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Gülle und Gärrest: Rohstoffe statt Abfall

Lesezeit: 9 Minuten

Mit der richten Gärrestaufbereitung produzieren Landwirte günstige Rohstoffe für die Biogasanlage oder Dünger. Das ist nicht nur wirtschaftlich interessant, wie aktuelle Beispiele zeigen.


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Tierhalter und Biogaserzeuger haben einen unterschiedlichen Blick auf Wirtschaftsdünger: Während er ein Problemstoff in Veredelungsregionen ist, nutzen ihn Biogasanlagen als Rohstoff. Gerade in Ackerbauregionen gibt es dazu noch großes Potenzial. Denn mit Wirtschaftsdünger ersetzen die Landwirte den Mineraldünger.


Doch Gülle enthält viel Wasser. Für den Export zahlen Viehhalter in Überschussregionen wie Cloppenburg/Vechta oder Borken in Westfalen nicht selten 12 bis 20 €/m3 – je nach Entfernung und Jahreszeit.


Gleichzeitig müssen die Nährstoffe im Ackerbau aber auch Nutzen bringen. „Wir schätzen die Wirkung von organischen Düngern inzwischen sehr. Aber wir haben hier Pflanzen 50 bis 60 Jahre lang ganz gezielt mineralisch gedüngt. Dabei spielt die Eigenmechanisierung eine große Rolle, tonnenschwere Ausbringfahrzeuge sehen wir auf den guten Böden nicht gern“, berichtet Landwirt Ulrich Löhr vom Netzwerk Ackerbau Niedersachsen (NAN) aus Groß Denkte im Landkreis Wolfenbüttel.


Dazu kommt, dass die Bevölkerung keine Tierhaltung und damit auch keine Gülleausbringung gewohnt ist. Das führe zu mehr Konflikten. Zudem sind kaum Behälter vorhanden, um Gülle zwischenzulagern.


Vom Kunden her denken


Löhr ruft die Berufskollegen aus der Veredelungsregion dazu auf, vor dem Nährstoffexport vom Kunden her zu denken – eine ganz neue Sichtweise. „Wir brauchen einen Ersatz für Mineraldünger, den wir gezielt einsetzen können und bei dem wir die genauen Inhaltsstoffe kennen“, sagt Löhr. „Ackerbauern werden für die Düngung keine neue Technik anschaffen, die Ausbringung muss mit den vorhandenen Maschinen möglich sein“, hat Sascha Hermus vom 3N-Kompetenzzentrum aus dem niedersächsischen Werlte in verschiedenen Gesprächen mit Landwirten erfahren.


Darum sind neue Verfahrenskombinationen gefragt. „Es reicht heute nicht mehr aus, die Gülle nur zu separieren, um ihr Wasser zu entziehen“, betont Dr. Harald Drücker, Landtechnikexperte bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Die künftige Gülle- und Gärrestaufbereitung muss mehrere Probleme lösen: Nährstoffe gezielt exportieren, die Transportwürdigkeit verbessern und damit die Entsorgungskosten senken. „Wir müssen zu einem Produkt kommen, das einen gewissen Wert hat. Das ist auch nötig, damit sich die aufwendigeren Aufbereitungsverfahren rechnen.“


Strategien in der Praxis


Die Aufbereitung muss daher zum Kunden, also zum Abnehmer der Wirtschaftsdünger passen. Hierbei haben sich in den letzten ein bis zwei Jahren zwei Strategien als praxisnahe Lösung entwickelt:


  • Der Vieh haltende Betrieb in Überschussregionen separiert die Rohgülle – entweder mit einem eigenen, kleineren Separator kontinuierlich. Oder er beauftragt einen Lohnunternehmer, der größere Mengen auf einmal bearbeitet.
  • Die Dünnphase bleibt bei diesem Verfahren auf dem Betrieb, die Feststoffe liefern Dienstleister an Biogasanlagen in Ackerbauregionen. Einige Biogasanlagenbetreiber haben auch eine Direktbeziehung zu den Viehhaltern aufgenommen und holen die Feststoffe dort ab.
  • Die zweite Lösung: Biogasanlagen in Veredelungsregionen nehmen Gülle und Mist von Viehhaltern an, vergären diese und verarbeiten den anfallenden Gärrest zu Dünger. Dieser lässt sich dann in Ackerbauregionen vermarkten.


Feststoff sehr gefragt


Aktuell gibt es einen regelrechten Run auf die Feststoffe von separierter Rindergülle. „Sie sind ideal für die Biogasanlage und inzwischen beliebter als Hähnchenmist oder Hühnertrockenkot. Denn sie enthalten weniger Stickstoff, was für die Biologie im Fermenter besser ist“, sagt Carsten Bahlburg von der Firma BST Innova aus Tarmstedt (Niedersachsen), die sich auf Gülle- und Gärrestaufbereitung spezialisiert hat. Außerdem enthält der Feststoff keine Fasern – anders als z.B. strohreicher Pferde- oder Rindermist. Darum lässt sich das Material gut mit bestehender Einbringtechnik verarbeiten.


Zudem ist das Material günstig: In vielen Regionen können es Biogasanlagenbetreiber kostenlos abholen oder bekommen es gegen kleines Entgelt geliefert. Zwar liegt die Gasausbeute nur bei maximal der Hälfte von der von Silomais. Das bedeutet: Es sind – bezogen auf Frischmasse – 2 t Güllefeststoffe nötig, um 1 t Silomais zu ersetzen. „Damit steigt der Lagerbedarf auf der Anlage“, erklärt Bahlburg. Aber dafür kann der Biogasanlagenbetreiber damit auch Gülle ersetzen und trotzdem die Auflagen für den Güllebonus erfüllen. Denn er schiebt weniger Wasser durch die Anlage, was den Lagerraum für den Gärrest am Ende reduziert.


Wichtig für eine hohe Gasausbeute ist es, dass die Feststoffe möglichst frisch zur Biogasanlage kommen. In der Praxis hat es sich bewährt, wenn das Material nicht älter als eine Woche ist.


Die richtige Separation


Bei der Wahl der richtigen Separationstechnik kommt es vor allem auf die Art der Rohgülle an, zeigen Erfahrungen aus verschiedenen aktuellen Projekten, wie z.B. dem kürzlich abgeschlossenen deutsch-niederländischen Demonstrationsprojekt „Mest op Maat“ (Dünger nach Maß):


  • Pressschneckenseparatoren sind ideal für Rindergülle und Gärrest.
  • Bei Schweinegülle dagegen sind Zentrifugen das Mittel der Wahl.


Beide Techniken gibt es inzwischen auch als mobile Einheiten auf Lkw-Aufliegern mit einer Durchsatzleistung von bis zu 250 m3/Stunde. „Die Lohnunternehmer, die die Dienstleistung anbieten, vermarkten dabei in der Regel auch die Feststoffe, die per Förderband gleich auf einen Lkw geladen werden“, sagt Drücker.


Bei den Geräten mit Pressschnecken drückt eine Schnecke die zugeführte Gülle gegen ein Sieb. Die in der Gülle enthaltenen Fasern sorgen für den Aufbau eines „Propfens“, der als zusätzliches Sieb dient. Die Kosten für diese Fest-Flüssig-Trennung liegen je nach Durchsatzleistung und Anlagengröße bei 1,20 bis 3,50 €/m3 Rohgülle. „Die Investitionskosten für einen Separator gehen bei 30000 € los“, erklärt Dr. Drücker von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.


Bei dieser Technik lässt sich über den Anpressdruck der Schnecke der TS-Gehalt des Feststoffs einstellen. Er kann zwischen 20 und 30% liegen. Feuchtes Material ist aus Sicht des abgebenden Betriebs dann erwünscht, wenn der Lagerraum knapp ist und viel Masse abtransportiert werden soll. „Mit der Separation lässt sich der Lagerraum, je nach TS-Gehalt des flüssigen Substrates in der Regel um 10 bis 25% reduzieren“, sagt Drücker.


Unterschiede beim Phosphor


Trockener Feststoff ist dagegen gefragt, wenn Nährstoffe günstig über weite Entfernungen transportiert werden sollen. Allerdings gelingt die Nährstofftrennung mit der Pressschnecke nicht so gut, zeigen Messungen der Landwirtschaftskammer. Aus Sicht der Rinderhalter steht ohnehin nicht allein der Export von Phosphor oder Stickstoff im Vordergrund. Sie erhalten mit der Dünnphase einen Flüssigdünger, der sich gut auf dem Grünland ausbringen lässt. Denn er enthält viel pflanzenverfügbaren Ammonium-N, dafür aber weniger Fasern. Diese können bei Trockenheit „Würste“ auf dem Grünland bilden, die mit dem Gras nach oben wachsen und bei der Ernte wieder ins Futter gelangen.


Dagegen ist der Export von Phosphor bei Schweinehaltern gefragt. „Das gelingt sehr gut mit der Zentrifuge“, berichtet Sascha Hermus (3N) vom Projekt „Mest op Maat“. Bis zu 80 % des in der Schweinegülle enthaltenen Phosphats (P2O5) reichert sich im Feststoff an, während in der Dünnphase Stickstoff und Kali enthalten sind.


Zentrifuge für Schweinegülle


Bei einer Zentrifuge wird die Gülle in eine Trommel eingeführt und anschließend mit 2500 bis 3000 Umdrehungen pro Minute geschleudert. Per Fliehkraft tritt dabei die Flüssigkeit aus. „Die Technik funktioniert bei Schweinegülle sehr gut, hat aber einen hohen Strombedarf“, erklärt Drücker. Das erhöht die Gesamtkosten: Diese sind mit 5 bis 7 €/m3 doppelt so hoch wie bei der Pressschnecke.


Bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung sollte jeder einzelne Betrieb aber genau rechnen, was er heute für die Entsorgung bezahlt und was die Separation bringen könnte, rät Gerd Meyering, der bei der Landwirtschaftlichen Bezugsgenossenschaft Damme (LBD) für den Einsatz einer überbetrieblichen Zentrifuge zuständig ist. Die LBD übernimmt für Schweinehalter in der Gegend die komplette Dienstleistung, angefangen von der Stoffstrombilanz bis hin zur Pflanzenbauberatung und Dokumentation.


Feststoff für Biogasanlagen


Die Genossenschaft liefert den abseparierten Feststoff derzeit vor allem Biogasanlagen in Ackerbauregionen im Raum Hannover, Gütersloh oder Kassel. Das Zentrifugieren einschließlich Abfuhr der Feststoffe kostet in etwa 10 € je m3 Durchsatz plus Anfahrt. „Wer heute mehr als 10 €/m3 Gülle für die Abfuhr bezahlt, sollte zumindest über das Zentrifugieren nachdenken“, nennt Meyering einen Faustwert. Mit der Dünnphase erhält der Landwirt zudem einen Kalidünger im Wert von rund 2 bis 3 €/m3. Zieht man das von den Separationskosten ab, liegen die Kosten bei 7 bis 8 €/m3 Gülle.


Vollaufbereitung im Fokus


Heute ist die Festflüssigtrennung (neben der Trocknung oder der Vakuumverdampfung von Gärresten) das häufigste Aufbereitungsverfahren. Daneben gibt es seit Längerem Ansätze zur Vollaufbereitung, bei der mithilfe von verschiedenen Verfahren wie die Ultrafiltration und die Umkehrosmose verschiedene Nährstofffraktionen und einleit-fähiges Wasser hergestellt wird. Von ihnen gibt es aber in Deutschland noch keine kontinuierlich laufende Anlage. Sie stehen vor vielen Herausforderungen, wie Drücker berichtet: „Sie müssen die nötigen Grenzwerte einhalten, die für das Einleiten des Wassers in den Vorfluter vorgeschrieben sind.“


Außerdem arbeiten einige Verfahren mit Fällungs- und Flockungsmitteln, was bei einer Verschärfung des Düngemittelrechts auf Dauer problematisch werden kann.“ Ein häufiges Problem ist auch die Verstopfung der Membranen bei der Umkehrosmose mit Fasern in der Gülle.


Zudem ist die Vollaufbereitung auch nichts für den einzelnen Betrieb: Laut Drücker sind wegen der hohen Investitionskosten jährliche Durchsatzmengen von 100000 m3 und mehr nötig, damit sich die Anlage rechnet. „Die Aufbereitungskosten werden aktuell nicht unter 10 €/m3 liegen“, kalkuliert der Berater.


Dazu kommen die Transportkosten vom Betrieb zur Aufbereitung, die der Viehhalter noch dazu rechnen muss. Und schließlich muss er langfristige Verträge mit dem Betreiber der Aufbereitung eingehen. So flexibel wie mit einer Güllebörse ist er dann nicht mehr.


Daher scheinen sich dezentrale Lösungen derzeit verstärkt durchzusetzen. Hierfür gibt es verschiedene Ansätze, wie die Direktbeziehungen zwischen Biogasanlagen und Milchviehhaltern, überbetriebliche Dienstleistungsangebote von Genossenschaften wie die LBD oder von Maschinenringen.


hinrich.neumann@topagrar.com


Im Folgenden stellen wir Ihnen das Beispiel einer Biogasanlage aus dem Raum Borken vor, die sich auf die Lösung von Nährstoffüberschüssen spezialisiert hat. In der anschließenden Marktübersicht berichten wir über neue Techniken zur Gülle- und Gärrestaufbereitung.

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