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03/11: Biogas: Was tun bei Abschaltung

Biogasanlagen müssen seit Jahresanfang mit einer Einrichtung zum Einspeisemanagement ausgerüstet sein. Welche Folgen die Abschaltung auf den Betrieb hat und was Anlagenbetreiber tun können, erläutert Thomas Gaul.

Lesezeit: 10 Minuten

Biogasanlagen müssen seit Jahresanfang mit einer Einrichtung zum Einspeisemanagement ausgerüstet sein. Welche Folgen die Abschaltung auf den Betrieb hat und was Anlagenbetreiber tun können, erläutert Thomas Gaul.

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Für die meisten Betreiber einer Biogasanlage ist es ein Horrorszenario: Wie von Geisterhand gesteuert fährt der Motor des Blockheizkraftwerkes (BHKW) seine Leistung herunter. Was nach Sabotage klingt, hat jedoch eine rechtliche Grundlage. §6 des geltenden EEG gibt den Betreibern des Stromnetzes die Möglichkeit, die Einspeiseleistung der Anlage bei einer Überlastung des Stromnetzes zu reduzieren.


Viele Anlagenbetreiber haben noch gar nicht realisiert, was nun auf sie zukommen könnte. So haben seit Anfang des Jahres Biogasanlagen mit einer Leistung von mehr als 100 kW ohne Einspeisemanagement ihren Anspruch auf Vergütung nach dem EEG verloren. Und die Frist, bis zu der Betreiber älterer Anlagen ihre Technik mit einer Empfangseinrichtung nachrüsten konnten, ist zum Jahreswechsel abgelaufen. "Der Netzbetreiber wird daher ab 2011 - neben weiteren Angaben wie solchen über die Einsatzstoffe - einen Nachweis darüber verlangen, ob und seit wann die Anlage über Einrichtungen zur Regelung der Einspeiseleistung verfügt", erwartet Manuela Koch, Rechtsanwältin in der Anwaltsgesellschaft Maslaton in Leipzig: "Zwar ist eine Verpflichtung des Netzbetreibers, den Einsatz dieser Einrichtungen zu kontrollieren, gesetzlich nicht vorgesehen. Allerdings handelt es sich um eine Vergütungsvoraussetzung, die der Anlagenbetreiber ebenso nachweisen muss wie z.B. den ausschließlichen Einsatz von Biomasse im Sinne der Biomasseverordnung." Schon im eigenen Interesse (weil sie die EEG-Vergütungen im Wälzungsmechanismus an den vorgelagerten Übertragungsnetzbetreiber weitergeben) werden die Netzbetreiber daher den Einsatz der Einrichtungen zur Reduzierung der Einspeiseleistung auch bei Altanlagen überprüfen.


Spezielle Technik nötig


Für den Zugriff des Netzbetreibers auf die Stromerzeugungseinheit der Biogasanlage sind spezielle technische Geräte nötig. Viele Biogasanlagen-Hersteller haben in den letzten Monaten des Jahres 2010 ihre Kunden angeschrieben und über die Pflicht zur Nachrüstung informiert. Im Dezember wurde dann allerdings die Zeit doch knapp. "Unsere Service-Mitarbeiter haben alle Hände voll zu tun", teilte PlanET-Sprecherin Nina Busse auf Anfrage kurz vor Weihnachten mit. Gleichzeitig kritisierte der Fachverband Biogas Unternehmen und Netzbetreiber. "Es kann nicht sein, dass ein Stromnetzbetreiber bestimmte Geräte für das Blockheizkraftwerk (BHKW) vorschreibt, diese jedoch nicht oder nicht rechtzeitig lieferbar sind", erklärte Fachverbands-Präsident Josef Pellmeyer.


Die Technik soll gewährleisten, dass nach einem Signal des Netzbetreibers sofort die anschließende Reduzierung der Einspeiseleistung der Anlage erfolgt. Doch bei der Definition, was eine "betriebliche Einrichtung" im Sinne des Gesetzes ist, fangen die Probleme bereits an. Welches Signal auf welche Art übertragen wird, kommt allein auf den Netzbetreiber an. Wichtig ist, dass dieses Signal zu jeder Tages- und Nachtzeit auf der Biogasanlage entgegengenommen werden kann. Dabei kann er nach Auffassung der EEG-Clearingstelle auch eine dritte Person beauftragen, die einen entsprechenden Anruf auf dem Handy oder eine SMS entgegennimmt. Denn auch das ist möglich: Das EEG lässt dem Netzbetreiber die Wahl zwischen einer betrieblichen Einrichtung (wie dem Telefon) oder einer technischen Einrichtung (wie der Funk-Fernsteuerung für das BHKW). Nach Ansicht des Bundesumweltministeriums reicht es aus, wenn durch die Angabe "einer zentralen Notrufnummer" die jederzeitige telefonische Erreichbarkeit der Anlage sichergestellt ist.


Sollte die technische Nachrüstung in vollem Umfang erfolgen, fielen erhebliche Investitionen an, warnte bereits der Fachverband Biogas. Gerade für die betroffenen kleineren und älteren Anlagen sei sie wirtschaftlich nicht tragfähig. Bei konkreten Zahlen halten sich die Anlagenhersteller allerdings bedeckt. "Die Kosten für die Installation sind stark variierend" so Martin Rolvering, Serviceleiter bei PlanET: "Sie sind abhängig von dem Installationsort, den Gegebenheiten auf der Anlage und den Vorgaben der einzelnen Energieversorger."


Nicht jede Anlage lässt sich drosseln


Die Anlagenhersteller bieten Besitzern älterer Biogasanlagen an, die technische Installation am jeweiligen Netzverknüpfungspunkt in die bestehende Steuerungs- und Netzanschlusstechnik zu integrieren. Dazu wird ein Rundsteuerempfänger installiert, der das Signal des Netzbetreibers zur Reduzierung der Einspeiseleistung in ein Regelungssignal für das BHKW umwandelt. Die Geräte, die meist von den Vertriebsgesellschaften der Netzbetreiber bezogen werden können, sehen Regelungsstufen von 100, 60, 30 oder 0 Prozent der Anlagenleistung vor. E.On Avacon beispielsweise stellt für den Funk-Rundsteuerempfänger 539,50 Euro in Rechnung. Außerdem verlangt der größte Netzbetreiber in Niedersachsen eine "Fertigmeldung". Damit erklärt der Biogasanlagen-Betreiber, technisch alles getan zu haben, um den Signalfluss vom Zählerplatz bis zur Steuerung der Einspeiseanlage zu ermöglichen. Eine einheitliche Linie der Netzgesellschaften gibt es nicht, wie viel Zeit der Anlagenbetreiber zum Reduzieren der Leistung hat. Die Vorgaben reichen von 30 Sekunden bis zu fünf Minuten. "Es besteht aber nicht bei allen BHKW die Möglichkeit die Leistung den Vorgaben entsprechend zu reduzieren" verdeutlicht Martin Rolvering. Die Hersteller raten deshalb, den Netzbetreiber darauf hinzuweisen, wenn sie aus technischen Gründen die kurze Regelungszeit für ihr BHKW nicht umsetzen können. Bei besonders hohen Aufwendungen zum Einhalten der Regelungsstufe sollen Ausnahmen möglich sein. Darauf hat sich der Fachverband Biogas mit dem Bundesverband der Elektrizitäts- und Wasserwirtschaft (BDEW)verständigt. Demzufolge soll der Betreiber die Möglichkeit erhalten, das Signal an sein BHKW angepasst umzusetzen. In einer Empfehlung weist die Clearingstelle EEG darauf hin, dass die Einspeiseleistung gemäß §6 Nr.1 EEG 2009 nicht unbedingt stufenweise reduziert werden muss: "Für die Reduzierung durch den Anlagenbetreiber oder einem von ihm beauftragten Dritten reicht es aus, dass die Reduzierung der Einspeiseleistung auf Null erfolgt."


Entschädigung ist nicht geklärt


Unklar ist auch, wie die Entschädigung im Falle einer Abschaltung oder Leistungsreduzierung erfolgt. Im EEG ist zwar festgelegt, dass bei einer Abschaltung wegen Netzüberlastung die EEG-Vergütung trotzdem gezahlt wird. Doch anders als bei Windkraftanlagen, die einfach aus dem Wind gedreht werden können, ergeben sich bei Biogasanlagen Folgeprobleme. Da sich die Bakterien bei ihrer Methanproduktion nicht so ohne weiteres stoppen lassen, fällt weiterhin Gas an. Unter Umständen kann bei einer Drosselung des BHKW die Wärme nicht mehr ausreichen, um den Fermenter zu beheizen \- mit allen Konsequenzen für die Biologie der Anlage. Bei einer längeren Abschaltung könnte sogar ein Neuanfahren des Fermenters notwendig werden, wenn die Gärbiologie nach dem Abkühlen des Fermenters zusammengebrochen ist. Auch die vertraglich zugesagte Wärmelieferung, beispielsweise über ein Nahwärmenetz, ist in Gefahr. Während der Stromnetzbetreiber seine Kosten "wälzen", also an den Stromkunden durchreichen kann, ist der Anlagenbetreiber als Wärmelieferant möglicherweise schadenersatzpflichtig. " Zunächst muss der Anlagenbetreiber natürlich seine Entschädigungsforderungen gegenüber dem Netzbetreiber geltend machen, möglichst schriftlich", rät Rechtsanwältin Koch. "Hierbei sollten sämtliche Schäden einbezogen werden, also auch Folgeschäden wie Vertragsstrafen wegen unterbliebener Wärmelieferung oder Ausfälle der Gärbiologie. Verweigert der Netzbetreiber die Entschädigungszahlung insgesamt oder hinsichtlich einzelner Posten, ist der Anlagenbetreiber auf eine Klärung vor den Gerichten beziehungsweise vor der Clearingstelle EEG verwiesen." Er muss also letztlich den Netzbetreiber auf Entschädigung verklagen oder einvernehmlich mit diesem ein Votumsverfahren vor der Clearingstelle anstrengen. Inwieweit der Netzbetreiber den Anlagenbetreiber ohne Vorliegen einer Entschädigungsvereinbarung hinsichtlich atypischer Schäden und Folgeschäden auf der Grundlage des § 12 Abs. 1 Satz 2 EEG 2009 entschädigen muss, ist in der Literatur umstritten und gerichtlich bislang nicht geklärt. Der eindeutige Wortlaut spricht für eine abschließende Regelung, die nur die entgangene Vergütung und Wärmeerlöse erfasst. Für eine Entschädigung von atypischen Schäden - jedenfalls in einem gewissen Umfang - werden die Gesetzesbegründung und systematische Gründe angeführt. Unabhängig von dieser Frage kann der Anlagenbetreiber auch einen Schadensersatzanspruch nach allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen gegen den Netzbetreiber haben, der dann sämtliche entstandenen Schäden infolge der Abschaltung umfasst. Dies setzt allerdings ein Verschulden des Netzbetreibers voraus, an dem es z.B. fehlt, wenn dieser den notwendigen Netzausbau zügig und ohne Verzögerungen vorangetrieben hat, erläutert EEG-Expertin Manuela Koch. "Vor diesem Hintergrund ist es gerade für Biogasanlagenbetreiber immer sinnvoll, zu versuchen, eine privatrechtliche Entschädigungsvereinbarung mit dem Netzbetreiber zu treffen."


E.On Avacon bietet bei Anlagen, die Anspruch auf den KWK-Bonus nach §27 EEG haben, eine Entschädigung auf Basis der berechneten Ausfallwärmemenge (gemessen am Wärmemengenzähler) und des Bonus an. Voraussetzung ist allerdings, dass kein Wärmespeicher oder Zusatzheizkessel vorhanden ist. Weil die Wärmelieferung an Dritte in diesem Fall nicht vom Einspeisemanagement betroffen ist, entsteht dem Anlagenbetreiber auch kein finanzieller Nachteil, lautet die Argumentation von E.On Avacon. Auch bei Gasspeichern auf der Anlage sieht der Netzbetreiber keine Entschädigungspflicht, weil ja für die Dauer der Abschaltung das Gas zwischengespeichert werden kann.


Gasspeicher muss vorhanden sein


Um es nach Zwangsabschaltungen auf der Anlage weiter nutzen zu können, muss erst einmal ein Gasspeicher auf der Anlage vorhanden sein. Doch das ist nicht nur teuer, sondern mit weiteren Auflagen verbunden, warnt Gottfried Gronbach, Präsidiumsmitglied des Fachverbandes Biogas: "Wenn wir die Gasspeicher vergrößern, fallen wir unter das BImSchG, ab 7 000 Kubikmeter sogar unter die Störfallverordnung." Die in jedem Fall schlechtere Alternative ist das offene Verbrennen des Biogases über eine Notfackel. Aber die ist auch nicht auf allen Anlagen vorhanden. Denn mitunter haben die Genehmigungsbehörden den Anlagenbetreibern diese Auflage erlassen, wenn sie nachweisen konnten, dass sie über einen Notdienst eine mobile Fackel bereitstellen konnten. Doch bei kurzfristiger Netzüberlastung dürfte das kaum in einer realistischen Zeitspanne geschehen. Naturschützer sind bereits auf das sensible Thema aufmerksam geworden. Sie fürchten, dass Methan einfach freigesetzt wird, wenn es nicht abgefackelt werden kann.


Doch wie wahrscheinlich ist es überhaupt, dass Biogasanlagen wegen Netzüberlastung abgeschaltet werden müssen? Eine Überlastung ist vor allem in windreichen Landstrichen zu befürchten, in denen zahlreiche Windkraftanlagen einspeisen. Die sind auch in der Vergangenheit bereits vom Netz gegangen, wenn bei starkem Wind eine Überlastung der Netze droht. Betroffen sind davon vor allem Schleswig-Holstein und Teile Brandenburgs. An jährlich mehr als 100 Tagen wurden dort Windenergieanlagen vom Netzbetreiber abgeschaltet. Ohnehin wird es eine Rangfolge bei den Abschaltungen geben: Da Strom aus Erneuerbarer Energie nach dem EEG Vorrang bei der Einspeisung genießt, müssen zunächst konventionelle Kraftwerke vom Netz genommen oder in ihrer Leistung gedrosselt werden. Und innerhalb der "Erneuerbaren" gehen Experten davon aus, dass weiterhin zunächst Windenergieanlagen abgeschaltet werden. Das liegt einfach an der unterschiedlichen Vergütung: Während die kWh Strom aus Wind mit 9 ct vergütet wird, müsste der Netzbetreiber bei Biogas mindestens 19 ct aufwenden. Aus Sicht der Bundesnetzagentur ergibt sich eine sachgerechte Rangfolge der Maßnahmen nach Kriterien der Umwelt (EE-Anlagen sollen so lange wie möglich ins Netz einspeisen), Aspekten der Netzsicherheit (konventionelle Anlagen sollen soweit heruntergefahren werden, wie es netztechnisch erforderlich ist) sowie der wirtschaftlichen Auswirkungen (Mehrkosten werden nur dann akzeptiert, wenn sie ökologischen Mehrwert liefern). Hinzu kommt, dass die Erzeugung von Biogas eben relativ stetig verläuft und die Netzbetreiber wissen, mit welchen Strommengen sie in ihrem Gebiet zu rechnen haben. Windenergieanlagen sind dagegen naturgemäß unstet, was ihre Stromproduktion betrifft.


EEG-Novelle: Biogas soll Windstrom ausgleichen


Unterdessen wird geprüft, wie Strom aus Biogas gezielt zum Ausgleich der schwankenden Stromproduktion aus Wind und Sonne erzeugt und eingespeist werden könnte. Die Bundesregierung will mit der nächsten EEG-Novelle finanzielle Anreize schaffen, um in Zeiten mit starkem Wind Biogas zwischenzuspeichern oder ins Erdgasnetz einzuspeisen. Die zur Umsetzung erforderlichen Vergütungsmodelle werden derzeit entwickelt. Schon bei den letzten beiden Novellen hatte der Fachverband Biogas einfache Vorschläge für eine Vergütung gemacht, die eine Stromerzeugung zu den Tageszeiten mit dem höchsten Verbrauch belohnt, was vom Gesetzgeber bislang aber nicht berücksichtigt wurde. Der Bonus war in der Vergangenheit auch unter dem Titel "Kombi-Kraftwerk-Bonus" im Gespräch. Denn eigentlich ist Biogas zu kostbar, um "nur" Grundlast zu liefern und sollte verstärkt den erhöhten Regelbedarf decken, der sich aus der wachsenden Einspeisung regenerativer Energie ergibt. Erste technologische Lösungen sind bereits in der Erprobung. Hierzu werden zwei Konzepte miteinander kombiniert: die kurzzeitigen Tagesschwankungen gleicht ein Gasspeicher aus,der nachts Biogas sammelt und tagsüber zusätzlich abgibt. Gleichzeitig wird die Biogasanlage von der Spitzenleistung im Winter zum Sommer hin langsam heruntergefahren und entsprechend zum Folgewinter hin wieder hoch.

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