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Das zweite Leben Ihrer Solaranlage

Lesezeit: 7 Minuten

Auch nach 20 Jahren können die meisten Photovoltaikanlagen weiter Strom produzieren. Es gibt viele Ideen, wie Sie ohne EEG-Förderung Strom verkaufen können.


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Im April 2020 wird das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 20 Jahre alt. Für die ersten Pioniere läuft im nächsten Jahr der Anspruch auf die staatlich festgelegte Vergütung aus. Betroffen sind auch 10000 Betreiber von Photovoltaikanlagen.


Nach Angaben der Branchenvereinigung „Solar-Cluster Baden-Württemberg“ kostet der Strom vom Dach von älteren, bezahlten Anlagen nur noch rund 2 bis 4 ct/kWh. Kosten entstehen in der Regel nur durch Gebühren für Zähler und evtl. Wartung, Reparatur und Versicherung. „Wer sich unsicher ist, sollte vor dem Weiterbetrieb von Experten prüfen lassen, in welchem Zustand die Anlage ist und ob sie noch für weitere Jahre effizient Strom erzeugen kann“, rät Larissa Auzinger vom Centralen Agrar-Rohstoff-Marketing- und Energie-Netzwerk (C.A.R.M.E.N.) aus dem bayerischen Straubing.


Denn sind erst noch aufwendige Investitionskosten nötig für neue Module, Gestelle, Kabel oder Wechselrichter, lohnt sich der Weiterbetrieb womöglich nicht. „Ebenso sollte man prüfen, ob nicht der Austausch der alten Anlage durch eine effiziente, neue wirtschaftlicher ist“, sagt sie.


Wer Strom für 2 bis 4 ct/kWh dauerhaft produzieren kann, hat folgende Möglichkeiten (Übersicht 1):


  • Vermarktung des Stroms an der Strombörse zu üblichen Marktpreisen,
  • Selbstverbrauch,
  • Lieferung an andere Kunden.


Weitere Einspeisung ins Netz


Auch nach Ablauf der EEG-Vergütung kann der Betreiber weiter die Vorteile des EEG nutzen: Der Netzbetreiber ist weiterhin verpflichtet, den Strom bevorzugt abzunehmen. „Viele Betreiber meinen fälschlicherweise, dass sie dann automatisch den Börsenstrompreis erhalten. Aber dafür müssen sie einen Vermarkter finden, der den Strom an der Börse verkauft“, schränkt sie ein. Dieser berechnet für seine Dienstleistung auch eine Gebühr.


Momentan erscheint der Börsenstrompreis attraktiv: Er ist im vergangenen Jahr gestiegen und lag mit durchschnittlich 4,8 ct/kWh rund 13% höher als im Jahr 2018. Allerdings schwankt er und kann auch wieder fallen. Zudem speisen bei viel Sonne alle Solaranlagen Strom ein, was den Preis an der Börse sinken lässt. Das könnte dazu führen, dass Solaranlagenbetreiber weniger als den Durchschnittspreis erhalten.


Lieferung an versorger


Eine Alternative wäre es, den Strom an Energieversorger abzugeben, z.B. an Ökostromanbieter oder Stadtwerke. Damit wären unter Umständen höhere Preise als der Börsenstrompreis möglich. Bislang war das nur für Anlagen ab 200 bis 300kW lukrativ. Denn der Stromabnehmer hat unabhängig von der Anlagengröße laufende Kosten für die Verwaltung, das Kontrollieren der Strommengen oder die Vermarktung. Das ändert sich aber inzwischen: Erste Anbieter für Kleinanlagenbetreiber gibt es nach Angaben des Solar-Clusters Baden-Württemberg bereits. Diverse Start-ups, aber auch etablierte Energieversorger würden den erzeugten Strom vom Hausdach zwischen Erzeuger und Verbraucher vermitteln. Ein Beispiel ist die digitale Plattform „Interconnector energyhub“ der EnBW Energie Baden-Württemberg.


SelbstVerbrauch im Betrieb


Eine weitere Alternative ist der Eigenverbrauch in Haus und Betrieb. Wie viel Strom selbst verbraucht wird, hängt von der Größe der Anlage und von dem Stromverbrauch tagsüber ab. Milchviehbetriebe mit Melkroboter oder Schweinemäster mit den entsprechenden Lüftungsanlagen verbrauchen den ganzen Tag über Strom, Betriebe mit klassischem Melkstand dagegen vor allem morgens und abends.


Mit Maßnahmen wie dem Einsatz einer zeitlich flexiblen Eiswasserkühlung für die Milch oder dem Verlagern von Arbeiten wie Getreide schroten, Behälter aufrühren oder Gülle separieren in Zeiten mit hoher Sonneneinstrahlung lässt sich der Eigenverbrauch um 10% und mehr erhöhen, zeigen Auswertungen. Ebenso können Landwirte mehr Sonnenstrom nutzen, wenn sie einen E-Hoflader, ein Elektroauto oder elektrisch angetriebene Systeme zum Füttern oder Spaltenreinigen nutzen. Auch eine elektrische Heizung wie eine Wärmepumpe steigert den Eigenverbrauch.


Für den Eigenverbrauch benötigen Betreiber einen Zweirichtungszähler. Anlagen, die nach dem 1. August 2014 neu in Betrieb gegangen sind oder erst danach den Strom selbst verbrauchen, müssen 40% der EEG-Umlage zahlen (ca. 2,7 ct/kWh).


Eigenverbrauch mit Speicher


Ein höherer Eigenverbrauch von häufig bis zu 70% ist mithilfe eines Solarspeichers möglich. Inzwischen gibt es bereits Systeme mit zehn Jahren Garantie, die inklusive Leistungselektronik brutto 800 €/kWh Speicherinhalt kosten. Bei 250 Ladezyklen im Jahr und zehn Jahren Betriebsdauer verursacht der Speicher also etwa 32 ct/kWh (Rechnung: 800 €/2500 Zyklen). Dabei ist ein Zinsansatz noch gar nicht einberechnet. Rechnet man 5,5 ct/kWh Erzeugungskosten für den Strom dazu, kostet die kWh aus dem Speicher also überschlagsmäßig 37,5 ct/kWh – oft teurer als der Bezugsstrom. „Wichtig ist auch, dass man die Kosten je Nutzkapazität rechnet. Diese ist bei Akkusystemen immer niedriger als die Nennkapazität. Denn Batterien werden nie komplett entladen, um eine lange Lebensdauer zu erreichen“, ergänzt Berater Sebastian Kilburg von C.A.R.M.E.N. e.V.


Ob sich eine Batterie rechnet, hängt also vor allem von den Investitionskosten je nutzbarer Kapazität und der möglichen Anzahl der Zyklen bis zum Lebensende ab. „Gerade in der Landwirtschaft kann ein Speicher infrage kommen, wenn ein Notstromgerät oder ein Backupsystem für den Stall gefragt ist. Das ist in Regionen mit mehr Stromausfällen bzw. bei weiter entfernten Ställen interessant“, ergänzt er.


Direktlieferung an Dritte


Wenn die Anlage für den Eigenverbrauch zu groß ist, könnte eine Direktlieferung des Stroms z.B. an Nachbarn oder Gewerbebetriebe infrage kommen, sofern der Abnehmer möglichst viel der Energie auch entsprechend nutzen kann. Nutzt der Betrieb dafür das öffentliche Stromnetz, fallen unter Umständen Gebühren und Abgaben wie Stromsteuer, EEG-Umlage, Netzentgelte usw. in voller Höhe an.


Weniger Gebühren und Steuern zahlt er, wenn er auf eigene Kosten eine direkte Stromleitung von der Photovoltaikanlage zu dem Abnehmer verlegt, der in „räumlicher Nähe“ zum Betrieb liegt (Übersicht 2). „Dabei kann er den Strom zwar günstiger anbieten, trägt aber das Risiko, dass der Abnehmer sich einen anderen Stromabnehmer sucht“, erklärt Auzinger.


Auch ist die Lieferung nach dem EEG und dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) an verschiedene Auflagen und Pflichten geknüpft bezüglich Abrechnung, Messkonzept oder Vertragsgestaltung. Denn der Stromlieferant wird ein Stück weit zum Energieversorger. „Er darf z.B. nur Stromverträge mit zweijähriger Lieferzeit anbieten. Damit hat er wenig Planungssicherheit, falls er noch investieren muss“, nennt die Beraterin einen weiteren Nachteil.


Bei Vertragsmodellen wie diesem sollte in der Regel der Rat eines Rechtsanwalts hinzugezogen werden. Dies ist mit entsprechenden Kosten verbunden. Dazu kommt die nötige Arbeitszeit für die Verwaltung. „Bei diesem Modell gibt es viele Tücken. Ob sich das alles bei Photovoltaikanlagen unter 100 kW Größe rechnet, muss der Betreiber sehr genau kalkulieren“, betont sie.


Weitere Ideen


Eine Sonderform der Vermarktung wäre auch der Verkauf der „grünen Eigenschaft“ des Stroms. Diese Herkunftsnachweise nutzen einige Ökostromanbieter, um z.B. aus Kohle- oder Atomstrom Ökostrom zu machen. Bislang bieten die Herkunftsnachweise vor allem Betreiber von Wasserkraftwerken in Norwegen oder Österreich an. „Der Marktwert entsprechender Nachweise ist derzeit überschaubar. Selbst der Gesetzgeber des EEG 2017 geht nur von von 0,1 ct/kWh aus“, erklärt Rechtsanwalt Micha Klewar von der Münchner Kanzlei Becker Büttner Held. „Gerade bei Photovoltaikanlagen wird man sich daher bei vielen Anlagen die Frage stellen müssen, ob die Kosten für die Nutzung des Herkunftsnachweisregisters und für die Vermarktung der Herkunftsnachweise gerechtfertigt sind“, resümiert Klewar.


Eine weitere Option ist die Verpachtung der Anlage an einen Dritten, der damit zum Anlagenbetreiber wird und den Strom selbst nutzen kann. Trägt er das wirtschaftliche Risiko des Anlagenbetriebs, muss er 40% der EEG-Umlage zahlen. „Der Anlageneigentümer erzielt in diesem Fall seinen Erlös durch den Pachtzins. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass kein verkappter Stromliefervertrag vorliegt, sondern die Risiken des Anlagenbetriebs in dem bei Pachtverträgen üblichen Umfang vom Kunden übernommen werden“, rät Rechtsanwalt Klewar.


Eine letzte Möglichkeit ist die Stilllegung und der Verkauf der Anlage auf dem Gebrauchtmarkt. Hierfür gibt es seit mehreren Jahren Solaranlagenbörsen bzw. Verkaufsportale im Internet.


Um das Aus von Photovoltaikanlagen zu verhindern, gibt es derzeit jedoch mehrere Initiativen wie eine Petition vom Solarenergie-Förderverein (SFV) oder Bundesratseingabe von Bayern, um den Eigenverbrauch zu erleichtern. Inwieweit das in den nächsten Monaten Früchte trägt, bleibt abzuwarten.


hinrich.neumann@topagrar.com

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