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Dächer müssen flexibler werden

Lesezeit: 6 Minuten

In einem 2,5-jährigen Versuch hat das KIT Karlsruhe mit Industriepartnern Speichermembranen auf einem realen Versuchsfermenter untersucht. Die Ergebnisse überraschen.


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Langsam hebt der Luftdruck in dem Fermenter die schwere Folienmembran nach oben. Immer mehr Falten schwinden, die Kuppel wölbt sich. „Hier sieht man sehr gut, wie sich der Messgurt einschneidet“, erklärt Christopher Seybold vom gleichnamigen Foliendachhersteller aus Düren (Nordrhein-Westfalen). Die Untersuchung von heutigen Messsystemen zum Gasvolumen war nur ein Teil der Forschungen, die das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) an dem Versuchsfermenter vorgenommen hat.


Der runde Betonfermenter steht auf dem Werksgelände der Firma Seybold. Er ist genauso aufgebaut wie seine Brüder auf „echten“ Biogasanlagen: Mit Mittelstütze, Spanngurten und Doppelmembrandach mit Stützluftgebläse. Der einzige Unterschied: In dem Behälter gibt es kein Gärsubstrat und damit auch kein Biogas. Das Dach wird durch den Gasinnendruck aufgewölbt. „So ist es möglich, das Verhalten der Membran von innen und von außen zu beobachten“, erläutert Kai Heinlein vom KIT.


Für die Untersuchungen sind zahlreiche Temperaturfühler, Drucksensoren und Kameras an dem Versuchsbehälter installiert. Das einjährige Projekt mit zahlreichen Untersuchungen und Messungen ist jetzt abgeschlossen, der Projektbericht ist in Arbeit. Vorab teilten die Projektpartner top agrar exklusiv bereits erste Ergebnisse mit, die wir im Folgenden zusammenfassen. Sie sind wichtige Hinweise für Biogasanlagenbetreiber, die ihre Anlage flexibel betreiben wollen.


1. Temperaturentwicklung


In dem Versuch verwendeten die Projektpartner bewusst eine grüne Speichermembran, die in der Praxis häufig aus optischen Gründen verwendet wird. „Diese heizt sich stärker auf als graue Folie, daher würden wir immer zu grauen Dächern raten“, sagt Heinlein. Denn hellere Farben reflektieren das Licht besser.


Heizt sich das Dach auf, wird auch das Gas im Inneren warm und dehnt sich stärker aus. Selbst bei 0°C Außentemperatur haben die Wissenschaftler im Gasraum Temperaturen von 40°C gemessen. An einem sonnigen Sommertag kann die äußere Membran 75°C erreichen. Da bei etwa 80°C der Schmelzpunkt von PVC erreicht wird, sollten Anlagenbetreiber bei der Auswahl des Speichermaterials auf entsprechende Qualität achten. „Schwachpunkt ist die Kunststoffschweißnaht“, erklärt Seybold. Per Hochfrequenzschweißen hergestellte Nähte sind zwar teurer, aber deutlich belastbarer.


2. Faltstabilität


Bei einer fast vollständigen Entleerung des Gasspeichers faltet sich die innere Membran zusammen und liegt auf den Spanngurten im Fermenter auf. Was man in gefüllten Fermentern so nicht beobachten kann: Die Membran faltet sich selbst bei häufigen Füll- und Entleervorgängen immer gleich. „Daher ist zu erwarten, dass die Membran an diesen Falten auf Dauer verschleißt und durchlässig werden kann. Das ist bei der Entwicklung künftiger Materialien zu beachten“, sagt Seybold.


3. Füllstandsmessung


Bei der flexiblen Fahrweise von Biogasanlagen greifen Direktvermarkter auch auf den Gasspeicherfüllstand zurück. Damit können sie abschätzen, welche Strommenge eine Anlage in einer bestimmten Zeit erzeugen kann. Der Speicherfüllstand ist aber auch für die Anlagenbetreiber wichtig, um z.B. die Fütterung der Anlage zu steuern.


Zur Füllstandsmessung gibt es heute zwei Verfahren: Eine Schlauchwaage und ein Messgurt per Seilzug. Die Schlauchwaage ist ein mit Flüssigkeit gefülltes Schlauchende, an dem ein Druckmessumformer angebracht ist. Das Ende der Schlauchwaage liegt auf der inneren Speichermembran auf. Leert sich der Speicher und sinkt die Folie nach unten, gibt die Waage ein entsprechendes elektrisches Signal, mit dem der Betreiber den Füllstand abschätzen kann. Damit der Speicherinhalt möglichst genau erfasst wird, sind meistens mehrere Schlauchwaagen an verschiedenen Positionen angebracht. Nachteil: Die Waage misst immer nur einzelne Punkte.


Ein anderes System ist ein quer über den Speicher gespannter Seilzug, der auf den unterschiedlichen Füllstand reagiert. Eine Lageänderung der Membran wird auf das Seil übertragen. Das Seil wird durch die Außenmembran geführt und endet über Umlenkrollen in einem Messrohr. Auch darüber lässt sich ein Signal erzeugen.


Beide Messsysteme haben den Nachteil, dass sie den Füllstand nur indirekt messen. „Es sind nur Hilfskonstruktionen, aber modernere Methoden wie eine Ultraschallmessung haben sich nicht durchgesetzt“, sagt Heinlein.


Bei der bisherigen Fahrweise der Biogasanlagen waren die Speicher fast immer gefüllt, es gab nur wenig Schwankungen. Daher waren die Messsysteme bis dato ausreichend genau genug. Doch die Versuche des KIT zeigten: Wenn der Speicherfüllstand steigt, schnürt der Seilzug die Membran ein. Rechts und links von dem Seilzug kann sich die Membran stärker füllen. Das bedeutet: In diesem Fall wäre die per Seilzug gemessene Gasspeichermenge geringer als in der Realität. „Wenn man künftig das gesamte Spektrum des Gasspeichers nutzen will, sind bessere Systeme nötig“, sagt Heinlein. Er rät auch dazu, bei der Füllstandsmessung eine ausreichende Schwankungsbreite einzuplanen.


4. Drucksteuerung


In einer Doppelmembran wird der Druck der äußeren Hülle durch ein Stützluftgebläse aufrechterhalten. Das Gebläse gleicht auch die Volumenschwankungen aus, wenn die innere Membran bei sinkendem Biogasspeicherstand zusammensackt. „In der Regel sind die Lüfter für das Stützluftgebläse frequenzgesteuert, der Druck im Tragluftdach wird per Schieber gesteuert. Das ist aber sehr ungenau“, sagt Heinlein. Denn es wäre sinnvoller, wenn die Gebläse je nach Wetter auf Druck reagieren. Bei starker Sonneneinstrahlung ist weniger Druck erforderlich als bei Sturm.


Auch sollten sie schneller reagieren, wenn es im flexiblen Anlagenbetrieb zu kurzfristigen Änderungen des Speicherstands kommt. Dafür müssen sie größer dimensioniert werden als heute üblich, um schneller mehr Luftdruck erzeugen zu können.


Per Kamera hat er auch das Verhalten der Membran im Sturm beobachtet. „Schäden an der Membran entstehen meist aufgrund eines zu geringen Innendrucks. Fängt die Membran an zu flattern, kann es zu Rissen kommen“, sagt der Experte. Schon ab 1 mbar werden die Dächer instabil. Wenn die Lüfter automatisch auf Druck reagieren, könnte man den Druck im Speicherdach auf 4 mbar erhöhen. Dafür ist aber auch eine gute Befestigung der äußeren Membran an der Fermenterwand wichtig. Druckluftbefüllte Klemmschläuche haben sich als weniger haltbar erwiesen. Haltbarer ist es, wenn die Membran am Rand gelocht und an dem Behälterrand verschraubt ist.


Die Messungen in dem Versuchsfermenter haben also neue Erkenntnisse zum Verhalten der Speicherfolien gebracht. Jetzt sollen weitere Versuche mit neuen Materialien folgen.


hinrich.neumann@topagrar.com

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