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Gas im Tank: Diese Chancen bietet der Markt

Lesezeit: 8 Minuten

Nach dem EEG-Ende gilt der Kraftstoffmarkt als interessante Alternative. Die Erlösaussichten sind gut – Biogaserzeuger müssen aber auf neue Rohstoffe setzen.


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Gas statt Strom: Diese Alternative ist eine vielversprechende Option für Biogasanlagen, die das Ende der 20-jährigen EEG-Laufzeit erreichen. Statt des störanfälligen Blockheizkraftwerks ist dafür eine Gasaufbereitung nötig, mit der die Anlagen das Rohbiogas mit 50 bis 60% Methangehalt zu Biomethan mit 95% Methan und mehr veredeln. „Der Umstieg auf Biomethan ist vor allem für die Anlagen interessant, die kein nachhaltiges Wärmekonzept haben und nah an einer Gasleitung liegen“, erklärt Michael Kralemann vom 3N-Kompetenzzentrum Niedersachsen Nachwachsende Rohstoffe und Bioökonomie.


Aktuell ist die Produktion von Biomethan wenig attraktiv. Von den 9500 Biogasanlagen in Deutschland speisen nur 210 Anlagen Gas ins Netz ein. Seit Jahren dümpelt der Absatz in Deutschland bei etwa 10000 Gigawattstunden (GWh) vor sich hin, große Steigerungsraten gab es nicht. Über 90% des Biomethans nutzen BHKW-Betreiber, z.B. Energieversorger, zur Strom- und Wärmeerzeugung.


Kraftstoff als Absatzweg


Ein neuer Absatzweg, der langsam aus der Nische herauskommt, ist der Verkauf als Kraftstoff. Anders, als im BHKW-Bereich, gibt es hier steigende Absatzzahlen: „Von 2018 auf 2019 ist der Absatz im Kraftstoffmarkt sprunghaft um 70% auf 660 GWh gestiegen“, erklärt Alexey Mozgovoy, Leiter der Stabsstelle Kraftstoff und Biomethan beim Fachverband Biogas. Das sind knapp 6% des insgesamt ins deutsche Gasnetz eingespeisten Biomethans.


Deutsche Autofahrer verwenden aktuell 1450 GWh Bio- und Erdgas als Kraftstoff in Form von CNG (Compressed Natural Gas, also komprimiertes Gas). Damit deckt Biomethan heute etwa 45% des Kraftstoffbedarfs.


Doch nicht im Pkw-Bereich sehen Branchenexperten die Zukunft, sondern eher im Bereich der schweren Nutzfahrzeuge. Ein Grund dafür ist das neue Brennstoffemissionshandelsgesetz. Mit diesem hat die Bundesregierung Anfang 2021 eine CO2-Abgabe auf fossile Treibstoffe eingeführt. Nach Berechnungen des Landesverbandes Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen erhöht sie die Dieselkosten bei einem 40-Tonner pro Jahr um 2800 €, bis 2026 sogar um 7300 €. Für Biokraftstoffe wie Biomethan fällt dagegen keine Abgabe an.


Dazu kommen Steuererleichterungen für Gas als Kraftstoff sowie eine Mautbefreiung für Gas-Lkw bis zum Jahr 2023. Zudem können sie wegen der geringen Emissionen Innenstädte und Umweltzonen befahren.


Der Schwerlastverkehr ist auch aus Sicht des Bundesverkehrsministeriums interessant: Die Emissionen eines Sattelzugs entsprechen denen von 50 Pkw. Schon mit der Umrüstung weniger Lkw lassen sich also Emissionen im Verkehr schneller senken.


Erlösquelle Gaspreis


Beim Strommarkt erhalten Betreiber die Einspeisevergütung, Erlöse aus der Direktvermarktung sowie aus dem Wärmeverkauf. Im Kraftstoffmarkt sind es dagegen der Verkaufspreis für Biomethan und die THG-Quote.


Die Preise für das eingespeiste Gas liegen bei 5 bis 8 ct/kWh (gemeint ist der Heizwert, nicht die Kilowattstunde elektrisch). Dieser Preis wäre jedoch an der Tankstelle nicht wirtschaftlich. Denn die Autofahrer zahlen für CNG derzeit etwa 1,13 € pro kg. Bei einem Energieinhalt von 13,3 kWh/kg des überwiegend verkauften H-Gases kostet die kWh CNG an der Tankstelle damit etwa 8,4 ct. Allerdings bekommt der Erzeuger nicht den Endkundenpreis, sondern muss Margen für Händler und Tankstellenbetreiber abziehen.


Erlösquelle Quotenhandel


Die zweite und wichtigere Einnahme ist der Erlös über den Quotenhandel (siehe Kasten „So entstehen die THG-Quoten“ auf Seite 15). Der Preis für die Biokraftstoffquote schwankte in den Jahren 2019 und 2020 zwischen 170 und 420 €/t. Die hohen Preise sind vor allem auf die Erhöhung der THG-Quote von 4 auf 6% im Jahr 2020 zurückzuführen. In der Zeit haben Mineralölunternehmen mehr Quote nachgefragt.


In der Übersicht ist zu sehen, wie stark die Erzeugungskosten für das Rohgas von der Größe (Erzeugungsleistung) der Aufbereitungsanlage abhängt. Zum anderen zeigt die Grafik, wie stark die Rohgaskosten sinken, wenn ein Quotenerlös von 3 bis 7 ct/kWh eingerechnet wird – teilweise auch unter die Preise von fossilem CNG.


Nach einer überschlägigen Berechnung des Fachverbandes Biogas lassen sich mit einem Kubikmeter Biomethan gegenüber fossilem Kraftstoff rund 2,7 kg CO2 einsparen. Eine durchschnittliche Anlage mit umgerechnet 500 kW elektrisch produziert im Jahr etwa 1 Mio. m3 Biomethan. Damit ließen sich demnach rund 2700 t CO2 im Jahr einsparen. Würde die Anlage die gesamte Gasmenge als Kraftstoff absetzen und würde der Tankstellenbetreiber dafür die Quote 150 €/t CO2 bekommen, wäre das ein Erlös von 405000 €. Geht man von 10 kWh (Heizwert) pro Kubikmeter Biomethan aus, entspricht das 4 ct/kWh. Erhöht sich der Quotenpreis auf 300 €/t CO2, wäre auch der Erlös mit 8 ct/kWh doppelt so hoch.


So lukrativ sich das auch anhört: Der Quotenerlös ist von Angebot und Nachfrage abhängig und keineswegs in Stein gemeißelt. Auch kann die Mineralölindustrie die THG-Minderungsverpflichtung mit verschiedenen anderen Optionen als dem Zukauf von Quote erfüllen. So kann sie sich den Einsatz von Ladestrom für Elektrofahrzeuge, den Verkauf von fossilem Erdgas oder sogar eine THG-Minderung bei der Förderung von Öl und Gas mit dem Abfackeln von Begleitgasen (Upstream Emission Reduction) anrechnen lassen.


Gülle ist gefragt


Als besonderer Treiber für Biomethan als Kraftstoff gilt die europäische Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II), die seit 2018 in Kraft ist und bis Mitte 2021 in nationales Recht umgesetzt werden muss. Besonders Gas aus Gülle oder Mist bescheinigt die RED II eine sehr hohe THG-Minderung. Noch wird die nationale Umsetzung der RED II zwischen den Ministerien verhandelt. Doch klar ist schon heute, dass ein überwiegender Maiseinsatz nicht nur wegen des höheren CO2-Fußabdrucks bei der Treibstoffproduktion unerwünscht ist. So sieht der Mineralölkonzern Shell als Basis für die Produktion des Kraftstoffs Bio-LNG (siehe Beitrag ab S. 20) ausschließlich Reststoffe wie Gülle und Mist. Mit deren starker THG-Minderung will der Konzern Emissionen von unvermeidbaren fossilen Gasen kompensieren, um unterm Strich beim Kraftstoffverkauf treibhausgasneutral zu werden.


Höhere Kosten


„Wer von Energiepflanzen auf die Vergärung von Wirtschaftsdünger wechselt, hat zwar die Chance, mehr Geld für die Quote zu erlösen, muss aber auch höhere Produktionskosten in Kauf nehmen“, sagt Dr. Helmut Kern, Geschäftsführer des Biomethan-Dienstleisters Arcanum aus Unna. Höhere Kosten ergeben sich, weil der Betrieb beim Einsatz von Gülle und Mist mehr Behältervolumen benötigt und diese für eine möglichst hohe THG-Minderung auch abdecken sollte. Dazu kommen eventuell Aufbereitungs- oder Zerkleinerungstechniken für Mist.


Zudem ist eine neue Logistik gefragt. „Wer bei einer Anlage mit 500 kW elektrisch 10000 t Mais ersetzen will, muss etwa 25000 t separierte Gülle oder Mist einsetzen“, kalkuliert Peter Schünemann-Plag, Biogasexperte bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Das bedeutet eine Rohgüllemenge von 100000 bis 125000 m3 – und einen entsprechenden Einzugsradius. „Bevor ein Anlagenbetreiber also investiert, sollte er die Substratverfügbarkeit gesichert haben“, rät er.


Option Hoftankstelle


Beim Verkauf des Gases sind mehrere Optionen denkbar. „Sie reichen von der Abgabe des rohen Biogases an einen Dienstleister über die Gasaufbereitung und Einspeisung bis hin zu einer Hoftankstelle“, sagt Oliver Bade, Biomethanexperte beim Dienstleiter BST Innova aus Westertimke, der Weiterbetriebskonzepte für Post-EEG-Anlagen erstellt.


Die höchste Wertschöpfung aus Biomethan haben Anlagenbetreiber demnach, wenn sie zumindest einen Teil des Gases im eigenen Betrieb als Kraftstoff für Pkw und Traktoren nutzen und eventuell an Nachbarbetriebe abgeben. Schon heute ist Biomethan ein günstiger Kraftstoff. „Zudem können auch Hoftankstellenbetreiber die Biokraftstoffquoten vermarkten“, stellt Alexey Mozgovoy (Fachverband Biogas) in Aussicht. Die Nachfrage könnte steigen. Denn auch der Sektor Landwirtschaft muss nach dem Klimaschutzgesetz seinen CO2-Fußabdruck verbessern. „Das Thema Dieselersatz könnte daher in spätestens zwei bis drei Jahren große Bedeutung bekommen“, sagt er. Neben elektrisch angetriebenen Hofladern könnten dazu auch Traktoren mit CNG, Bio-LNG und anderen flüssigen Biokraftstoffen beitragen.


Zudem könnten Betriebe, wie z.B. Direktvermarkter mit Lieferdienst, nicht nur die Spritkosten senken, sondern könnten den „grünen“ Treibstoff auch für Marketingzwecke nutzen.


Aktuell fördert das Bundeslandwirtschaftsministerium die Anschaffung oder die Umrüstung von Biomethantraktoren mit dem „Bundesprogramm Energieeffizienz“. Dieses deckt die Mehrkosten gegenüber einem konventionellen Modell ab (Informationen unter www.ble.de/energieeffizienz).


Als überschlägige Kosten für eine Hoftankstelle gibt der Fachverband Biogas diese Herstellerpreise an:


  • Zapfsäule: 30000 bis 45000 €,
  • Verdichter: 25000 bis 45000 €,
  • Gasleitungen zur Zapfsäule: 2000 bis 5000 €,
  • Speicher: 500 bis 1000 €/Flasche.


Diskussion um Unterquote


Auf den ersten Blick stehen die Marktaussichten für Biomethan als Kraftstoff also sehr gut. Allerdings hängt dabei (wieder einmal) vieles an den künftigen politischen Rahmenbedingungen.


Wichtigstes Instrument dazu sind die 37. und die 38. Bundes-Immissionsschutzverordnung, mit denen Deutschland die europäische Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) in nationales Recht umsetzen will. Biomethan aus Rest- und Abfallstoffen ist demnach ein „fortschrittlicher Biokraftstoff“, für die es bereits seit dem Jahr 2020 eine eigene Quote (eine sogenannte Unterquote) gibt. Diese soll mit der Umsetzung der RED II weiter ausgebaut werden. Das bedeutet: Die Mineral-ölkonzerne müssen beim Verkauf von Kraftstoff eine gewisse Menge dieser fortschrittlichen Biokraftstoffe in den Verkehr bringen.


Heute liegt der Anteil bei geringen 0,05%. Nach dem vorliegenden Entwurf zur neuen 38. BImSchV, mit der die Bundesregierung die RED II umsetzen will, soll diese Quote bis zum Jahr 2030 auf 2,6% ansteigen. Auch das ist noch wenig ambitioniert, urteilt die Biokraftstoffbranche – zumal die Mineralölkonzerne sie nicht nur mit Biomethan, sondern mit unterschiedlichen Kraftstoffen, wie beispielsweise dem Abwasser aus der Palmölproduktion, erfüllen können. Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) fordert daher mindestens 3,5% bis 2030. Endgültige Klarheit wird es aber erst im Frühjahr 2021 geben.


hinrich.neumann@topagrar.com


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Im Folgenden zeigen wir, wie die Betreiber von zwei bestehenden Biogasanlagen den Umstieg auf die Biokraftstoffproduktion planen.

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