem 14. Internationalen Kongress „Kraftstoffe der Zukunft“ Ende Januar in Berlin. Zähle man die Emissionen der Landnutzungsänderung und die direkten Emissionen aus der Produktion der Biokraftstoffe zusammen, gäbe es keinerlei CO₂-Einsparungen bei den Biokraftstoffen der „ersten Generation“. Daher halte es die EU-Kommission für nicht gerechtfertigt, sie weiterhin so breit zu unterstützen.


RED II stößt auf Kritik:

Die Vorschläge stoßen auf massive Kritik in der Biokraftstoffbranche. „Wenn die Pläne so Wirklichkeit werden, lässt sich die deutsche THG-Quote von 6% alleine durch die von der EU vorgegebenen, fortschrittlichen Biokraftstoffe erfüllen. Unsere Berechnungen zeigen, dass wir ab etwa 2026 keine konventionellen Biokraftstoffe mehr im Markt haben“, kritisiert Elmar Baumann Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB). Die Vorschläge würden nicht nur zu einer Deindustrialisierung im Biokraftstoffsektor und zu einer Benachteiligung im Agrarsektor, sondern auch zum deutlichen Verfehlen von Klimazielen führen. „Wir benötigen für 2030 laut Klimaschutzplan der Bundesregierung 20% erneuerbare Energien im Kraftstoff, dafür reichen die Vorgaben der Kommission niemals aus“, so Baumann.


„Im Verkehrssektor können wir einen deutlich höheren Beitrag zum Klimaschutz leisten als der Kommissionsvorschlag vorsieht“, kommentiert auch Artur Auernhammer, Vorsitzender des Bundesverbandes Bioenergie und CDU-Bundestagsabgeordneter, die Pläne. Für eine entschlossene Energiewende im Verkehr müssten marktgängige Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse bis 2030 einen Beitrag von mindestens 7% der Energie im Kraftstoff bereitstellen dürfen, wie es die noch geltende erneuerbare Energien-Richtlinie vorsieht. „Eine Absenkung auf 3,8% bis 2030 ist nicht nachhaltig und nicht sinnvoll“, meint Auernhammer.


Futtermittel unterschätzt:

Was deutsche Biokraftstoffhersteller noch kritisieren: Bei der Rapsölherstellung fällt wertvoller Rapskuchen an, was aber bei der Bewertung nur unzureichend berücksichtigt wird. EU-weit sind das nach Zahlen der Europäischen Biodieselvereinigung EBB 12 Mio. t Schrot. Dazu kommen 5 Mio. t Futter aus der Bioethanolproduktion. Hierbei handelt es sich nicht nur um ein GVO-freies Futtermittel, das immer mehr Rinderhalter nachfragen, sondern auch um ein Ersatz für Sojaimporte. Mit dem Stopp von herkömmlichen Biokraftstoffen würde auch diese Quelle versiegen.


Genauso würden Ackerbauern einen Absatzkanal verlieren: Heute gehen EU-weit 10 Mio. t Getreide (2 bis 3% der Getreidemenge in der EU), 13 Mio. t Zuckerrüben (4 bis 8%) und 14 Mio. t Raps in die Biokraftstoffproduktion.


Die angenommene, aber nicht belegbare, indirekte Landnutzungsänderung in Urwaldregionen ist schon länger in der Diskussion – vor allem, wenn auf dieser These politische Vorgaben fußen. Aus deutscher Sicht sprechen die Fakten eine andere Sprache:


  • Biodiesel (FAME) stellte laut Erfahrungsbericht der BLE mit 65% im Jahr 2015 den höchsten Anteil aller Biokraftstoffe und wurde hauptsächlich aus Raps produziert. Rund zwei Drittel des hierfür eingesetzten Rapses kommen aus Deutschland. Zweitwichtigste Ausgangsstoffe waren Abfälle und Reststoffe.
  • Bioethanol war mit einem Anteil von 27% der zweitwichtigste Biokraftstoff, der größtenteils aus Mais und Weizen hergestellt wird. Der Anteil von aus Zuckerrüben hergestelltem Ethanol verringerte sich zwar um 40%, aber die Rüben bleiben der drittwichtigste Rohstoff.
  • Der aus Biogas hergestellte Erdgasersatz Biomethan machte nur ein Prozent der Biokraftstoffe aus. Es setzt sich ausschließlich aus Abfällen sowie Reststoffen zusammen und hat die höchste Emissionseinsparung.
  • Hydrierte Pflanzenöle (HVO) stehen mit sieben Prozent an dritter Stelle, obwohl sich die Menge im Vergleich zu 2014 halbiert hat. Diese Öle bestanden fast ausschließlich aus Palmöl. Dies führt dazu, dass im Jahr 2015 ein Drittel weniger Palmöl im gesamten Biokraftstoffbereich verwendet wurde.


Verbot von Palmöl:

EU-weit ist der Anteil von Palmöl laut Küpker in den vergangenen Jahren aber immer weiter gestiegen. Dennoch will die EU-Kommission Palmölimporte nicht verbieten. Denn auch Rapsöl, das für die Produktion von Biokraftstoffe verwendet wird, könne über die Märkte indirekte Effekte auf Palmölnachfrage und anderer Produkte haben.


Doch jetzt erhöht auch das Europäische Parlament den Druck: In einer Resolution von April 2017 fordern die Parlamentarier einen Verzicht auf Palmöl schon ab dem Jahr 2020. 46% des von der EU importierten Palmöls würde zur Herstellung von Biodiesel verwendet, was mit der Nutzung einer Fläche von etwa einer Million Hektar in den Tropen einhergeht, heißt es in einem Bericht des EU-Parlaments.


Vorreiter in Europa:

Bei der Effizienz geht Deutschland in Europa einsam voran. Seit 1. Januar 2015 gilt hierzulande die Treibhausgas-Minderungsquote. Wer Kraftstoff verkauft, ist danach verpflichtet, Emissionen gegenüber einem Referenzwert für fossilen Kraftstoff um 3,5% zu mindern. 2017 stieg dieser Wert auf 4%, im Jahr 2020 sollen es 6% werden und bleiben. Diese Einsparungsverpflichtung erfüllen die Mineralölkonzerne überwiegend durch Beimischung von Biokraftstoffen zu den fossilen Kraftstoffen.


Der neue Fördermechanismus hat dazu geführt, dass sich die THG-Einsparung im Vergleich zum Jahr 2014 von 51 auf 70% deutlich verbessert hat. Grund: 2015 wurden Biokraftstoffe mit hohem Einsparungspotenzial eingesetzt, während die Produzenten Biokraftstoffe mit geringerer Einsparung verstärkt exportiert haben. Denn in den übrigen EU-Staaten gibt es keine THG-Quote. Die Folge: Im Jahr 2015 reduzierte sich die Gesamtmenge aller Biokraftstoffe um 8,6% im Vergleich zum Vorjahr. Denn wegen der hohen Einsparung könnten die Mineralölkonzerne ihre individuelle THG-Minderung mit einer geringeren Menge Biokraftstoffe erreichen.


Die THG-Minderungspflicht ist ein sachgerechtes Instrument, mit dem sich Klimaschutz im Kraftstoffbereich effizient erreichen lässt, schlussfolgert Prof. Jürgen Zeddies von der Universität Hohenheim in der aktuellen Studie „Auswirkungen politischer Beschlüsse auf Biokraftstoffe und Rohstoffmärkte“.


Dabei sieht Zeddies die Minderungspflicht von 3,5% als „vorsichtigen Einstieg“, ein höherer Wert wäre bei der Einführung möglich gewesen. Auch lasse sich der Anteil der Biokraftstoffe deutlich erhöhen – sowohl in Bezug auf die Anbaufläche für die Rohstoffe als auch bezüglich der Herstellungskapazitäten. Bei einer THG-Minderung um 8% würde die Rohstofffläche in Deutschland von derzeit 0,75 Mio. ha auf 1,6 Mio. ha steigen. Höhere Anteile im Treibstoff für PKW (E20 bedeutet 20% Ethanol im Benzin) oder 30% Biodiesel im Diesel für LKW wären denkbare Optionen. Auch der Wissenschaftler sieht die theoretischen ILUC-Faktoren als nicht belastbar an. Die aktuelle Biokraftstoffproduktion führe zu keiner zusätzlichen Rohstoffnachfrage, sodass auch keine indirekten Landnutzungsänderungen auftreten können.


Wichtig für den Ausbau der Biokraftstoffe und eine höhere THG-Minderung sei eine europäische Strategie. Auch sei es sinnvoll – wie von der Industrie vorgeschlagen – die THG-Minderungspflicht jährlich um 0,5% zu erhöhen, anstatt sie sprunghaft auf 6% im Jahr 2020 anzuheben. Zeddies fasst die Analyse so zusammen: „Biokraftstoffe sind noch über Jahre unverzichtbar, um nennenswerte THG-Einsparungen durch erneuerbare Energien im Verkehr zu erreichen.“


Noch liegt die RED II nur als Entwurf vor. Die Branche kämpft intensiv darum, dass die Vorgaben so nicht umgesetzt werden. Hinrich Neumann

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