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Hilfsstoffe für Biogasanlagen – was ist sinnvoll?

Lesezeit: 7 Minuten

Zusätze wie Enzyme, Entschäumer und andere Prozesshilfsmittel können die Gasausbeute steigern. Doch nicht alle sind wirtschaftlich. Das zeigt eine neue Studie.


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Die Gründe für den Einsatz von Hilfsstoffen in Biogasanlagen sind vielfältig. Sie sollen in den meisten Fällen entweder die Biogasproduktion bzw. -qualität steigern, den biologischen Prozess stabilisieren oder Störungen beheben – und gleichzeitig noch wirtschaftlich sein.


Ob sich der Einsatz lohnt, lässt sich mit einer Analyse des Anlagenzustandes und der Prozessführung herausfinden. Das Institut für Biogas, Kreislaufwirtschaft und Energie aus Weimar hat mit dem Kompetenznetzwerk Biogas die Einsatzbereiche/Zielbereiche und den Markt für Hilfsstoffe, die sich auf die Prozessbiologie in der Biogasanlage auswirken, untersucht. Dazu gehören:


  • Spurenelemente,
  • Entschwefelung,
  • Ammoniakreduzierung,
  • (aktive) Mikroorganismen,
  • Enzyme
  • Stabilisierung der Prozessbiologie,
  • Entschäumer und
  • pH-Wert-Regulation.


Anbieter von Prozesshilfsstoffen haben entweder einzelne Präparate oder kombinierte Produkte im Programm. Daher ist es schwer, Anbieter zu vergleichen. Zu beachten ist auch, dass viele Berater zu wesentlichen Teilen vom Vertrieb eigener Hilfsstoffe leben und damit eine wirklich unabhängige Beratung nur selten erhältlich ist. Die folgenden Angaben können Biogasanlagenbetreibern als eine kleine Orientierungshilfe dienen.


Spurenelemente


Auf dem Markt gibt es meistens Mischungen, die nach firmeneigenen Rezepturen zusammengestellt werden. Sie werden als Pulver oder als Lösung angeboten. Das Versprechen ist in der Regel eine gute Versorgung mit essentiellen Spurenelementen für die biogasbildenden Bakterien.


Um die Mischung individuell anzupassen und die Gefahr einer Überdosierung zu minimieren, wird eine Probe des Fermenterinhalts im Labor analysiert. Eine Überdosierung kann zum Überschreiten der zulässigen Spurennährstoffkonzentrationen nach der Düngemittel-Verordnung führen. Bei Anlagen mit hohen Konzentrationen an Schwefelwasserstoff erfolgt häufig eine Kombination mit unmaskierten Eisenpräparaten im Überschuss. Denn die Spurenelemente könnten ansonsten mit Schwefel zu Schwermetallsulfiden reagieren und wären damit nicht mehr wirksam.


Entschwefelung


Die Dosierung ist meist einfach – als Pulver oder Lösung, je nach Verfahren. Eine Dosierung kann auf Basis der im Biogas gemessenen H2S-Konzentrationen erfolgen. Überdosierungen führen nicht zu Störungen der Prozessbiologie. Eisenchlorid beispielsweise kann aber zu Korrosion führen. Der Einsatz von Hilfsstoffen ist in der Grobentschwefelung deutlich günstiger als die Nutzung von Aktivkohle.


Ammoniakreduzierung


Ebenso wie Schwefel kann Stickstoff in Form von Ammonium im Fermenter zu Störungen führen. Als Ammoniak-Gas wirkt Stickstoff biotoxisch und senkt die Klopffestigkeit des Biogases bei der Verbrennung in den Motoren ab. Außerdem entstehen daraus in den Verbrennungsabgasen unerwünschte NOx-Verbindungen.


Eine Fällung kann teilweise spontan, aber auch gesteuert im Fermenterinhalt erfolgen. Dabei ist die Fällung als Magnesiumammoniumphosphat (MAP, „Struvit“) am bekanntesten. Auf Sorptionsbasis und durch Ionenaustausch können Sie ebenfalls eine Ammoniakentgiftung des Gärmediums im Fermenter erreichen. Dazu werden verschiedene Substanzen mit großer spezifischer Oberfläche (Bentonite, Zeolithe, Silikate, dotierte Aktivkohle) in gemahlener Form in den Fermenterinhalt eingemischt.


Doch Achtung: Fällungsprodukte können abrasiv wirken und den Verschleiß an rotierenden Anlagenteilen wie Rührwerken erhöhen.


aktive Mikroorganismen


Alternativ können auch gleich spezialisierte und angepasste Mikroorganismen eingesetzt werden. Die einfachste Methode dieser Art ist die Verwendung des Fermenterinhalts einer effizient arbeitenden Biogasanlage. Es werden aber auch speziell bereitgestellte Mikroorganismen am Markt angeboten, deren Einsatz wirtschaftlich, aber auch bezüglich der langfristigen Wirksamkeit kritisch zu prüfen ist.


Enzyme


Sämtliche bakteriellen Stoffwechselreaktionen laufen enzymgesteuert ab. Meistens bilden die Hydrolysebakterien Mischpopulationen, die sich auf die jeweiligen gefütterten Substrate und Mengen spezialisiert haben. Beim schnellen Wechseln der Substrate oder bei Mengenänderungen müssen sich die Bakterien erst anpassen, was die Gasausbeute vorübergehend reduzieren kann. Man könnte daher annehmen, dass Enzymdosierungen z.B. bei Substratwechselphasen die Gasausbeute erhöhen. In der Praxis gibt es hierzu jedoch widersprüchliche Ergebnisse: Ein Enzymeinsatz führt häufig vorübergehend zur Lösung von Prozessproblemen (verbessert zum Beispiel unzureichende Rührfähigkeit im Fermenter), im Dauerbetrieb sollten Sie die hohen Kosten den möglichen Mehrerträgen allerdings kritisch gegenüberstellen.


Prozessstabilisierung


Künstliche Trägermaterialien, an denen sich bestimmte, unerwünschte Stoffe anhaften, können nicht nur den Fermenterinhalt entgiften, sondern auch als zusätzliches Trägermaterial dienen. Durch Behandlung (Dotierung) solcher Materialien mit Enzymen oder Impfbakterien mit speziellen Eigenschaften lässt sich die Effizienz des Gärprozesses weiter steigern.


Biogasanlagenbetreiber können auch Algen aus Algenzuchtanlagen, Flachwassermeeresbereichen und Binnengewässern als biologischen Zusatz verwenden. Ihr hoher Gehalt an Nährstoffen und Spurenelementen lässt erwarten, dass die Algenpräparate neben dem zusätzlichen Kohlenstoffanteil auch einem Nährstoffmangel entgegenwirken können.


Entschäumer


Schaumbildung in Biogasanlagen kann verschiedene Ursachen haben. Schaum entsteht im Fermenter beim Eintrag bestimmter Substrate oder aufgrund der Änderung in der Prozessführung infolge von Stresssituation. Deshalb sollten Sie neben Sofortmaßnahmen auch der Ursache auf den Grund gehen.


Entschäumer können entweder auf nichtmineralischer Ölbasis beruhen (z.B. Sonnenblumenöl, Silikonöle) oder aus Mischungen von Alkoholen und organischen Säuren bestehen. Sie sind in der Regel biologisch abbaubar, was ein Vorteil bei der kurzzeitigen Schaumbekämpfung ist.


pH-Wert-Regulation


Generell droht bei einem Absinken des pH-Wertes die Übersäuerung und damit ein Kollaps der ineinandergreifenden biologischen Prozessschritte im Fermenter. Um den Prozess zu stabilisieren, müssen Sie unbedingt schnell handeln. In den meisten Fällen hilft es, den Substrateintrag zu reduzieren oder komplett zu stoppen.


Einige Hilfsstoffhersteller bieten für solche Fälle Natriumhydrogenkarbonat, Kalk, Kalkmilch oder ähnliche, anorganische Chemikalien an. Hierbei ist das Risiko zu beachten, dass die Dosierung zu einem Umschlag des pH-Wertes in die andere Richtung führen kann.


Aber Achtung: Anorganische Chemikalien, die den pH-Wert regulieren, sind deshalb stets nur in sehr kleinen Mengen und mit ausreichenden Pausen zwischen den Dosierungen anzuwenden, damit sichergestellt ist, dass die Chemikalien im Fermenter gleichmäßig verteilt werden und die Messstelle für den pH-Wert den tatsächlichen Reaktionsraum-Mittelwert anzeigt. Eine genaue Berechnung der benötigten Menge an anorganischen Chemikalien ist nicht möglich, jedoch können vorab Eimerversuche hilfreich sein, um die anzuwendende Größenordnung abzuschätzen.


Wie Sie die Wirkung prüfen


Prozesshilfsstoffe können in vielen Fällen tatsächlich eine große Hilfe sein – entweder im akuten Störfall, bei anlagenbedingten Herausforderungen in der Prozessführung oder zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der Anlage.


Hilfsstoffe können auch eingesetzt werden, um bestimmte Grenzwerte zu unterschreiten, die aufgrund neuer Richtlinien oder Anforderungen von Geräten einzuhalten sind. Derartige Grenzwerte sind unter anderem für die Emission umweltrelevanter Schadgase relevant – wie Stickoxide, Schwefelwasserstoff oder Ammoniak, beispielsweise als Schutz gegen Korrosion im Motor oder gegen die schnelle Alterung von Motorenölen. Bevor Sie Hilfsstoffe einsetzen, sollten Sie zunächst prüfen, ob der biologische Prozess in Ihrer Anlage optimal läuft. Einflussfaktoren sind unter anderem Temperatur, Verweilzeit, Vorgehen bei Substratwechseln oder die Durchmischung im Fermenter. Auch sollten Sie prüfen, welchen wirtschaftlichen Erfolg Hilfsstoffe bringen. Wie viel Substrat können Sie einsparen? Gibt es Auswirkungen auf Wartungsintervalle? Vermindern sich Betreuungsaufwand oder Energiebedarf?


Um die Wirkung der Stoffe zu prüfen, sollten Sie die spezifische Gasausbeute vor, während und nach Einsatz des Hilfsstoffes prüfen lassen. Dabei sind derartige Untersuchungen in der Regel langfristig (z.B. drei Monate vor Einsatz des Hilfsstoffes, drei Monate während des Einsatzes und drei Monate nach Absetzen des Hilfsstoffes) anzulegen und sind nur dann aussagekräftig, wenn in dem Untersuchungszeitraum ansonsten keine wesentlichen Veränderungen stattgefunden haben.


Genaue Daten sind wichtig


Gerade die Erfassung belastbarer Prozessdaten in Biogasanlagen ist aber eine große Herausforderung, da z.B. die Substratqualität nur von der letzten Ernte her bekannt ist oder die realen Substratdosiermengen ungenau erfasst werden, sodass keine repräsentative Aussage möglich ist.


Gerade bei eher gering messbaren prozentualen Effekten von Prozesshilfsmitteln muss das „Grundrauschen“ der online und offline erfassten Prozessdaten geringer sein als der zu messende Effekt – und dabei sind zum Beispiel 2,5% Mehr- oder Minderausbeute an Biogas zwar wirtschaftlich hochinteressant, aber messtechnisch im laufenden praktischen Anlagenbetrieb kaum feststellbar.


Die persönliche Diskussion mit Anlagenbetreibern, die einen Prozesshilfsstoff schon über längere Zeiträume einsetzen, bietet eine zusätzliche Chance, sich zusätzlich ein Bild von der Wirksamkeit des angebotenen Produktes zu machen. Dabei ist allerdings wichtig, dass die Biogasanlage des Kollegen mit vergleichbaren Substraten und einem vergleichbaren Betriebsregime betrieben wird.


hinrich.neumann@topagrar.com

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