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Hohe Strompreise: So profitieren Biogasanlagen

Lesezeit: 8 Minuten

Die Energiepreise sind in diesem Herbst im Höhenflug. Die Kapriolen an den Strombörsen sorgen bei flexiblen Biogasanlagen für hohe Zusatzerlöse. Es könnte erst der Anfang sein, erwarten Experten.


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Die Energiepreise brechen seit einigen Wochen einen Rekord nach dem anderen. Es sind die höchsten Werte innerhalb der vergangenen 15 Jahre, melden die Analysten von Energy Brainpool. Was sind die Gründe dafür und wie können Biogasanlagen beim Stromverkauf davon profitieren?


Gründe für den Preisanstieg


Ein Grund ist, dass Windenergieanlagen im Jahr 2021 aufgrund des geringen Windangebots weniger Strom erzeugten, weshalb mehr Gaskraftwerke eingesprungen sind. Das hat die Nachfrage nach Gas und damit den Preis weiter steigen lassen. „Dazu kommen höhere Preise für CO2-Zertifikate, ein Anstieg der Kohlepreise oder höhere CO2-Auflagen in China, die dadurch bei der Stromerzeugung verstärkt Kohle durch Gas ersetzen“, zählt Christian Dorfner vom Energiedienstleister SKVE aus Regensburg weitere Gründe auf. Das führt dazu, dass auch für 2022 mit höheren Strombörsenpreisen gerechnet wird. Während die Preise im langjährigen Mittel seit dem Jahr 2000 von 2 bis 6 ct/kWh schwankten, erwartet Dorfner für 2022 eher 12 ct/kWh.


Chance für flexible Anlagen


Flexible Biogasanlagen besitzen einen großen Gasspeicher und mehrere BHKW. Sie können für viele Stunden ausgeschaltet sein, während sich das entstehende Gas im Speicher sammelt. Wegen der zusätzlich installierten BHKW mit höheren Wirkungsgraden können die Betreiber die während des Stillstands nicht produzierte Strommenge nachholen. „Für einzelne Stunden ergeben sich sehr hohe Erlöse, diese müssen die Anlagen jetzt möglichst erwischen“, erklärt Dorfner. Entscheidend sind dafür drei Märkte:


  • Versteigerung der 24 ganzen Stunden des nächstes Tages (Day-Ahead-Markt),
  • Versteigerung der 96 Viertelstunden des nächsten Tages (15-Uhr-Auktion oder Intra-Day-Auktion),
  • Handel der nächsten Viertelstunden (der kontinuierliche Intra-Day-Markt).


„Vereinfacht gesagt, gleicht der kurzfristige Strommarkt die Wettervorhersagen aus“, sagt der Energieexperte. Dazu ein Beispiel: Wenn für 18 Uhr ein Sturm in einer Region vorhergesagt ist, rechnet der Netzbetreiber zu der Zeit mit viel Windstrom im Netz und geringen Preisen. Kommt der Wind erst zwei Stunden später, gibt es um 18.00 Uhr zu wenig Strom, den der Netzbetreiber am Strommarkt einkaufen muss. „Am kurzfristigen Markt sind auch heute schon Preise von 50 ct/kWh und mehr keine Seltenheit“, spricht der Experte aus Erfahrung. „Was wir immer schon propagiert haben, tritt jetzt ein: Flexible Biogasanlagen und BKHW haben gute Chancen am Strommarkt und zeigen, dass sie mehr und mehr die Rolle fossiler Kraftwerke übernehmen können“, ergänzt Uwe Welteke-Fabricius vom Netzwerk „Flexperten“.


Das Analysehaus Energy Brainpool hat für 2035 vorausgesagt, dass die Zahl der Stunden mit Börsenpreisen von über 10 ct/kWh auf über 1000 im Jahr steigt. „Diese Zahl haben wir jetzt schon im September und Oktober erreicht“, erklärt er. Auch wenn der Preisanstieg aufgrund der Erdgasknappheit jetzt eine Sondersituation ist, werde es auch künftig höhere Preise und starke Schwankungen geben, wenn mehr Atom- und Kohlekraftwerke vom Netz gehen.


Mögliche Erlöse


Wie hoch die Erlöse für die einzelnen Anlagen sind, hängt vor der Überbauung ab, also der zusätzlich installierten Leistung. Hat eine 500-kW-Anlage 1000 kW installiert, spricht man von „doppelter Überbauung“, 2500 kW wäre eine fünffache Überbauung – nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz das gegenwärtige Maximum. „In der Vergangenheit haben fünffach überbaute Anlagen in etwa 1,5 ct/kWh Mehrerlös erzielt, im Jahr 2021 liegen wir im Schnitt bei 3 ct/kWh“, rechnet Dorfner vor (siehe Übersicht 1 auf Seite 14). Aktuell verdienen diese Anlagen sogar 7 bis 8 ct/kWh mehr. In einigen Fällen gab es im September und Oktober bis zu sechsstellige Mehrerlöse je Megawatt Bemessungsleistung.


Gerade Anlagen mit großen Gasspeichern können auf die sehr kurzfristigen Preisschwankungen reagieren. Dazu gehört, die Stromerzeugung auch mal 60 Stunden auszusetzen oder innerhalb von fünf Minuten die Leistung hochzufahren. Damit auch Anlagen, die an ein Nahwärmenetz angeschlossen sind, flexibel fahren können, sind zudem große Wärmespeicher von 1000 m3 und mehr gefragt. „Ohne Wärmespeicher müssen die Anlagen im Winter unabhängig vom Börsenstrompreis immer dann produzieren, wenn die Wärmekunden heizen wollen“, sagt er.


Gut für Verbraucher


Die Ausweitung der erneuerbaren Energien hat den Preisanstieg an den Börsen gedämpft. Denn der Strompreis wird immer von den teuersten Kraftwerken bestimmt. Das hängt mit der Preisbildung zusammen: Strom wird an der Börse über Auktionen verkauft. Die Bieter werden anhand ihrer gewünschten Strompreise aufgereiht, angefangen bei der Technologie mit den geringsten Brennstoffkosten. Das wird im Fachjargon Merit Order genannt. Dann wird – angefangen von den günstigsten Kraftwerken – berechnet, bei welchem Gebot die gewünschte Menge erreicht ist (siehe Übersicht 2). „Heute sind die günstigsten Kraftwerke Wind- und Solarparks, weil sie keine Brennstoffkosten haben“, erklärt Welteke-Fabricius. In der Übersicht wird deutlich: Bei der hier beispielhaft ausgeschriebenen Menge von 60 GW würde der Strompreis bei 30 €/MWh (3 ct/kWh) liegen. Ohne die erneuerbaren Energien würde der gesamte fossil-atomare Block nach links rutschen, der Strompreis hätte 60 €/MWh erreicht.


Hoffen auf die Politik


Lange Zeit war ungewiss, welche Rolle die Bundesregierung Biogasanlagen in Zukunft zuschreibt. Das Sondierungspapier der künftigen Koalitionspartner macht aber Mut: Der Ausbau der erneuerbaren Energien soll massiv vorangehen. „Mit modernen Gaskraftwerken wollen die Ampelparteien den steigenden Energie- und Wärmebedarf zu wettbewerbsfähigen Preisen decken, bis die Erneuerbaren ausreichende Versorgungssicherheit bieten. Aber Wind- und Solarenergie werden diese allein nie bieten können“, sagt Welteke-Fabricius.


Das spräche für die rund um die Uhr verfügbare Bioenergie, die die Rolle der Gaskraftwerke schnell und kostengünstig übernehmen könnte. „Biogas ist heute schon in großen Mengen vorhanden, was vielen Politikern nicht bewusst ist. Immer mehr davon stammt aus Zwischenfrüchten wie Kleegras, Blühpflanzen, Mist oder Stroh.“


Mit den jetzt teilweise erreichten Börsenstrompreisen von 16 ct/kWh könnten die Anlagen nahezu ohne Förderung auskommen. Aber darauf könne man keine Finanzierung aufbauen. Die Banken bräuchten mehr Sicherheiten. Darum sei zumindest ein Mindesterlös in Form einer EEG-Vergütung als Sockel nötig. Eine Forderung, die in der heutigen Energiepolitik durchaus legitim ist: Auch fossile Kraftwerke erhalten staatliche Unterstützung. „Selbst mit einer Förderung für bestehende Biogasanlagen ist die Energiewende günstiger, als wenn wir teure, neue Gaskraftwerke auf die grüne Wiese stellen“, sagt der Energieexperte.


Studie bestätigt Potenziale


Wie wichtig flexible Biogasanlagen für das Energiesystem der Zukunft sind, zeigt die Studie „Bioenergie – Potentiale, Langfristperspektiven und Strategien für Anlagen zur Stromerzeugung nach 2020 (BE20plus)“, an der Institute wie das Deutsche Biomasseforschungszentrum, das Institut für Zukunftsenergiesysteme oder das Institut für Energiewirtschaft und rationelle Energieanwendungen der Uni Stuttgart beteiligt waren. Die Ergebnisse:


  • Die speicherbare Bioenergie senkt bei höheren Anteilen erneuerbarer Energien die Systemkosten.
  • Biogasanlagen ersetzen die Leistung der ausscheidenden Großkraftwerke.
  • Je stärker die Anlagen flexibilisiert sind, desto mehr Erdgas ersetzen sie.
  • Der Bedarf an Bioenergie bis 2045 beträgt in den verschiedenen Szenarien bis zu 40 GW Leistung. Heute sind etwa 5,8 GW installiert. Daher ist nicht nur eine stärkere Flexibilisierung und Modernisierung der bestehenden Anlagen gefragt, sondern es muss auch wieder zu einem erheblichen Zubau neuer Anlagen kommen.


Die Autoren der Studie haben aber auch Empfehlungen sowohl an die Politik als auch an die Betreiber selbst. So kommen sie zu dem Schluss, dass es ohne den flexiblen Betrieb bis zum Jahr 2040 zu einem kompletten Rückgang der Bioenergienutzung kommt. Die sehr hohen Gestehungskosten von nicht flexibel betriebenen Grundlastanlagen würden dafür sorgen, dass die Anzahl und damit die installierte Leistung an Bioenergieanlagen mit abnehmender Flexibilität ebenfalls deutlich abnehmen. Diese müssten durch fluktuierende Energien wie Wind- und Solaranlagen ersetzt werden, deren installierte Leistung aber wegen der geringeren Versorgungssicherheit deutlich höher sein muss als die der zu ersetzenden Bioenergieanlagen. Man müsste erneuerbaren Strom verlustreich in speicherbare Energieträger wie Wasserstoff umwandeln, um die Lücken zu füllen.


Die Studie sieht auch in der Optimierung der Brennstoffkosten große Chancen, einen Weiterbetrieb von Bioenergieanlagen über die erste EEG-Phase hinaus erfolgreich zu gestalten. Hier sollte ein Fokus darauf gelegt werden, Erlöse für Leistungen außerhalb des Strom- und Wärmemarkts zu erzielen und eine intelligente und optimierte Nutzung der Substrate (z.B. saisonaler Betrieb, Substratoptimierung aus der Landschaftspflege etc.) umzusetzen.


Bedeutung wird steigen


„Langfristig wird die Bedeutung der Bioenergie in einem dekarbonisierten und transformierten Energiesystem bzw. Strom-Wärme-System weiter steigen“, sagte einer der Studienautoren, Dr. Ludger Eltrop, auf der FNR/KTBL-Tagung „Biogas in der Landwirtschaft“ Ende September. Sein Fazit: Bioenergieanlagen würden sowohl zu einer regenerativen Energiebereitstellung als auch zu einem sicheren und stabilen Energiesystem weiter gebraucht.


hinrich.neumann@topagrar.com

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