Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

topplus Aus dem Heft

Die Lehren aus der Clens-Pleite

Lesezeit: 5 Minuten

Im November 2017 musste der Direktvermarkter Clean Energy Sourcing (Clens) aus Leipzig Insolvenz anmelden. Der Fall hat Schwachstellen bei der Vertragsgestaltung offenbart, die fast zu einem Desaster geführt hätten.


Das Wichtigste zum Thema Energie freitags, alle 4 Wochen per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Erst nach Krisen oder Katastrophen zeigt sich, wie gut Vorsorgemaßnahmen sind. Schmerzlich erfahren mussten das auch über 100 Biogasanlagenbetreiber aus ganz Deutschland, die die Clean Energy Sourcing GmbH (kurz Clens) als Direktvermarkter gewählt hatten. Clens hatte am 15. November 2017 Insolvenz anmelden müssen. Daran war aber nicht die Direktvermarktung Schuld, sondern der italienische Mutterkonzern Innowatio. Dieser hatte sich bei Stromhandelsgeschäften verspekuliert.


Neuer Investor:

Die Sorge der Anlagenbetreiber währte zwar nur drei Wochen. Am 8. Dezember übernahm die BayWa r.e. Renewable Energy das Unternehmen Clens mit den 65 Mitarbeitern und den Direktvermarktungsverträgen. „Doch nur mit viel Glück sind wir an einem finanziellen Desaster herumgekommen“, sagt Michael Völklein, Sprecher des Anlagenpools Bayerisch-Schwaben Nord, bei dem rund 30 Betreiber von Biogasanlagen Verträge mit Clens abgeschlossen hatten. Völklein ist selbst an zwei Biogasanlagen beteiligt, die ihren Strom über Clens vermarkten.


Noch mehr Clens-Kunden gibt es bei der „Genossenschaft zur Förderung der dezentralen Energieerzeugung“ (GFDE) aus Friesoythe (Niedersachsen) und dem Verein „Renergie“ aus dem Allgäu. Die drei Pools haben während der Insolvenz und der Verhandlungen eng zusammengearbeitet.


Was sie feststellen mussten: Viele vermeintliche Sicherheiten und Vertragsklauseln entpuppten sich im Nachhinein als wirkungslos. Als größter Schwachpunkt stellten sich die Bürgschaften heraus. Gerade für den Fall der Insolvenz gewährt der Direktvermarkter eine Bürgschaft in Höhe der Erlöse meist für drei Monate. Diese Sicherheit erhält der Betreiber von der beteiligten Bank, wenn der Direktvermarkter nicht zahlen sollte. Drei Monate gelten als ausreichend, da in der Zeit der Wechsel zu einem neuen Direktvermarkter möglich sein sollte.


Bürgschaften zu gering:

Im Fall der Clens-Kunden gab es aber folgende Schwierigkeiten:


  • Viele Betreiber hatten nach Vertragsabschluss die Biogasanlage erweitert und daher mehr Strom verkauft. Damit hätte die ursprünglich veeinbarte Höhe der Bürgschaft nicht ausgereicht.
  • Der Direktvermarkter hatte die Höhe der Bürgschaft ohne Mehrwertsteuer berechnet. Da der Strompreis aber mit Mehrwertsteuer ausgezahlt wird, war die Höhe ebenfalls nicht ausreichend.
  • Die Höhe der Bürgschaft wurde auf den durchschnittlichen Jahresstrompreis bezogen. Im Winter ist der Börsenstrompreis jedoch höher. Die Bürgschaft hätte daher beim Zeitpunkt der Clens-Pleite im Dezember einen Zeitraum von nur 2,5 Monaten abgedeckt.
  • Bei einigen war die ursprünglich vereinbarte Bürgschaft befristet. Die Frist war in einigen Fällen abgelaufen und nicht erneuert worden. Betroffene Betreiber hatten also keine Absicherung mehr, ohne es zu merken.
  • Einige Landwirte hatten eine neue Gesellschaft gegründet, also z.B. die Gasproduktion ausgelagert oder Satelliten-BHKW in Betrieb genommen. Damit stimmte die Firmierung bzw. die Adressbezeichnung auf den Verträgen und Bürgeschaften nicht mehr. Es war fraglich, ob die betroffenen Betreiber ihre Bürgschaft überhaupt erhalten.


Wechsel war großes Risiko:

Bevor nicht klar war, ob der Insolvenzverwalter einen Investor findet, dachten die Poolmitglieder über einen Wechsel des Direktvermarkters nach. Im Nachhinein stellte sich aber heraus, dass auch das sie viel Geld gekostet hätte:


  • Hunderte Betreiber hätten kurzfristig einen neuen Anbieter suchen müssen. „Allein wegen der großen Anzahl an neuen Kommunikationsschnittstellen für die Übertragung der Anlagendaten hätte es Wochen gedauert, bis ein neuer Stromhändler das eingerichtet hätte. In der Zeit hätte es keine Erlöse gegeben“, sagt Völklein.
  • Auch wäre die Zulassung für das Angebot von Regelenergie („Präqualifikation“) weggefallen. Die Betreiber hätten warten müssen, bis der Netzbetreiber die vorgeschriebenen Schwarmtests mit den BHKW durchgeführt hätte. Bis dahin hätte es auch keine Erlöse für Regelenergie gegeben.
  • Der Netzbetreiber hätte die Betreiber ummelden müssen. Hierbei hätte vielen die Kapazität gefehlt, um die Anträge von hunderten Betreibern kurz vor Weihnachten rechtzeitig bearbeiten zu können.


Diese Gründe sprachen gegen einen Wechsel zu einem anderen Vermarkter. „Später wussten wir, dass es die richtige Entscheidung war, nicht zu wechseln“, sagt Völklein rückblickend. Denn nur dadurch, dass die BayWa als Investor die bestehenden Verträge und damit das Gros der Betreiber übernehmen konnte, war die Übernahme für den Handelskonzern attraktiv.


Von daher haben die Landwirte selbst dazu beigetragen, dass der Deal zwischen beiden Unternehmen überhaupt zustande kommen konnte. „Ein besonderer Dank gilt unseren Kunden, die uns in diesen schwierigen Wochen vertrauensvoll zur Seite gestanden und unser Fortbestehen somit ermöglicht haben“, erklärte auch Daniel Hölder, Geschäftsführer der neu gegründeten BayWa r.e. Clean Energy Sourcing GmbH, nach der Übernahme.


Pools waren hilfreich:

Sehr hilfreich war der Zusammenschluss der Betreiber im Pool. „Der Insolvenzverwalter und der neue Investor konnten mit wenigen Personen verhandeln. Und wir konnten alle Betroffenen gleichzeitig über den Fortgang informieren“, betont Völklein. Auch hatten die Pools mit rund 100 MW Anschlussleistung eine gute Verhandlungsposition und konnten in strittigen Fragen tragfähige Lösungen für die Betreiber verhandeln. Auch haben sie die Marktmacht, um künftige Vertragsänderungen durchzusetzen. „Daraus haben andere auch gelernt, wir bekommen jetzt regen Zulauf von Betreibern oder kleineren Pools, die sich uns anschließen wollen“, sagt Völklein. Hinrich Neumann

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.