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Meeresalgen aus der Biogasanlage

Lesezeit: 6 Minuten

Die Produktion von Algen könnte ein neues Standbein für Biogasanlagen werden, die keine EEG-Förderung mehr erhalten. Ein Forschungsprojekt soll das Verfahren näher beleuchten.


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Strom ist heute das wichtigste Produkt einer Biogasanlage. Beim Prozess fallen aber auch Wärme, Dünger und CO2 an. Alle drei bisherigen „Abfallprodukte“ könnten sich künftig zusammen nutzen lassen: bei der Produktion von Meeresgroßalgen. Algen als Rohstoff sind schon länger im Gespräch – z.B. als Nahrungsmittel oder als Rohstoffquelle von Biotreibstoffen. Doch in der Regel sind damit Mikroalgen gemeint. Diese haben jedoch erhebliche Nachteile:


  • Die Kosten für Bau und Betrieb der Kultivierungsanlagen sind hoch.
  • Bei ihrer Herstellung besteht die Gefahr, dass die Algenkultur verunreinigt.
  • Die Kultivierungstechnik ist komplex.
  • Der Trockensubstanzgehalt (TS-Gehalt) der erntereifen Algensuspension ist mit teilweise unter 0,5% sehr niedrig, sodass sie technisch und energetisch aufwendig geerntet und aufbereitet werden muss.


Produktive Makroalgen


Angesichts dieses hohen verfahrenstechnischen und betriebswirtschaftlichen Aufwands ist es kaum verwunderlich, dass nur sehr wenige langfristig tragfähige, großtechnische Anlagen zur Mikroalgengewinnung existieren.


Weniger Nachteile haben dagegen Meeresgroßalgen, auch marine Makroalgen genannt. Sie haben beispielsweise einen TS-Gehalt von bis zu 25%. Auch ist die Produktion und Ernte der Algen einfacher als bei Mikroalgen. Trotzdem produzieren auch sie sehr viel Biomasse, die jene der produktivsten Landpflanzen bei Weitem übersteigt: Die Biomasse verdoppelt sich etwa alle drei bis vier Wochen. So lassen sich mehr als 100 t TS/ha und Jahr mit Makroalgen ernten. Ebenso sind Makroalgen – anders als Landpflanzen – frei von ligninhaltigem Stützgewebe. Das erleichtert deren Vergärung in Biogasanlagen.


Vielseitige Nutzung


Die dabei erzeugte Makroalgenbiomasse lässt sich vielfältig nutzen:


  • als hochpreisiges Lebens- und Futtermittel,
  • als Rohstoff zur Biogasproduktion,
  • als organischer Zusatz, um den Biogasprozess zu unterstützen,
  • als wachstumsstimulierendes organisches Düngemittel,
  • als Rohstoff im pharmazeutischen und kosmetischen Bereich,
  • als innovative Proteinquelle.


Die in einer Biogasanlage anfallenden Koppelprodukte sind ideal zur Produktion von Makroalgen geeignet:


  • Die im BHKW anfallende Wärme dient zum Temperieren der Algen, wodurch sich eine vollständige Nutzung der Abwärme erreichen ließe.
  • Das im Motorabgas enthaltene CO2 dient den Algen zum Stoffwechsel, sodass sich der Kohlenstoff weiter nutzen lässt und nicht in die Umgebung abgegeben werden muss.
  • Die im Gärrest enthaltenen Nährstoffe können das Algenwachstum unterstützen.


In dem Forschungsprojekt „VIA BIOGAS“ untersucht die Universität Hamburg, wie sich diese Prozesse in die Praxis umsetzen lassen. Am Standort einer landwirtschaftlichen Biogasanlage in Groß-Gerau (Hessen) wurden im September 2018 die ersten Tanks zur Kultivierung der Grünalge Ulva lactuca (Meersalat) aufgestellt.


Aktuell werden die Meeresgroßalgen in offenen, mit Salzwasser gefüllten Rundtanks mit 2000 l Volumen kultiviert. Die spätere großtechnische Produktion der Algen soll in kostengünstigen elliptischen Erdbecken erfolgen. Dabei findet die Algenzucht als sogenannte Taumelkultivierung statt: Die Algen werden durch eingespeiste Luft an die Wasseroberfläche und zum Licht aufgewirbelt. Diese Bewegung simuliert die Wellenbewegung im Meer, wobei die Tankwände als Haltestrukturen der zumeist festsitzenden Meeresalgen dienen.


Die erntereife Algenbiomasse wird manuell durch Keschern aus dem Tank entnommen und kurz in Süßwasser gewaschen, um das anhaftende Salzwasser zu entfernen. Danach werden die Pflanzen getrocknet, um sie haltbar zu machen. Hierfür wird ebenfalls die Abwärme des BHKW verwendet.


Trocknung der Algen


Im Rahmen des Projektes „VIA BIOGAS“ entwickelt die Ingenia GmbH technische Möglichkeiten und methodische Verfahren zur besonders schonenden und wertstofferhaltenden Trocknung der Algen.


Je nach Nutzung der Algen, z.B. als Lebens- oder Futtermittel, schließt sich eine Weiterverarbeitung an. Für eine energetische Verwertung als Biogassubstrat müssen die Algen dagegen nicht getrocknet werden.


Die auch auf der Biogasanlage in Groß-Gerau eingesetzte Absorptionskältemaschine der Biogaskühlung soll ebenfalls für die Algenproduktion verwendet wer-den. Damit soll das Kulturmedium auf die erforderliche Temperatur gebracht werden.


simulierte Meerestemperatur


Im Rahmen des Projektes wird Marco Nicosia, der technische Leiter der Ingenia GmbH, die Möglichkeit der Ummantelung des Doppelrohrbündelwärmetauschers untersuchen, um das Kulturmedium auf die für die Algenkultivierung erforderliche Temperatur zu kühlen.


Die Kühlung der Algen ist erforderlich, da sich Meeresalgen über Millionen von Jahren an die relativ gleichbleibenden, niedrigen Temperaturen im Meer angepasst haben. Für die Kultivierung an Land ist daher eine aktive Temperierung nötig. Trotzdem besitzen Makroalgen natürlich einen gewissen Toleranzbereich entsprechend ihres Vorkommens in dem jeweiligen Lebensraum. So wächst beispielsweise die Grünalge Ulva lactuca (Meersalat) in einem Temperaturbereich zwischen 12 bis 18°C optimal.


Zur besseren Kontrolle des Kühlprozesses soll das Kulturmedium von einem separaten Medientank aus, durch einen Temperatursensor gesteuert, der Kühlschleife zugeführt werden.


Als Alternative hierzu soll das Kühlwasser der Absorptionskältemaschine über einen Bypass erst durch den Medientank geleitet werden, bevor es dem Doppelrohrbündelwärmetauscher zugeführt wird.


Fixierung von Kohlendioxid


In dem Forschungsprojekt „VIA BIOGAS“ untersucht die Universität Hamburg in Zusammenarbeit mit der Firma Ingenia zudem ein neuartiges Verfahren zur bioverfahrenstechnischen Fixierung des CO2. Erste Arbeiten beschäftigen sich mit der Einsatzfähigkeit von Biogas und von BHKW-Abgasen als kohlenstoffhaltige Stoffströme innerhalb der Algenproduktion. Die Projektpartner wollen damit die CO2-Konzentration im Kulturmedium der Makroalgen steigern, um so das Algenwachstum zu erhöhen.


Da die Kultivierung gegenwärtig in offenen Tanks stattfindet, wird auf eine indirekte Einspeisung des CO2 in das Kulturmedium abgezielt. Dies ist erforderlich, um einen Methanverlust zu vermeiden, falls Biogas eingesetzt wird.


Die Firma Ingenia soll im Rahmen des Projektes eine spiralförmige Röhren-struktur in Anlehnung an eine Absorptionskolonne entwickeln, durch die das CO2-haltige Abgas passiv strömt. Dabei muss eine möglichst lange Aufenthaltszeit erreicht werden, um eine maximale Lösung des Gases im Medium zu ermöglichen. Die Zudosierung der CO2-angereicherten Flüssigkeit in die Algentanks wird schließlich über eine pH-Steuerung und unter Berücksichtigung der algenspezifischen Toleranz gegenüber CO2 reguliert.


Nutzung der Gärreste


Die Koppelnutzung der anfallenden Biogasgärreste ist ein weiteres Ziel des Projektvorhabens. Als dritter Kooperationspartner in „VIA BIOGAS“ setzt die Palaterra Betriebs- und Beteilungsgesellschaft mbH eine neuartige mechanisch-biologische Separationstechno-logie ein, mit welcher in mehreren Prozessschritten aus den Gärresten handelsfähige Produkte auf Pflanzenkohlebasis sowie Klarwasser gewonnen werden soll.


Das innovative Verfahren zur Gärresteaufbereitung besteht aus einer mechanischen Grob- und Feinseparation zur Fest-Flüssigtrennung, Organischen Sorptionsfiltern (OSF) zur Gewinnung der enthaltenen Pflanzennährstoffe sowie einem Hochleistungsbodenfilter (HBF) zur vollbiologischen Behandlung der flüssigen Phase. Aus den festen Gärresten werden unter Zugabe weiterer Komponenten und einer biologischen Behandlung Eingangsstoffe für gärtnerische Kultursubstrate (Torfersatz) gewonnen.


Die in der flüssigen Phase enthaltenen Pflanzennährstoffe werden im OSF zurückgehalten und zu einem stabilen, humusfördernden Substrat zur Düngung und zur Bodenverbesserung aufbereitet. Das Klarwasser aus dem Hochleistungsbodenfilter kann für die Makroalgenzucht unter Bereitstellung der notwendigen Mikro- und Makronährstoffe verwendet, aber auch rezirkuliert oder für die landwirtschaftliche Bewässerung eingesetzt werden.


Neues Geschäftsfeld


Mit dem Projekt „VIA BIOGAS“ soll die landgestützte Massenproduktion von Meeresgroßalgen realisiert werden. Das Verfahren könnte Betreibern landwirtschaftlicher Biogasanlagen zukünftig vielfältige Wertschöpfungspotenziale bie-ten und gleichzeitig die Klima- und Umweltbilanz von Biogasanlagen durch die Reduzierung von Ausbringungsfahrten und CO2-Emissionen sowie durch die Förderung des Humusaufbaus in Nutzböden und durch die Einsparung von Torf im Gartenbau steigern.


hinrich.neumann@topagrar.com

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