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Getreide, Obst und Brennholz von einer Fläche

Lesezeit: 7 Minuten

Baumstreifen auf Äckern reduzieren die Winderosion und können für höhere Getreideerträge sorgen. Noch gibt es viele technische und rechtliche Hürden. Das könnte sich jedoch ändern.


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Der Wind pfeift Mitte März über die Ackerflächen im brandenburgischen Peickwitz. Jede Böe nimmt von dem brachliegenden Schlag ein klein wenig Ackerboden mit. „In diesem Frühjahr ist es wegen der Trockenheit wieder besonders heftig. Dabei haben wir hier ohnehin nicht viel Humus auf den Böden“, beklagt Thomas Domin, der hier einen Betrieb mit 320 ha Fläche, Mutterkühen und Direktvermarktung betreibt.


Um der Bodenerosion entgegenzuwirken, hat er vor vier Jahren neun Baumreihen mit Robinien, Pappeln, Weiden und Erlen angelegt: sechs bis zu 12 m breite Streifen auf Ackerflächen, zwei auf Grünland und einen entlang eines Entwässerungsgrabens.


Neue Forschungsergebnisse


Diese Flächen hat Domin im Rahmen des Forschungsprojekts „Agroforstliche Umweltleistungen für Wertschöpfung und Energie“ (AUFWERTEN) in Zusammenarbeit mit der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus angelegt. Das Projekt ist jetzt abgeschlossen (siehe auch Kasten zu den Vorteilen auf Seite 99).


Für die Anlage der 5,7 ha Agroforstfläche hat Domin rund 30000 € ausgegeben. Die Bäume stehen insgesamt auf 1,8% der Fläche. Die Gehölzstreifen lieferten im Schnitt rund 17 t Frischmasse bzw. 8,5 t Trockenmasse pro Hektar und Jahr. „Bei unseren Böden und nur 550 mm Jahresniederschlagsmenge ist das ein sehr guter Ertrag“, schlussfolgert der Landwirt.


Weitere Effekte


  • Die Baumstreifen haben die Windgeschwindigkeit auf den Ackerflächen um ca. 50% reduziert.
  • Die Mehrerträge der landwirtschaftlichen Kulturen kompensieren den Flächenverbrauch durch die Gehölzstreifen. Die Erträge sind damit trotz der geringeren Ackerfläche gleich geblieben.
  • Am Gewässerrandstreifen sind die Nitratwerte in dem oberflächennahen Grundwasser von zeitweilig 60 mg/l auf 5 mg/l gesunken. Die Beschattung führte außerdem dazu, dass weniger Schilf am und im Graben wuchs.


Die Anlage der Streifen


Für die Anlage von Agroforststreifen sollten Flächenbesitzer vorab klären, wofür sie Streifen nutzen wollen: Steht der Erosionsschutz im Vordergrund, ist eine Anlage quer zur Hauptwindrichtung sinnvoll. Auch ist zu beachten, dass der Windschutzeffekt bei Kurzumtriebswirtschaft bis ca. 100 m Breite zwischen den Streifen messbar ist. Pflanzenarten und Bestandsdichte werden so gewählt, dass sie möglichst effektiv Windschutz bieten. Dienen die Streifen dagegen als Schattenspender für Weidevieh, sollten sie eher in Ost-West-Richtung stehen.


Die Baumreihen werden so angelegt, dass Anbau und Ernte der Ackerkulturen nicht behindert werden. Der Abstand sollte sich also nach der Arbeitsbreite von Saat-, Pflanzenschutz- oder Erntemaschinen richten.


Umtriebszeit bestimmt dichte


Die gewünschte Nutzung (Früchte wie Obst, Nüsse, oder Holz wie Stamm-, Energieholz oder Holz für Weidezaunpfähle/Spielplatzgeräte aus Robinie, z.B.) bestimmt nicht nur die Baumart, sondern auch die Bestandesdichte. Bei dreijähriger Umtriebszeit werden für die Energieholznutzung in der Regel 10000 Pflanzen/ha gesetzt, bei längerem Umtrieb weniger, damit sie mehr Platz zum Wachsen haben. „Nach der Pflanzung ist der Landwirt auf mehrere Jahre bzw. Jahrzehnte festgelegt. Daher muss er von Anfang an auch die Erntetechnik im Blick haben“, rät Ralf Pecenka vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) aus Potsdam. Das ATB hat verschiedene Erntetechniken von Agroforstsystemen untersucht.


Die richtige Erntetechnik


Bei der Produktion von Hackschnitzeln kommen für die Holzernte je nach Umtriebszeit Feldhäcksler, Anbaumähhacker, Fällgreifer oder sogar die Motorsäge zum Einsatz. „Mit heutiger Erntetechnik hatten wir in den Versuchen mit den Reihen mehr Störungen als bei einer herkömmlichen Kurzumtriebsplantage“, lautet Pecenkas Resümee. Grund: Bei den schmalen Baumstreifen gibt es deutlich mehr Randreihen mit stärkeren Stämmen und mehr Verästelungen als bei größeren Plantagen. Das führt zwar bei vierreihigen Streifen zu etwa 9% höheren Erträgen im Vergleich zur Plantage, aber auch zu mehr Problemen bei der Ernte. Seiner Meinung nach müssen bestehende Systeme technisch weiterentwickelt werden, damit sie mit den speziellen Anforderungen von Agroforstholz besser zurechtkommen. Dazu kommt: Nur wenig Lohnunternehmer sind aktuell auf die Ernte von Kurzumtriebs- oder Agroforstholz eingestellt.


Verwertung als Energieholz


Derzeit nutzen Landwirte das Holz vor allem als Brennstoff für Hackschnitzelheizungen. Nachteilig für den Verkauf: Der Holzpreis ist wegen der niedrigen Öl- und Gaspreise ebenfalls sehr gering. Zudem hat das Holz bei kurzer Umtriebszeit einen hohen Rindenanteil und ist sehr feucht.


Eine Alternative könnte daher die Kombination von Strom- und Wärmeerzeugung mit der Holzvergasung sein. Dazu hat die BTU zusammen mit Landwirt Domin errechnet, ob sich das lohnt. Nach der Kalkulation würde der Ertrag der bisherigen Gehölzfläche von 5 ha für die Versorgung einer Holzvergasungsanlage mit 30 kW elektrischer Leistung nicht ausreichen. Wenn Domin auf seinem Betrieb das Agroforstholz komplett für die Holzvergasung nutzt und alle vier Jahre erntet, würde er zum Betrieb der Anlage Holz von ca. 16 ha benötigen, hat Böhm errechnet.


Die Hackschnitzel haben einen Wassergehalt von 55%. „Da für die Holzvergasung maximal 10% Wassergehalt nötig ist, müssen sie also vor der Verbrennung getrocknet werden“, erklärt Böhm.


Die BTU hat bei der Wirtschaftlichkeit verschiedene Varianten durchgerechnet. Das Ergebnis: Eine Einspeisung des Stroms mit einer Vergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist nicht wirtschaftlich, die Eigenstromversorgung dagegen schon. Je mehr des erzeugten Stroms der Betrieb selbst nutzen kann, desto rentabler ist die Anlage, zeigen die Berechnungen. „Demgegenüber kann aber auch der Verkauf der Hackschnitzel lukrativ sein, wenn dafür ein Absatzmarkt besteht“, sagt Böhm.


Hemmnisse bei der Förderung


Ein großes Hemmnis für die Anlage von Agroforstflächen sind derzeit die rechtlichen Rahmenbedingungen. Denn Gehölze und Ackerkulturen auf einem Schlag sind derzeit noch nicht mit dem Agrarförderrecht vereinbar. Wo es Probleme gibt:


  • Agroforstflächen sind aktuell nicht beihilfefähig nach EU-Recht. Für Flächen, auf denen Gehölze stehen, erhalten Landwirte also keine Basisprämie. „Wichtig ist die Einführung eines Nutzungcodes für Agroforstschläge, damit Landwirte dafür einen Förderantrag stellen können“, sagt Böhm.


ZU große Mindestfläche


  • Dauerkulturen wie z.B. Kurzumtriebs-plantagen sind förderfähig. Allerdings schreiben die meisten Bundesländer hierfür eine Mindestfläche von 0,3 ha vor. „Die Regelung ist für Agroforstreifen zu starr und nicht immer praktikabel“, sagt Böhm.
  • Zudem gilt für Dauerkulturen, dass nur schnellwachsende Hölzer und nur eine Baumart pro Fläche angebaut werden dürfen. Auch ist die Liste der beihilfefähigen Baumarten auf sieben Gattungen begrenzt. Das würde Agroforstsysteme stark einschränken und auf die Energieholzernte festlegen.
  • Landschaftselemente sind zwar beihilfefähig und werden einem Ackerschlag zugordnet. Allerdings dürfen sie nicht beseitigt werden. Daher kommen sie für Agroforstsysteme nicht infrage. Das gleiche gilt auch für Gewässerrandstreifen.
  • Für die beihilfefähige Anbauform „mit Bäumen durchsetzte landwirtschaftliche Parzelle“ ist eine Höchstzahl von 100 Bäumen pro Hektar vorgeschrieben. Auch diese Regelung ist für viele Formen der Agroforstnutzung ungeeignet.


„Oft ist es nur ein Halbsatz in den Vorschriften, der geändert werden muss“, sagt Landwirt Domin. So konnten die Projektteilnehmer von AUFWERTEN eine Ausnahme im brandenburgischen Wasserhaushaltsgesetz bewirken. Danach ist es jetzt möglich, dass auf Gewässerrandstreifen Gehölze mit Ernteintervallen von mehr als drei Jahren bewirtschaftet werden können.


BMEL hat Defizite erkannt


Aus seiner Sicht ist auch eine Anschubfinanzierung sinnvoll. Die Pflanzung kostet je nach Baumart und Bestandesdichte 2500 bis 4000 €/ha. „Eine Förderung müsste nicht unbedingt als Investitionskostenzuschuss gezahlt werden, sondern könnte auch eine Honorierung von Umweltleistungen oder CO2-Fixierung sein“, schlägt Domin vor.


„Agroforstsysteme sind bezüglich Humusaufbau und Nitratreduzierung eine interessante Maßnahme“, unterstreicht Michael Stübgen, parlamentarischer Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium. Daher will er sich dafür einsetzen, dass Agroforstsysteme bei der nächsten Förderperiode der EU-Agrarförderung berücksichtigt werden.


Ähnlich bewertet das der Deutsche Bauernverband (DBV): „Das Thema Agroforst bekommt jetzt eine neue Dynamik, da es zur Lösung wichtiger, aktueller Themen beitragen kann wie Klima- und Bodenschutz, Artenvielfalt und Energiewende“, unterstreicht Udo Hemmerling, stellvertretender DBV-Generalsekretär.


Er hält es für notwendig, bestehende Förderhemmnisse zu beseitigen. „Das betrifft nicht nur Agroforstsysteme, sondern generell die Anlage von Rand- oder Feldstreifen.“ Sie müsse im GAP-Antrag dringend vereinfacht werden. „Außerdem müssen wir uns überlegen, wie wir Klimaschutzleistungen der Landwirte gesellschaftlich honorieren können.“


hinrich.neumann@topagrar.com

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