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„Flexibilität: Es kommt auf die richtige Strategie an!“

Lesezeit: 9 Minuten

Wer mit der Flexprämie Geld verdienen will, muss wissen, wie und wann er den Strom am besten erzeugt. Tipps dazu gibt Uwe Welteke-Fabricius vom Ingenieurbüro Cube Engineering aus Kassel.


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In der Vergangenheit hieß es immer, der Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigpreisphasen an der Börse sinkt immer mehr, sodass sich die bedarfsgerechte Einspeisung gar nicht lohnt. Warum ist das dennoch interessant?


Welteke-Fabricius: Was Sie schildern, war Stand der Dinge bis zum Jahr 2012. Denn die Einspeisung von immer mehr günstigem Photovoltaikstrom hat dazu geführt, dass die Strompreisspitze mittags immer stärker gesunken ist. Im Jahr 2008 lagen die teuersten 10 % der Stunden noch rund 4 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh) höher als der Durchschnittserlös an der Börse. Im Jahr 2011 waren die teuersten 10 % gerade einmal 2 ct höher als der Durchschnitt. Seit dem Jahr 2012 nimmt der Unterschied jedoch wieder zu und damit auch das Erlöspotenzial für Biogasanlagen – auch wenn sie einen Teil des Erlöses an den Stromhändler abgeben müssen. 2012 konnten Anlagen im flexiblen Betrieb 1,7 ct/kWh mehr bekommen, 2013 schon 2 ct. Und diese Tendenz geht weiter, je mehr Strom aus Quellen mit stark schwankender Produktion wie Wind- und Solaranlagen im Netz ist.


Dann wäre es doch am einfachsten, nur tagsüber von 8 bis 20 Uhr zu produzieren, oder?


Welteke-Fabricius: Am einfachsten ist das schon. Sie können bei so einem Betrieb dann aber bei einer 500 kW-Anlage nur mit etwa 0,5 ct/kWh Mehrerlös an der Strombörse rechnen, also 20 000 € im Jahr. Das kann schon mehr sein als bei der Regelenergie. Die Strompreise schwanken aber stark unterschiedlich, von knapp über 0 ct bis 14 ct je kWh – aber zu verschiedenen Zeiten. Wenn die Anlage mithilfe eines Fahrplans stark flexibilisiert, also nur in den fünf bis sechs besten Stunden des Tages läuft, haben wir schon höhere Strom- erlöse von bis zu 2 ct/kWh festge-stellt.


Wie komme ich als Betreiber zu so einem individuellen Fahrplan?


Welteke-Fabricius: Sie könnten sich diesen auf der Basis von Prognosen selbst zurechtlegen. Aber das kostet Zeit und eine Menge Erfahrung mit dem Strommarkt. Sinnvoll ist es, den Fahrplan von einem Dienstleister erstellen zu lassen. Der muss Ihre Anlage mit allen Besonderheiten kennen. Das kann der Stromhändler sein.


Hängt die Laufzeit des BHKW dann nur noch vom Strompreis an der Börse ab?


Welteke-Fabricius: Nein, nicht nur. Man muss ja auch die Anlage im Blick behalten. Die Ruhezeit des BHKW kann nur so lang sein, wie Sie Gas speichern können. Auch wollen Sie Ihre Kunden weiter mit Wärme beliefern können. Dazu kommt, dass wir einen BHKW-Betrieb für mindestens zwei Stunden empfehlen, damit es ausreichend erwärmt wird. Ein Steuerungsalgorithmus muss alle diese Parameter berücksichtigen und aufeinander abstimmen.


Was kann ich machen, wenn ich meine Anlage in einer Niedrigpreis-phase nicht komplett ausschalten kann, weil der Gasspeicher nicht ausreicht?


Welteke-Fabricius: Dann nutzen Sie kurze Phasen mit höherem Strompreis, um einen Teil des Gases zu verbrauchen. Das geht beispielsweise mit einem kleineren BHKW gut. Die Betriebszeit wird so gelegt, dass dann für die nächste Hochpreisphase wieder genug Gas vorhanden ist. Bevor Sie also dreimal am Tag das BHKW starten und stoppen, sollten Sie über eine Vergrößerung des Gasspeichers nachdenken.


Ist es sinnvoll, bei vollem Gasspeicher und niedrigem Strompreis ein großes BHKW im Teillastbetrieb laufen zu lassen?


Welteke-Fabricius: Nein, wir raten davon ab. Der Wirkungsgrad der BHKW ist im Teillastbetrieb tendenziell sehr schlecht, d.h. ich verbrauche unnötig viel Gas für die gleiche Leistung.


Was muss ich bei der Abschätzung meines Gasspeichervolumens berücksichtigen?


Welteke-Fabricius: Sie können nicht das komplette theoretische Speichervolumen ansetzen. Denn der vom Hersteller angegebene Gasverbrauch des BHKW bezieht sich immer auf kaltes, trockenes Gas. In der Gasblase über dem Fermenter speichern Sie aber warmes, feuchtes Gas. Das kann je nach Temperatur 30 bis 40 % mehr Volumen benötigen als das kalte Gas. Außerdem haben Sie ja auch nur das sogenannte Atemvolumen zur Verfügung. Sie können den Speicher nicht komplett leeren.


Verschleißen häufige Starts und Stopps nicht das BHKW?


Welteke-Fabricius: Das gilt bei Kaltstarts. Bei der bedarfsorientierten Einspeisung kennen Sie aber ja die Startzeit – anders als bei der Regelleistung, die ja ferngesteuert und ohne Vorankündigung abgerufen wird. Sie sollten dann allerdings ein gutes Startprogramm fahren. Wichtig ist, dass die Motoren in der Ruhephase gar nicht erst vollständig abkühlen. Aus einem Wärmespeicher sollte warmes Wasser durch den Kühlwasserkreislauf fließen, um ihn auf etwa 60 °C warm zu halten. Man kann den Motorblock auch mit einer Heizpatrone schonend auf Betriebstemperatur bringen. Außerdem sollte eine Druckschmierung vor dem Start erfolgen. Die Anlasser sollten entsprechend ausgelegt werden. Lassen Sie sich auf jeden Fall vom BHKW-Hersteller eine Gewährleistungserklärung ausstellen, dass Sie das BHKW im flexiblen Betrieb fahren wollen.


Was sollte ich machen, wenn ich ein gutes Wärmekonzept habe?


Welteke-Fabricius: Um die im BHKW anfallende Wärme bis zum Bedarf „aufzuheben“, können Sie einen Wärmespeicher installieren. Heißwasserspeicher sind derzeit die kostengünstigste Variante. Außerdem können Sie saisonal flexibilisieren: Im Sommer, wenn Sie nur wenig Wärme abgeben können, reduzieren Sie die Rohstoffmenge und damit die Stromproduktion. In der kalten Jahreshälfte dagegen können Sie die Fütterungsmenge etwas erhöhen und so mehr Biogas produzieren. Mit dem größeren Flex-BHKW können Sie dann durch Verlängerung der täglichen Laufzeit mehr Strom und Wärme erzeugen und auch mehr Wärme verkaufen.


Und wie halte ich die Fermenter warm, wenn das BHKW steht?


Welteke-Fabricius: Das Problem ist in der Vergangenheit überschätzt worden. Die Fermenter bleiben sehr lange annähernd auf der gleichen Temperatur, selbst wenn Sie nicht mehr heizen. Dazu kommt, dass die Bakterien gerade bei der Vergärung von Energiepflanzen für eine Eigenerwärmung sorgen. Nur in manchen Anlagen müssen die Fermenter in den BHKW-Betriebspausen beheizt werden. Dafür würden wir einen Pufferspeicher empfehlen.


Was ist von der passiven Flexibilisierung, also der Reduktion der Bemessungsleistung zu halten? Der Betreiber würde hierbei ja Substrat einsparen und bräuchte nicht zu investieren.


Welteke-Fabricius: Das ist richtig. Wer zu wenig Substrate hat, kann die Biogasproduktion reduzieren und dadurch flexibler werden. Die passive Flexibilisierung war kurzzeitig interessant für Betreiber, die sich noch vor dem Inkrafttreten des neuen EEG 2014 die Flexibilitätsprämie nach dem alten EEG sichern wollen. Aber die Einsparungen über die geringeren Inputstoffe ist viel geringer als der Zusatzerlös, der bei der Erhöhung der installierten Leistung möglich wäre.


Sie haben festgestellt, dass die Flexprämie größere BHKW besser fördert als kleinere. Woran liegt das?


Welteke-Fabricius: Das hängt damit zusammen, dass die spezifischen Kosten je kW Leistung bei einem größeren BHKW sinken, während die Flexprämie mit 130 €/kW Zusatzleistung gleich bleibt. Wir haben anhand von aktuellen Preisen der Hersteller festgestellt, dass das Optimum bei BHKW zwischen 2 und 4 MW liegt. Für ein BHKW mit 250 kW müssen Sie mit Investitionskosten von 1 000 €/kW rechnen, bei einer 2 MW-Maschine sind es nur etwas über 500 €/kW. Das macht den Unterschied. Trotzdem lohnt sich eine Flexibilisierung schon in Biogasanlagen ab 200 kW. Und meistens lohnt es sich, über große Flex-BHKW nachzudenken.


Ist es dann überhaupt sinnvoll, das alte BHKW weiter zu betreiben, wenn ich ein neues, größeres BHKW zur Flexibilisierung installiere?


Welteke-Fabricius: Meistens ja. Das alte BHKW hat zwar einen geringeren Wirkungsgrad. Aber Sie bekommen dafür eine höhere EEG-Vergütung. Bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung müssen Sie also nicht nur die Strommenge berücksichtigen, die Sie mit dem BHKW erzeugen, sondern auch, wie viel ct pro kWh Sie erhalten. Die installierte Leistung des alten BHKW zählt auch bei der Höhe der Flexibilitätsprämie mit. Ein zweites BHKW vergrößert zudem die Betriebssicherheit. Auch darum sollte das alte BHKW meistens am Netz bleiben.


Wenn ich keinen Strom liefern kann, diesen aber angemeldet habe, muss ich die Kosten für die Ausgleichs-energie tragen. Fressen die einen Teil des Mehrerlöses wieder auf?


Welteke-Fabricius: Sie müssten tatsächlich Ausgleichskosten für den nächsten Tag zahlen. Bei einem Ausfall des BHKW z.B. könnten Sie die veränderte Produktion ja am nächsten Tag bei der Produktionsplanung berücksichtigen. Mindermengen werden aber bei den meisten Stromhändlern mit Übermengen aus anderen Anlagen ausgeglichen, sodass nur sehr geringe „Strafzahlungen“ anfallen. Im Vergleich zu den Mehrerlösen fallen sie kaum ins Gewicht.


Bei einigen Anlagenbetreibern scheitert die Flexibilisierung an dem Netzzugang, der zu schwach ist. Was können diese Betreiber tun?


Welteke-Fabricius: Das Problem ist, dass der Netzbetreiber sein Netz so auslegt, dass es bei voller Einspeisung, aber geringer Last stabil bleiben muss. Das ist gerade in Zeiten von viel Wind und Sonne der Fall. Aber zu diesen Zeiten soll das BHKW ja gerade nicht laufen, weil die Strompreise dann niedrig sind. Wir haben das am Beispiel des Bioenergiedorfs Jühnde bei Göttingen simuliert. Dort wollten die Betreiber die installierte Leistung von 700 kW um bis zu 2,8 MW erhöhen. Der Netzbetreiber wollte nur 50 kW mehr zulassen. Wir haben eine Netzsimulation durchgeführt. An weniger als zehn Stunden im Jahr hätte die Biogasanlage die mögliche Strommenge überschritten. Daraufhin haben die Landwirte mit dem Netzbetreiber vertraglich vereinbart, dass er die Anlage in diesen wenigen Stunden im Jahr auf 700 kW abregeln darf. Das ist eine bessere Lösung für beide Seiten, als wenn das Netz ausgebaut werden müsste. Darum hat sich der Netzbetreiber darauf eingelassen. Und die Anlagenbetreiber verlieren nur wenige hundert Euro im Jahr durch die Abregelung. Die guten Erfahrungen aus diesem Projekt haben uns übrigens dazu bewogen, diese Netzsimulation jetzt auch anderen Anlagenbetreibern als Dienstleistung anzubieten.


Das Erneuerbare-Energien- Gesetz (EEG) wird derzeit reformiert. Sollen die Betreiber jetzt noch schnell ein zusätzliches BHKW installieren?


Welteke-Fabricius: Das ist nicht sinnvoll. Es wäre fatal, jetzt überhastet irgendein BHKW vom Markt zu nehmen, nur um sich die Prämie zu sichern. Denn nach dem jüngsten Stand der Diskussionen soll ja die Regelung zur Flexprämie aus dem EEG 2012 im neuen EEG für bestehende Anlagen weiterhin gelten.

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