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„Mist und Rüben sind eine gute Kombination“

Lesezeit: 8 Minuten

Wir sprachen mit Lukas Neumann, Prozessbiologe bei der MTE Service GmbH aus Zeven, über aktuelle Trends und Herausforderungen bei der Substratwahl.


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Welche aktuellen Trends gibt es bei der Substrateinbringung?


Neumann: Wir stellen fest, dass der Fermenterinhalt zunehmend dicker wird, die Viskosität steigt. 15% TS im Substrat sind heute keine Seltenheit. Das liegt u.a. daran, dass einige Betreiber den Trockenfermentationsbonus mit dem Güllebonus kombinieren. Sie dürfen dazu ja keine Gülle einsetzen und nehmen stattdessen Mist oder stichfestes Material, das bei der Separation von Gülle anfällt. Auch mit viel GPS und Gras steigt nicht nur die Tendenz zur Schaumbildung, sondern auch der TS-Gehalt im Fermenter.


10 % TS galten bislang als extreme Belastung für die Rührwerke. Wie lässt sich der Brei mit 15 % TS rühren?


Neumann: Das geht nur mit Maßnahmen, die die Fließfähigkeit verbessern, wie Enzymzugabe, Zerkleinerung oder Verdünnung. Denn die steigende Viskosität belastet nicht nur die Rührwerke stark und erhöht den Stromverbrauch. Auch der Stoffaustausch funktioniert nicht mehr richtig, weil die im Substrat verteilten Bakterien nicht mehr gleichmäßig versorgt werden. Punktuell kommt es daher im Behälter zur Anreicherung von Säuren, die in einem intakten Prozess weiter abgebaut würden. Ist die Biologie jedoch gestört, kann es zur Anreicherung und damit zur Versäuerung kommen. Auch läuft die Gasproduktion sehr ungleichmäßig ab, weil das Biogas nur sehr schwer aus der zähen Masse entweichen kann. Das stellen Betreiber dann am stark schwankenden Methangehalt fest. Die Zugabe von Enzymen hilft, weil die Bakterien diese für ihren Stoffwechsel benötigen. Normalerweise stellen sie die Enzyme selbst her, aber bei zu hoher Belastung werden nicht mehr genug davon in den benötigten Mengen gebildet.


Was kann man außer der Zugabe der Enzyme tun? Denn diese verursachen weitere Kosten.


Neumann: Trockenfermentationsanlagen müssen Substrat aus dem Nachgärer zurückführen, notfalls auch separieren und die flüssige Phase in den Fermenter pumpen. Auch ist die mechanische Zerkleinerung der Inputstoffe oder des rückgeführten Gärsubstrates eine Möglichkeit, die Fließfähigkeit zu erhöhen. Andere Anlagen können zusätzlich Gülle einsetzen. Wichtig ist dabei, dass bei der Zugabe von viel Flüssigkeit Gülle oder das rezirkulierte Gärsubstrat angewärmt sind. Wenn man beispielsweise im Winter Flüssigkeit aus einem unbeheizten Behälter in den Fermenter pumpt, kann dort die Temperatur schnell auf 30 °C sinken. Das kann die Biologie mächtig stören, wie wir in diesem Winter bei einigen Anlagen feststellen mussten. Wenn dann die Gasproduktion zurückgeht, das BHKW irgendwann nicht mehr läuft und daher auch keine Wärme für die Fermenterheizung liefert, kommt die Biologie ganz zum Erliegen. Dann hilft nur noch ein externes Aufheizen, um ein Umkippen des Gärprozesses zu vermeiden. Alternativ könnte man auch Rüben einsetzen.


Rüben sind zwar beliebt, aber auch sehr teuer in der Produktion. Reinigung, Lagerung und Fütterung sind aufwendiger als bei anderen Rohstoffen. Würden Sie den Einsatz trotzdem immer empfehlen?


Neumann: Auf jeden Fall. Sie beeinflussen die Biologie im Fermenter positiv, vor allem, weil sie den Prozess verflüssigen und den Stickstoffgehalt senken. Es ist immer gut, einen Teil Rüben im Menü zu haben. Bei vielen Anlagen geht die Gasproduktion deutlich zurück, wenn im Frühjahr die letzten Rüben verbraucht sind. Die positiven Effekte der Rüben muss man mit einkalkulieren, wenn man die Kosten betrachtet. Nur bei Anlagen mit einer ohnehin schon geringen Pufferkapazität sollte man bei der Rübe aufpassen, da sie den Puffer weiter herabsetzt. Denn die Biologie kann hier einen Säureanstieg nicht so gut verkraften.


Wie merkt man das und was kann man dagegen tun?


Neumann: Eine geringe Pufferkapazität lässt sich an einem niedrigen TAC-Wert von unter 10000 ablesen, den das Labor bei einer FOS/TAC-Messung ermittelt. In Absprache mit der prozessbiologischen Betreuung sollte man dann Kalk zuführen oder bei einem sehr niedrigen Stickstoffgehalt auch Harnstoff. Auch sollte die zugeführte Rohstoffmenge, also die Beladung, hoch genug sein. Denn bei einer entsprechenden Zugabe z.B. von Mais wird viel Kohlensäure beim Zelluloseabbau frei. Sie bildet dann den gewünschten Carbonatpuffer. Hierzu sollte jedoch die Gärbiologie prozessbiologisch überwacht werden.


Welche Substrate sind im Moment noch gefragt?


Neumann: Die ersten Anlagenbetreiber haben das Ende ihres Förderzeitraums vor Augen und überlegen, welches Substrat sie dann einsetzen werden. Mais dürfte in den meisten Fällen zu teuer sein. Schon heute setzen viele Betreiber Hühnertrockenkot (HTK) oder den abseparierten Feststoffanteil von Rindergülle ein. Dabei haben sich bestimmte Mischungen als vielversprechend erwiesen.


Welche sind das?


Neumann: Zum Beispiel Rindermist, flüssige Schweinegülle, Rüben oder HTK. Rüben sind schnell abbaubar, haben gute Fließeigenschaften und einen geringen Stickstoffgehalt. HTK dagegen ist trocken sowie sehr energie- und stickstoffreich. Im richtigen Verhältnis ist die Mischung wesentlich sinnvoller als Mais und HTK. Viele Anlagen separieren ihre Gärreste und führen die flüssige Phase zum Absenken der Viskosität in den Fermenter zurück. Dabei wird der Stickstoffgehalt ständig erhöht, da er sich vor allem in der flüssigen Phase anreichert. Rüben gleichen das sehr gut aus.


Stickstoff gilt im Fermenter in Form von Ammoniak als starkes Gift, das die Biologie hemmt. Wo sehen Sie die Grenze bei HTK?


Neumann: Wenn Betreiber kurzfristig viel HTK füttern, entsteht Ammoniak. Stellen sie den Prozess dagegen langsam um, können sich die Bakterien sehr gut anpassen. Manche Anlagen fahren mit einem Ammonium-Anteil von über 8000 ppm im Fermenter stabil, auch wenn sie laut Literatur schon längst abgestürzt sein müssten. Allerdings sind die Mikroorganismen in diesem Fall hochspezialisiert. Sie benötigen also immer das gleiche Menü. Auch ist der Prozess stark temperaturabhängig. Einige Betreiber haben festgestellt, dass der Prozess unter 40 °C sehr gut läuft und kühlen den Fermenter im Sommer sogar. Steigt die Temperatur dagegen an, wird statt Ammonium verstärkt Ammoniak gebildet und es kommt zur Hemmung.


Hat die thermophile Vergärung bei Temperaturen über 50 °C dann völlig ausgedient? Sie galt ja eine Zeit lang als Möglichkeit, um schwer abbaubare Stoffe besser aufzuschließen.


Neumann: Sie ist in der Tat nicht mehr so gefragt. Das ist wie beim schnellen Autofahren: Man kommt schneller voran, aber auch Fehler sind gravierender. Die Mikroorganismen vermehren sich bei thermophiler Vergärung schneller, aber es kann wesentlich schneller zur Stickstoffhemmung kommen. Auch könnte sich der pH-Wert schneller verändern, weil sich bei hohen Temperaturen mehr Säuren bilden. Zudem benötigt der Prozess fast doppelt so viel Wärme wie die mesophile Vergärung. Da der Nutzen eher gering ist, sollte der Betreiber die Wärme besser zu Heizzwecken verkaufen.


Sie sprechen jetzt viel von Mist. Was ist denn mit Gülle? Hier haben wir ja noch ungenutztes Potenzial. Wird die Zugabe zunehmen?


Neumann: Bei einer hohen Güllezugabe sinkt die Verweilzeit im Fermenter und auch viele aktive Mikroorganismen werden ausgespült. Dies gilt besonders für Güllen mit geringem Trockensubstanzanteil. Daher sind Mist, separierte Gülle oder sogar separierter Gärrest ein beliebtes Substrat geworden. Der Betreiber bekommt dafür den Güllebonus, die Gasausbeute ist sehr gut und es kommt zu weniger Verlusten von Mikroorganismen.


Aber der Gärrest ist doch schon ausgegoren, kann die Zugabe dann überhaupt noch nennenswert Gas bringen?


Neumann: Ja, aber darin sind auch noch aktive Mikroorganismen enthalten. Gärrest eignet sich sehr gut, um z.B. den stickstoffreichen HTK etwas zu strecken und damit die Stickstoff-Konzentration zu verringern.


Was halten Sie von der Vorzerkleinerung von Rohstoffen, wie z.B. Gras, GPS oder strohreichem Mist?


Neumann: Je feiner ein Substrat ist, desto besser ist es für die Biogasanlage. Darum ist z.B. Tretmist so beliebt, weil die Rinder mit ihren Klauen das Stroh fein zertreten haben. Der Abbau fester Substanzen ist der schwierigste Schritt für die Bakterien. Sie müssen für den Zelluloseabbau Enzyme produzieren. Stroh hat einen hohen Energieinhalt und damit ein hohes Gasbildungspotenzial, aber man muss da erst einmal herankommen. Bei der Sub-stratumstellung sollten die Betreiber aber auch auf den Schwefelgehalt achten. Eine biologische Entschwefelung kann mit einigen Substraten überfordert sein.


Viele Hersteller werben mit einer externen Entschwefelung. Würden Sie das auch empfehlen?


Neumann: Die externe Entschwefelung ist eine sichere Variante, aber auch teuer und daher nur bei größeren Anlagen sinnvoll. Schon eine Kombination aus Lufteinblasen und Eisenzugabe kann in vielen Fällen helfen. Hier raten wir zu Eisenhydroxid. Eisenchlorid ist zwar aktiver, aber auch gesundheitsschädlich und ätzend. Es kann zudem Leitungen oder Förderschnecken angreifen. Eisen hat den weiteren Vorteil, dass es Schwefel von Spurenelementen abzieht und diese damit wieder verfügbar macht. Wir haben festgestellt, dass Betreiber nach Zugabe von Eisenhydroxid weniger Spurenelemente füttern mussten.


Das Interview führte Hinrich Neumann

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