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Klimaschutz: Auch die Landwirtschaft profitiert

Lesezeit: 10 Minuten

Das Klimaschutzpaket verlangt Landwirten einiges ab, zum Beispiel höhere Dieselpreise. Aber es gibt neue Einnahmequellen wie den Verkauf von Dünger aus Gärrest, CO2-Zertifikaten oder nachwachsenden Rohstoffen.


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So langsam wird es ernst mit dem Klimaschutzprogramm der Bundesregierung. Auch die Landwirtschaft soll massiv Treibhausemissionen senken. Denn sie verursacht rund 8% der Emissionen in Deutschland. Hierfür hat die Bundesregierung im Oktober 2019 ein umfangreiches Maßnahmenbündel beschlossen – allerdings ohne konkrete Vorgaben (siehe Übersicht).


Doch das ändert sich. Erstmals erhebt Deutschland einen Preis auf CO2- Emissionen von fossilen Kraft- und Brennstoffen. Der Preis von 25 €/t CO2 führt zu einem Preisanstieg von etwa 6,6 ct/l für Diesel. Bis zum Jahr 2026 wird er auf 17,2 ct/l ansteigen.


Doch Landwirte sind nicht nur Betroffene. Sie können auch von den Klimaschutzbemühungen profitieren.


1. Weniger Stickstoff


Neben der Diskussion um die Nitratbelastung im Boden steht Stickstoff auch in puncto Klimaschutz in der Kritik. So hat Lachgas (N2O) eine fast 300-mal höhere Klimawirkung als CO2. „Aber auch Ammoniak aus Gülle und Mist ist klimaschädigend, weil es zu N2O umgewandelt wird“, erklärt Prof. Walter Stinner vom Deutschen Biomasse-Forschungszentrum (DBFZ) aus Leipzig.


Die Biogastechnologie könnte dafür sorgen, dass Gülle und Mist zu hochwertigeren Düngern veredelt werden. Eine zusätzliche Aufbereitung erhöht die Transporteffizienz, um Nährstoffe aus Veredelungsgebieten in Ackerbauregionen zu bringen und damit regionale Nährstoffüberschüsse auszugleichen (Bild 1). Beides hilft, den Mineraldüngereinsatz zu reduzieren.


Tierhalter können dabei entweder selbst in die Produktion einsteigen oder mit Betreibern bestehender Anlagen kooperieren. „Wichtig dabei ist, dass auch die Anlagenbetreiber N-Verluste bei der Gärrestaufbereitung und -ausbringung minimieren“, sagt Stinner. Dazu gehört eine Reinigung der ammoniakhaltigen Abluft aus Separations- und Trocknungsanlagen genauso wie die Abdeckung von Gärrestlagern, Misthaufen oder Lagerstätten von separierten Güllefeststoffen.


2. Mehr Energie aus Gülle


Die Bundesregierung will mit der energetischen Nutzung von Gülle und Mist Methanemissionen vermeiden. Denn bei der offenen Lagerung von Wirtschaftsdüngern entweicht das Gas, das 25-mal klimaschädlicher als CO2 ist.


Bei der Biogasproduktion dagegen wird es im Blockheizkraftwerk verbrannt oder als Erdgasersatz ins Gasnetz eingespeist (Bild 2). Nach Zahlen des DBFZ vergären Biogasanlagen in Deutschland heute erst 30% der anfallenden Wirtschaftsdünger. Darum will die Bundesregierung mit der anstehenden Novellierung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) ab 2021 bessere Rahmenbedingungen schaffen, um die Güllevergärung stärker anzuregen. „Der Kabinettsentwurf zum EEG ist aber noch unzureichend“, analysiert Dr. Stefan Rauh, Geschäftsführer beim Fachverband Biogas.


Der Verband fordert u.a. eine Umstellung der Obergrenze der Sondervergütungsklasse von derzeit 75 auf 150 Kilowatt (kW) Bemessungsleistung und die Öffnung auch für Bestandsanlagen. Damit könnten Landwirte mit größeren Tierbeständen in die Güllevergärung einsteigen sowie Betreiber von bestehenden Anlagen auf die Vergärung von Gülle zu höheren Anteilen umstellen.


Neben dem EEG bietet aber auch der Kraftstoffmarkt gute Chancen. Basis dafür ist die europäische Erneuer-bare-Energien-Richtlinie (RED II), die Deutschland im nächsten Jahr in nationales Recht umgesetzt haben muss. Die RED II spricht Gülle eine besonders hohe THG-Minderung zu. Das erhöht den Verkaufserlös für Biomethan auf Basis von Gülle im Kraftstoffmarkt. Chancen ergeben sich daher für Betreiber bestehender Anlagen, aber auch für Tierhalter, die neu einsteigen wollen. Interessante Option: Es gibt erste kleinere Anlagen, die ihr Rohgas zu einer gemeinsamen Gasaufbereitung leiten und einspeisen.


3. Ausbau des Ökolandbaus


Auch bei diesem Segment bietet die Biogastechnik eine interessante Lösung an. Denn im ökologischen Ackerbau sind Leguminosen wie z.B. Kleegras wichtig zur Unkrautregulierung, zum Humusaufbau, aber auch zur Stickstoffsammlung im Boden (Bild 3). Bei vielen Betrieben verbleibt jedoch der Aufwuchs gemulcht auf dem Acker, da es keine Verwertung dafür gibt. Beim Verrotten der Reste bilden sich klimaschädliche Gase. Wenn der Aufwuchs in einer Biogasanlage „veredelt“ wird, gibt es keine Emissionen und es entsteht zusätzlich ein wertvoller Dünger.


Daher ist für viele Biobetriebe eine eigene Biogasanlage oder die Lieferung des Materials an bestehende Anlagen heute schon eine interessante Option. Doch die Vergärung von Kleegras ist aufwendig und nicht immer wirtschaftlich. Um noch mehr Betriebe zum Einstieg zu motivieren, fordern Fachverband Biogas, Naturland, Bioland und andere Verbände eine besondere Vergütungsklasse im EEG für „ökologisch wertvolle Einsatzstoffe“. Das können im Übrigen nicht nur Kleegras aus Ökobetrieben sein, sondern auch der Aufwuchs von Blüh- und Ackerrandstreifen, Wildblumenaufwuchs, Landschaftspflegegras usw., womit auch die Artenvielfalt indirekt gefördert würde.


4. Mehr Energieeffizienz


Die deutsche Landwirtschaft verbraucht derzeit jährlich ca. 1,7 Mio. t Diesel. Daraus resultiert eine jährliche CO2-Emission von ca. 5,4 Mio. t. Darum sieht die Bundesregierung auch beim sparsameren Umgang mit fossilen Rohstoffen einen Weg zur Treibhausgas-Einsparung.


Eine Lösung ist die Nutzung von Solarstrom für elektrische Antriebe bei Fahrzeugen wie Hoflader oder Betriebsfahrzeugen oder der Umstieg auf komprimiertes Gas (CNG) aus Biomethan.


Ebenso denkbar wäre Rapsöl als Kraftstoff bei Traktoren, Forst- und Erntemaschinen (Bild 4). Rapsöl bringt laut Technologie- und Förderzentrum (TFZ) aus dem bayerischen Straubing eine THG-Minderung von bis zu 91% gegenüber Diesel mit sich. Zudem zeigt die rund zehnjährige Erfahrung des TFZ mit 19 Pflanzenölschleppern aus Bayern, dass der Kraftstoff alltagstauglich ist, moderne Common Rail-Motoren einschließlich Abgasnachbehandlungssysteme damit zurechtkommen und die Grenzwerte der aktuellen Abgasgesetzgebung einhalten. Zudem bieten Firmen Pflanzenöltraktoren an oder rüsten Dieselschlepper um, ohne dass dadurch die Garantie erlischt.


Der Einsatz von Rapsöl erhöht auch die regionale Wertschöpfung: Profiteure sind Rapsanbauer, Betreiber von dezentralen Ölmühlen sowie Tierhalter, die Rapsöl und Presskuchen als gentechnikfreies Futtermittel nutzen können.


Zwar ist Rapsöl in der Land- und Forstwirtschaft nahezu vollständig von der Energiesteuer (45 ct/l) befreit. Doch der sehr günstige Mineralölpreis und die Agrardieselrückvergütung („Gasölverbilligung“) machen den Kraftstoff derzeit unwirtschaftlich. Nach Zahlen der Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen (UFOP) kostete im Oktober Rapsöl ohne Energiesteuer knapp 72 ct/l, Agrardiesel konnten Landwirte für 56 ct/l kaufen. Dazu kommt, dass Pflanzenöltraktoren bzw. die Motorumrüstung zu Mehrkosten führen. Und die Steuerbefreiung für Biokraftstoffe in der Land- und Forstwirtschaft läuft Ende des Jahres aus, eine Verlängerung der beihilferechtlichen Genehmigung der EU steht noch aus. Bereits im vergangenen Jahr hat der Deutsche Bauernverband zusammen mit anderen Verbänden auf der Branchenplattforum „www.biokraftstoffe-tanken.de“ ein Positionspapier dazu veröffentlicht.


5. Humusaufbau


Enge Fruchtfolgen und intensiver Anbau von humuszehrenden Kulturen wie Mais haben auf vielen Böden für einen Rückgang der Humusschicht geführt. Eine Düngung mit Gärrest kann bei engen Fruchtfolgen im Biogasbetrieb einen Humusabbau nicht verhindern, zeigen mehrjährige Untersuchungen des TFZ in Bayern.


Was aber Verfechter der „regenerativen Landwirtschaft“ betonen: Humus erhöht das Bodenporenvolumen, reduziert die Nährstoffauswaschung, mindert die Erosionsanfälligkeit, speichert und liefert Nährstoffe oder verbessert die Wasserspeicherfähigkeit. Damit hilft er Ackerbauern – egal, ob konventionell oder öko – auch im Kampf gegen den fortschreitenden Klimawandel.


„Zusätzlich bindet 1% Humus 50 t CO2 und 2,5 t N/ha“, sagt Wolfgang Abler, Landwirt und Geschäftsführer der Firma CarboCert. Daher listet auch die Bundesregierung den Humusaufbau im Klimaschutzprogramm auf. Sie will diesen mit weiteren Fruchtfolgen, Gehölzstreifen und Agroforstsystemen sowie finanziellen Anreizen erreichen.


Diese Anreize gibt es bereits in Form von freiwilligen Humuszertifikaten. Unternehmen wie CarboCert, Indigo oder Himmelserde stellen diese aus und verkaufen sie an Industriebetriebe, Veranstalter von Festivals, Reisen usw. „Die Nachfrage danach ist sehr hoch. Damit haben wir die Chance, Geld aus der Industrie oder anderen Bereichen gezielt in die Landwirtschaft zu lenken“, sagt Abler.


„Erfunden“ wurden die Humuszertifikate in der Ökoregion Kaindorf aus Österreich mit heute 300 Landwirten und 4000 ha. Sie stellen seit zwölf Jahren Zertifikate aus. „Eine Auswertung von 150 Schlägen nach zwölf Jahren zeigt, dass die Landwirte im Schnitt 0,15% Humus aufgebaut haben. Das ist nicht wenig, auch wenn die Zahl klein wirkt“, sagt Gerald Dunst, Leiter der Arbeitsgruppe Humusaufbau.


Die Landwirte erreichen das mit Dauerbegrünung, reduzierter Bodenbearbeitung, Anbau von Pflanzenmischungen, Kompostwirtschaft und Pflanzenkohle. Sie erhalten pro Tonne CO2, die im Humus gebunden ist, ca. 30 €. Festgestellt wird das mit regelmäßigen Bodenproben (Bild 5). 1% Humusaufbau bringen etwa 1000 €/ha, 0,15% wie im Schnitt der Jahre wären dementsprechend 150 €/ha und Jahr.


6. Schutz von Moorböden


Mit der Entwässerung haben Landwirte früher Moorböden kultiviert und so für den Ackerbau nutzbar gemacht. Doch seit längerem findet ein Umdenken statt: Trockenliegender Torf setzt in hohen Mengen Treibhausgase frei. In Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise sind Moorböden laut Landwirtschaftsministerium die größte Treibhausgasquelle, obwohl sie nur 13% der Landesfläche einnehmen. Sie emittieren im Jahr etwa 6 Mio. t CO2. „Nur eine weitgehende Anhebung der Wasserstände kann diese Prozesse stoppen“, sagt Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus.


Darum fördert das Land alternative Nutzungskonzepte, um die Flächen, trotz Wiedervernässung, landwirtschaftlich nutzen zu können. Auch das Schweriner Ministerium weiß, dass damit erhebliche Ertragseinbußen verbunden sind und setzt daher nach eigenen Angaben auf „Freiwilligkeit, Dialog und Förderung“. Im Jahr 2009 hat das Land erstmals die alternative Finanzierung über „MoorFutures“ ins Leben gerufen. Ein MoorFutures-Zertifikat garantiert die Ersparnis von einer Tonne CO2 und kostet derzeit zwischen 35 und 40 €/t. Im Land war die Nachfrage so hoch, dass die MoorFutures vorübergehend ausverkauft sind. Jetzt will das Ministerium neue Standorte vorbereiten. Die Zertifikate gibt es inzwischen auch in Brandenburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen.


Doch auch über die Nutzung sind Erlöse für Landwirte möglich: Entweder über die Haltung von Weidetieren, wie z.B. Wasserbüffel, oder die sogenannte Paludikultur, also den Anbau von Sumpfpflanzen wie Schilf oder Rohrkolben (Bild 6). Daraus lassen sich nachhaltige Produkte – wie zum Beispiel Dämmstoffe – gewinnen.


Allerdings gibt es bei der Umsetzung des Landnutzungskonzepts und der Entwicklung neuer Produkte noch viele offene Fragen und Hemmnisse. Antworten soll das Verbundvorhaben „Produktketten aus Niedermoorbiomasse“ liefern, das im Jahr 2020 in Niedersachsen gestartet ist. Die Partner wollen unter der Federführung des 3N Kompetenzzentrums aus Werlte Produkte, Ökosystemleistungen, Anbau und Ernteverfahren näher erforschen.


7. Waldbewirtschaftung


In den deutschen Wäldern sind laut Thünen-Institut rund 1,2 Mrd. t Kohlenstoff gebunden. Wird das Holz nicht verbrannt, sondern z.B. als Bau- oder Möbelholz verwendet, lässt sich Kohlenstoff speichern.


Doch die Leistung für den Klimaschutz bringt den Forstwirten keinen Ertrag. Das müsste sich nach Forderung der Arbeitsgemeinschaft Rohholz (AGR) ändern: Waldeigentümer sollten eine Flächenprämie erhalten. Zertifikate lehnt die AGR dagegen ab: Sie könnten sich nur auf die Kohlenstoff-Speicherung im Waldholz beziehen. Eine Flächenprämie sollte laut AGR eine Sockelfinanzierung sein. Sie soll dem Waldbesitzer ermöglichen, den Wald klimastabil umzubauen.


Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass Landwirte mit Klimaschutzleistungen künftig Geld verdienen können. Einiges ist heute schon möglich wie die Biogasnutzung. Aber bei vielen Leistungen ist der Staat gefordert. Sollte er künftig mehr Geld für die CO2-Speicherung der Biomasse zahlen, öffnen sich für viele Betriebe neue Erlösquellen.


hinrich.neumann@topagrar.com

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