Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Milchpreis Maisaussaat Ackerboden Rapspreis

Aus dem Heft

Mikrogasturbine – Kraftwerk der Zukunft

Lesezeit: 7 Minuten

Mikrogasturbinen sind eine Alternative zum klassischen ­Blockheizkraftwerk. Den Stand der Technik schildern Tobias Panne und Axel Widenhorn*.


Das Wichtigste zum Thema Energie freitags, alle 4 Wochen per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Gegenwärtig setzen Betreiber von Anlagen zur dezentralen Strom- und Wärmeerzeugung überwiegend Blockheizkraftwerke (BHKW) auf der Basis von Kolbenmaschinen ein. Im Gegensatz zu den USA ist die Nutzung von Gasturbinen für die dezentrale Energieerzeugung in Europa und Deutschland noch die Ausnahme.


Jedoch hat die Technik mittel- und langfristig das Potenzial, neben den Kol­benmaschinen eine entscheidende Rolle bei der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) einzunehmen.


Unter dem Oberbegriff „Mikrogasturbine“ werden alle schnell laufenden Gasturbinen bis zu einer elektrischen Leistung von ca. 300 kW (Kilowatt elektrisch) zusammengefasst. Der prinzi­pielle Aufbau einer Mikrogasturbine ist in Übersicht 1 schematisch dargestellt.


Robust und leise


Da im Vergleich zur Kolbenmaschine bei Mikrogasturbinen nur rotierende Bauteile eingesetzt werden, zeichnen sich diese durch einen robusten Aufbau und eine hohe Laufruhe aus. Die Schallemission in einem Meter Abstand beträgt etwa 65 dB.


Der kontinuierliche Ablauf der Verbrennung ist ein weiterer Vorteil des Gasturbinenprozesses. Bei einem Kolbenmotor muss der Brennstoff im Motor innerhalb sehr kurzer Zeit aufbereitet und verbrannt werden. Das führt zu erhöhten Anforderungen an den Brennstoff, wie z. B. eine hohe Klopffestigkeit oder eine hohe Methanzahl.


Weniger Emissionen


Darüber hinaus hängt der elektrische Wir­kungsgrad eines üblichen BHKW von der Abstimmung des Motors auf den Brennstoff ab. Schwankungen in der Brennstoffzusammensetzung wirken sich oft negativ auf die Anlageneffizienz aus.


Mikrogasturbinen lassen sich hingegen mit einer deutlich weiteren Bandbreite an flüssigen und gasförmigen Brennstoffen betreiben. Daher sind sie auch besser für den Betrieb mit schwankenden Brennstoffzusammensetzungen geeignet.


Außerdem halten Mikrogasturbinen wegen der kontinuierlichen Verbrennung die gesetzlich vorgeschriebenen Emissionsgrenzwerte auch ohne eine aufwändige und kostenintensive Abgasnachbehandlung ein. Das ist besonders beim Formaldehydausstoß zu merken, der deutlich unter der vorgeschriebenen Höchstgrenze von 40 mg /m3 Abgas liegt. Die Stickoxid- und Kohlenmonoxid-emissionen liegen bei einer Mikrogasturbine unter 15 ppm und die unverbrannten Kohlenwasserstoffe unterhalb 10 ppm (bezogen auf 15 Volumenprozent Restsauerstoff im Abgas).


Weitere Vorteile bietet die Turbine bei der Nutzung der anfallenden Abwärme, da diese im Vergleich zu Kolbenmotoren auf einem höheren Temperaturniveau und bei gleichbleibender Menge anfällt. Damit ist die Mikrogasturbine besser für die Erzeugung von Warmwasser und industrieller Prozesswärme und -kälte geeignet. Hierzu wird die Abwärme dem Gasturbinenkreislauf nach dem Rekuperatoraustritt (siehe Übersicht 1) bei einer Temperatur von ca. 270 °C entnommen.


Abgas heizt und düngt


Eine weitere Option ist die Entnahme der Abwärme direkt nach dem Turbinenaustritt, wo sie 650 °C Grad warm ist. Jedoch sinkt durch das Umgehen des Rekuperators der elektrische Wirkungsgrad der Gasturbine erheblich, da die im Abgas enthaltene Energie nicht mehr in den Gasturbinenkreislauf eingekoppelt wird. Darüber hinaus ist es denkbar, mehrere Abwärmenutzer in Reihe zu schalten und somit die Gesamteffizienz weiter zu steigern.


Weiterhin eignet sich das emissionsarme und im Vergleich zum Kolbenmotor sauerstoffreichere Abgas beispielsweise zum direkten Heizen und zur Kohlen­dioxiddüngung von Gewächshäusern. Denkbar ist auch, die kontinuierlich anfallende Abgasmenge für technische Trocknungsprozesse oder für die Verstromung in einem so genannten Organic Rankine Cycle (ORC) einzusetzen.


Darüber hinaus gibt es weitere Vorteile:


Generell verfügen Mikrogasturbinen aufgrund ihres einfachen Aufbaus über eine sehr hohe Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit. Die Lebenserwartung einer Mikrogasturbine beträgt je nach Anlagentyp zwischen 60 000 bis 80 000 Betriebsstunden.


Eine Generalüberholung der Maschinen ist alle 30 000 bis 40 000 Betriebsstunden notwendig. Die Kosten hierfür sind abhängig vom Hersteller und betragen beispielsweise für die Capstone C 30 etwa 12 500 Euro.


Die planmäßigen Wartungsintervalle sind mit 6 000 bis 8 000 Stunden etwa viermal länger als bei Kolbenmotoren.


Die Wartungskosten betragen bei Mikrogasturbinen etwa 0,3 bis 0,4 ct/kWh und damit deutlich weniger als bei Kolbenmotoren (0,7 bis 1,0 ct/kWh).


In einigen Modellen werden Luftlager eingesetzt, so dass hier keine zusätzlichen Betriebs- und Schmiermittel benötigt werden.


Geringerer Wirkungsgrad


Ein Nachteil von Mikrogasturbinen ist zurzeit noch der elektrische Wirkungs­grad. Im Erdgasbetrieb liegt dieser je nach Anlagentyp und -größe zwischen 28 bis 33 % und ist somit um etwa 10 Prozent-Punkte geringer als beim Kolbenmotor. Mittelfristig ist jedoch eine Steigerung des elektrischen Wirkungsgrads von Mikrogasturbinen auf 35 % zu erwarten.


Im oberen Teillastbereich weisen Mikrogasturbinen aufgrund ihrer Bauweise und der Regelungsstrategie allerdings nur einen geringen Wirkungsgradverlust auf. Die Gesamteffizienz der Turbinen liegt in Abhängigkeit vom eingesetzten Abwärmenutzer im Bereich zwischen 75 und 90 % und ist damit vergleichbar mit dem Kolbenmotor.


Da in einer Gasturbine – anders als bei Kolbenmotoren – der Brennstoff nicht zusammen mit der Verbrennungsluft angesaugt wird, ist ein Gasverdichter notwendig. Dadurch erhöht sich der Eigenstrombedarf der Anlage abhängig vom Druckniveau in der Brennkammer und dem eingesetzten Brennstoff. Weitere Energie wird für andere Systeme, wie beispielsweise die Ölschmierung oder den Kühlkreislauf benötigt.


Hohe Investitionskosten


Die spezifischen Investitionskosten für eine Mikrogasturbine liegen, abhängig von Leistungsklasse und Hersteller, zwischen 1 200 bis 1 700 €/kW und damit zum Teil noch höher als die von Kolbenmaschinen. Im Ver­gleich dazu kommt ein Gas- bzw. Zündstrahlmotor auf spezifische Kosten von etwa 1 500 €/kW. Es ist zu erwarten, dass mit steigender Stückzahl die Investitionskosten für die Turbinen weiter sinken werden.


Aufgrund der höheren Leistungsdichte und Laufruhe sowie der geringeren Schallemissionen sind die Kosten für den Bau eines Gebäudes, für die Vorsorgungsinfrastruktur, für das Abgassystem sowie die Planungs- und Inbetriebnahmekosten bei der Mikrogasturbine etwas geringer.


Die Amortisationszeit beträgt, unter der Voraussetzung einer gleichen Jahreslaufzeit, bei beiden KWK-Systemen etwa 3,5 Jahre.


Neue Wärmekonzepte


Die hohe Abgastemperatur öffnet dem Betreiber interessante Möglichkeiten zur Abwärmenutzung:


Im privaten Sektor sind Mikrogasturbinen zur gekoppelten Strom- und Wärmeversorgung von Ein- und Mehrfamilienhäuser sowie größeren Wohnblöcken geeignet. Im Vergleich zu den Kolbenmotoren zeichnet sich die Mikrogasturbine in diesem Anwendungsgebiet durch ihre geringen Lärmemissionen, die größere Leistungsdichte, die längeren Wartungsintervalle sowie die geringeren spezifischen Betriebs- und Instandhaltungskosten aus.


Im öffentlichen Bereich eignen sich Mikrogasturbinen dort, wo neben dem Strombedarf auch Wärme benötigt wird. Hierzu zählen beispielsweise Hallenbäder und Krankenhäuser, aber auch Schulen, Kindergärten oder Verwaltungsgebäude.


Im industriellen Umfeld können Mikrogasturbinen beispielsweise für die Erzeugung von Prozessdampf oder -kälte sowie zur dezentralen Speisung von Fernwärmenetzen eingesetzt werden.


Weitere Anwendungsgebiete sind alle industriellen Prozesse, die einen hohen Wärmebedarf haben, wie z. B. Wäschereien, Brauereien oder Trocknungsanlagen.


Fünf Modelle auf dem Markt


Auf dem europäischen Markt sind derzeit fünf Mikrogasturbinen von drei unterschiedlichen Herstellern kommerziell verfügbar. Sie unterscheiden sich sowohl in ihrer elektrischen Leistung, als auch in ihrem Wirkungsgradpotential. Zu den in Übersicht 2 aufgeführten Modellen bieten die Hersteller standardmäßig einen Wasserwärmetauscher zur Abwärmenutzung an. Die angegebenen Leistungs- und Wirkungsgraddaten beziehen sich auf den Betrieb mit Erdgas aus dem Erdgasnetz.


Die in Übersicht 2 angegebenen Daten beziehen sich auf den Auslegungspunkt (Volllast) und ISO-Bedingungen. Ferner beziehen sich die thermische Leistung und die Gesamteffizienz auf die Nutzung des vom Hersteller angebotenen Wasserwärmetauschers.


Vorteile überwiegen


Mikrogasturbinen stellen bei der kombinierten Strom- und Wärmeerzeugung sowohl technisch als auch wirtschaftlich eine Alternative zu den herkömmlichen Blockheizkraftwerken mit Kolbenmotor dar. Die hohe Brennstoff-Flexibilität, die niedrigen Schadstoffemissionen, die längeren Wartungsintervalle und die geringeren spezifischen Wartungskosten sprechen für die neue Technik.


Je nach Anwendungsgebiet lässt sich Abwärme auf unterschiedlichem Temperaturniveau nutzen. Weiterhin zeichnet sich die Technologie durch die einfache Bauweise, die größere Leistungsdichte sowie die niedrigen Lärmemissionen aus.


Nachteilig sind derzeitig noch der geringere elektrische Wirkungsgrad und die benötigte Kompression des Brennstoffs. Der erreichbare Marktanteil von Mikrogasturbinen hängt vor allem von der weiteren technologischen Entwicklung sowie dem Kostenreduktionspotenzial ab. Bei der Planung von Biogasanlagen sollte die Mikrogasturbine als Alternative zum Kolbenmotor auf jeden Fall berücksichtigt werden.

Die Redaktion empfiehlt

top + Top informiert in die Maisaussaat starten

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.