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Mist als Substrat: Richtige Technik ist gefragt

Lesezeit: 7 Minuten

Mist ist ein günstiges Substrat in Biogasanlagen, erhöht aber auch den Verschleiß und belastet die Biologie. Erfahrene Praktiker berichten, wie man Mist trotzdem erfolgreich vergärt.


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Viele Biogaserzeuger haben in den vergangenen Jahren den teuren Mais durch günstige Substrate ersetzt. In Veredlungsregionen bewährt sich Mist als interessante Alternative. Die Kosten liegen dabei je nach Region bei bis zu 10 €/t. „Rindermist liefert etwa 100 m3 Biogas pro Tonne Frischmasse, Mais erreicht je nach Qualität 180 bis 240 m3 je t FM“, erklärt Dr. Melanie Koch vom Biogaslabor Wattrix aus Jever. Hühnermist dagegen liefert 150 bis 200 m3, womit er als echte Alternative zum Mais gilt.


Keine Energiepflanzen:

Das können Ralf und Andreas Exeler aus Rheine bestätigen. Die Brüder haben ihre Biogasanlage im Jahr 2014 ausschließlich auf Mastschweinegülle und Mist ausgelegt. „Mist fällt das ganze Jahr und in gleicher Qualität an, unabhängig von der Witterung oder Erntebedingungen“, nennt Andreas Exeler einen wichtigen Vorteil aus seiner Sicht. Die Anlage mit 500 kW Leistung verwertet vor allem Rinder- und Hähnchenmist sowie geringe Mengen Pferdemist. Wöchentlich gelangen 30 t Rindermist in die Anlage, den zwei Betriebe mit Tretmistställen anliefern. „Der frische Mist aus kurzem Stroh liefert rund 60% des Gasertrags von Mais“, hat Andreas Exeler festgestellt. Die Verweilzeit liegt bei 110 bis 130 Tagen.


Allerdings setzen Biologie und Technik dem Misteinsatz Grenzen:


  • Der Ammoniak- und Schwefelgehalt kann ansteigen.
  • Das strohreiche Substrat ist schwer einzubringen und zu rühren.


Vorsicht mit Geflügelmist:

Gerade beim Einsatz von Geflügelmist ist der Ammoniumstickstoff im Fermenter der limitierende Faktor, dessen Ge-halt mit der Zugabe von Hühner- und Hähnchenmist stark ansteigt. „7000 mg pro Liter Fermenterinhalt sind die absolute Grenze, bevor die Biologie umkippt“, warnt Koch. Diese Menge ist auch nur möglich, wenn sich die Mikroorganismen über einen Zeitraum von zwei bis drei Monaten an den hohen Stickstoffanteil gewöhnen und anpassen.


Auch Exeler hat den Anteil Geflügelmist erst über mehrere Monate auf eine Menge von 5 t pro Tag gesteigert. „Am Anfang hatten wir zuviel dazugegeben, wodurch die Leistung erst abgesunken ist“, berichtet er.


Entschwefelung anpassen:

Wichtig ist bei allen Mistarten eine wirksame Entschwefelung, da der Schwefelwasserstoffanteil im Biogas stark ansteigen kann. Hier kann z.B. die Zugabe von Eisen-II-Chlorid zur Entschwefelung beitragen, dass sich der Schwefel im Fermenter an das Eisen und nicht so stark an die Spurenelemente bindet. Damit werden diese Stoffe, die für das Bakterienwachstum wichtig sind, frei. „Doch auch mit der Mistzugabe kommen viele Spurenelemente in den Fermenter“, sagt Koch.


Ralf Exeler setzt dagegen auf Eisenhydroxid, das als Nebenprodukt der Wasseraufbereitung anfällt und erdfeucht angeliefert wird. Das Eisen bindet den Schwefel, dessen Konzentration vor allem bei der Zugabe von Hähnchenmist in der Anlage Exeler auf 1500 ppm steigen kann.


Bei strohreichem Rinder- oder Pferdemist limitiert die Anlagentechnik den Einsatz. Rührwerke und Pumpen müssen das Substrat noch bewegen können. „Bei zu hohem TS-Gehalt im Fermenter kann das Gas nicht mehr entweichen, sodass die Gasausbeute sinkt“, warnt Koch. Bei Bedarf kann die Zugabe von Wasser kurzfristig helfen, die Fließfähigkeit zu verbessern. Eine Zugabe von Zuckerrübenbrei, wie viele Betreiber meinen, hilft dagegen nur zum Teil. „Das Material wird zwar schnell vergoren, aber um einen Fermenter mit hohem TS-Gehalt wieder rührfähig zu machen, müsste man kurzfristig sehr viel Rübenbrei dazugeben. Das belastet allerdings die Biologie stark“, erklärt die Laborleiterin.


Stroh zerkleinern:

Deshalb sollten Betreiber Stroh entweder schon bei der Ernte zerkleinern oder den Mist vor dem Eintrag in den Fermenter. Ziel muss es sein, die Oberfläche zu vergrößern, um den Bakterien genügend Angriffsfläche zu bieten, so Koch. Die Zugabe von Enzymen ist dagegen nicht immer hilfreich: Etwa die Hälfte von Kochs Kunden berichtet, dass der Hilfsstoff keine Verbesserungen bringt.


In der Anlage Exeler wird der Mist über einen Schubbodencontainer mit 80 m3 Volumen eingebracht, der in einer Halle untergebracht ist. „Die Halle hat den Vorteil, dass es wenig Geruch gibt und kein verschmutztes Regenwasser anfällt“, erklärt Exeler. Zudem bleibt der Hähnchenmist trocken – ein wichtiges Erfolgskriterium für hohen Gasertrag. Denn wird der Mist nass, beginnt sofort die Zersetzung und der Gasertrag sinkt.


In dem Container schieben zwei hydraulisch betätigte Schubschilde das Material zu einer Querförderschnecke in der Mitte. Der 22-kW-Antrieb der Schnecke ist mit einem Frequenzumrichter ausgestattet, um Stromspitzen beim Anlauf zu vermeiden. Eine Querförderschnecke mit 50 cm Durchmesser transportiert das Material zu einem Mazerator. Dieser zerkleinert den Mist und vermischt ihn mit Fermenterinhalt, der zum Anmaischen ebenfalls zum Mazerator gepumpt wird. Das so angemaischte Substrat gelangt dann als Brei in den Fermenter. Dieser wird mit zwei Paddelrührwerken durchmischt. Der Eigenstrombedarf liegt in der Anlage bei 9 %. „Die Rührtechnik verbraucht den meisten Strom“, erklärt Exeler.


Mist rutscht im Container:

Auch Landwirt Johannes Dierkes aus Rastdorf (Emsland, Niedersachsen) setzt seit mehreren Jahren Mist in seiner Anlage mit 265 kW Leistung ein. „Ich wollte damit dem hohen Maispreis begegnen“, erklärt er, warum er sich für das Substrat entschieden hat. Täglich gelangen heute 12 t Mist (etwa 80 % Anteil am Substratmix) in den Fermenter. Dierkes füttert Rinder- und Pferdemist. Zum Einbringen nutzt er einen kippbaren Schubbodencontainer, der sensorgesteuert auf einer Seite hochfährt. Das Substrat rutscht per Schwerkraft zu den Querförderschnecken. „Bei Mist kann das allerdings zu Brückenbildung führen, daher fülle ich bei jeder Fütterung zuerst eine Tonne Mais ein“, erklärt der Landwirt.


Da sich im Fermenter bei dem hohen Anteil Faserstoffen der TS-Gehalt stark erhöht hat und das Substrat kaum noch rührfähig war, hat Dierkes vor zwei Jahren eine Ultraschallanlage nachgerüstet. Mit dieser behandelt er jetzt 24 m3 Fermenterinhalt pro Tag, also 1 m3 pro Stunde. Der Fermenterinhalt hat sich erheblich verändert und ist seitdem viel fließfähiger geworden. „Das hat sogar der Lohnunternehmer beim Ausbringen der Gärreste festgestellt“, sagt Dierkes.


Luftdicht gelagert:

Den Mist bringt Dierkes meistens frisch in die Anlage. Wird dagegen einmal mehr angeliefert oder muss er per Schredder zerkleinert werden, lagert der Landwirt ihn luftdicht unter einer Plane, um Gärverluste zu vermeiden. „Das ist gerade im Sommer wichtig, weil die Bakterien bei Wärme den Mist sehr schnell zersetzen und es zu Methanverlusten kommen kann“, bestätigt auch Biologin Koch.


Für Dierkes ist der Misteinsatz wirtschaftlich, solange dieser einschließ-lich der Ausgaben für den Transport nicht über 5 €/t kostet. Denn der Rührwerksverschleiß nimmt zu, was die Technikkosten erhöht. Nicht gestie-gen sind dagegen die Stromkos-ten. „Die Ultraschallanlage verbraucht zwar mehr Strom, dafür spare ich aber Rührwerks-Betriebszeiten ein“, rechnet er vor.


OTS-Gehalt als Maß:

Um die Fließfähigkeit des Fermenterinhalts im Auge zu behalten, misst Dierkes den Gehalt an organischer Trockensubstanz (oTS) bei jedem Material. Er weiß genau, wie viel oTS er täglich zugeben darf, damit er die Anlage nicht zu stark belastet. Ungefähr viermal im Jahr zieht er aus Fermenter, Nachgärer und Gärrestlager eine Stichprobe, um den oTS-Gehalt bestimmen zu lassen. „Das ist eine gute Methode. Der oTS-Gehalt bei Maissilage liegt z.B. bei 90 bis 97%, im Gärrestlager sollte er bei 72 bis 74% liegen“, erklärt Koch. Mit der oTS-Bestimmung lässt sich die Abbauqualität der Mikroorganismen einfach nachvollziehen. Eine regelmäßige Analytik könne hier Aufschluss über den Abbaugrad der Biologie und somit die Wirtschaftlichkeit der Biogasanlage geben.


In den vergangenen Jahren steigt die Mistmenge auf dem Markt. „Immer mehr Bullenmäster halten Tiere länger auf Stroh oder bauen neue Strohställe“, sagt Dierkes. Die Mäster nutzen die Biogasanlagen gern, um den Mist zu verflüssigen. Der Gärrest lässt sich später leichter ausbringen als Festmist. „Mist bleibt aus wirtschaftlicher, aber auch aus biologischer Sicht ein interessantes Substrat“, resümiert auch Koch.


Hinrich Neumann

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