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12/09: Koalitionsvertrag – Vollgas mit angezogener Handbremse

Die neue Regierung bekennt sich zwar zu Energie aus Sonne, Wind und Biomasse, will aber gleichzeitig Atom- und Kohlekraftwerke fördern. Damit bremst sie im Strommarkt eine Energieumstellung auf neue Energien aus, fürchtet die Branche. Auch die jüngsten Vorschläge zur Biokraftstoffbesteuerung reichen nach Ansicht von Kritikern nicht aus.

Lesezeit: 9 Minuten

Die neue Regierung bekennt sich zwar zu Energie aus Sonne, Wind und Biomasse, will aber gleichzeitig Atom- und Kohlekraftwerke fördern. Damit bremst sie im Strommarkt eine Energieumstellung auf neue Energien aus, fürchtet die Branche. Auch die jüngsten Vorschläge zur Biokraftstoffbesteuerung reichen nach Ansicht von Kritikern nicht aus. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) bewertet den Koalitionsvertrag im ereich Energiepolitik insgesamt mit der Note befriedigend. Positiv hervorzuheben sei aus Sicht der Branche, dass die neue Regierung die maßgebliche Rolle der Erneuerbaren Energien bei der Energieversorgung anerkennt und betont. Maßgeblich sei auch die Betonung des Vorrangs für Erneuerbare Energien und das klare Bekenntnis zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Vorschnellen Änderungen dieses erfolgreichen Gesetzes, wie sie im Vorfeld der Verhandlungen lautstark gefordert wurden, habe die Regierung eine Absage erteilt.

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Fokus auf Speichertechnologie begrüßt


Positiv beurteilt der Branchenverband die Betonung der Speicherentwicklung und die angekündigten Anreize für regenerative Kombikraftwerke. Dies seien entscheidende Schritte auf dem Weg zur erneuerbaren Vollversorgung. Als falsche Weichenstellung bewertet der BEE dagegen die Aufkündigung des Atomkonsenses. Mit längeren Laufzeiten für Kernkraftwerke drohe die zunehmende Verstopfung der Stromnetze und eine Einschränkung des Vorranges für Erneuerbare. Enttäuschend sei das Ergebnis der Verhandlungen im Wärmesektor. Zwar werde am Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz und dem Marktanreizprogramm festgehalten. Es mangele jedoch an einer verlässlichen Fortführung der Förderung und an neuen Impulsen, um das große Effizienzpotenzial und die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten für Erneuerbare Energien in diesem wichtigen Sektor schneller zu erschließen. Im Mobilitätssektor nenne der Koalitionsvertrag das begrüßenswerte Ziel, den Markt für reine Biokraftstoffe wiederzubeleben. Aussagen zur Anhebung der Quote für Biokraftstoffe und konkrete Vorschläge zur Förderung Erneuerbarer Elektromobilität seien dagegen nicht zu finden.


Widersprüche im Vertrag


Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sieht drei zentrale Widersprüche in den energie- und klimaschutzpolitischen Aussagen des Koalitionsvertrages:


1. Das begrüßenswerte Ziel, die Treibhausgas-Emissionen bis 2050 "um mindestens 80 Prozent" zu mindern, stehe in einem unauflösbaren Widerspruch zur gleichzeitig erklärten Absicht, "auch weiterhin den Bau von hocheffizienten Kohlekraftwerken (zu) ermöglichen". 2. Die richtige Absicht, die erneuerbaren Energien weiter auf Basis des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) auszubauen und den unbegrenzten Einspeisevorrang zu erhalten, vertrage sich nicht mit einer Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken; mit zunehmendem Ausbau der Stromerzeugung aus Wind und Sonne entstehen wachsende Systemkonflikte. 3. Schließlich untergrabe die Koalition ihre Ankündigung von mehr Wettbewerb auf den Energiemärkten, indem sie den vier marktbeherrschenden Stromkonzernen mit verlängerten Laufzeiten der Atomkraftwerke zweistellige Milliardengeschenke mache und so deren Übermacht zulasten neuer Marktteilnehmer zementiere. Massive Kritik an Laufzeitverlängerung


Auch Renate Künast, Fraktionsvorsitzende der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen, kritisiert die Pläne, den Atomausstieg teilweise zurückzunehmen: "Atomkraftwerke länger laufen zu lassen, ist umweltpolitisch unverantwortlich, energiepolitisch unnötig und wird die Menschen in Deutschland langfristig teuer zu stehen kommen. Längere Laufzeiten für AKWs erhöhen die Gefahr atomarer Unfälle, vergrößern die Menge gefährlichen Atommülls erheblich und stoppen den Boom der erneuerbaren Energien." Kritik auch von der SPD: "Bereits heute werden in einzelnen Teilen Deutschlands die Einspeisungen Erneuerbarer Energien trotz der vorhandenengesetzlichen Vorrangregelung im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) abgeregelt - die Netzbetreiber berufen sich hierbei auf die notwendige Aufrechterhaltung der Systemsicherheit. Durch eine Laufzeitverlängerung von AKWs wird sich der Systemkonflikt enorm verschärfen und in immer höherem Ausmaß die Einspeisung Erneuerbarer Energien verhindern", befürchten Dirk Becker, SPD-Berichterstatter für Erneuerbare Energien, und Marco Bülow, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. "Die Kernenergie ist als Brückentechnologie vollkommen ungeeignet", urteilt Albert Filbert Vorstandsvorsitzende der HEAG Südhessischen Energie AG (HSE). Kernkraftwerke seien nicht in der Lage, notwendige Schwankungen bei der Einspeisung aus regenerativen Quellen auszugleichen. Hier bestehe aber eine der wesentlichen Anforderungen bei der zukünftigen Stromerzeugung Wichtige Investitionen in die Modernisierung der Erzeugungsstrukturen, insbesondere der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, würden mit dem Ausstieg aus dem Ausstiegsbeschluss aufgeschoben. Damit werde das derzeitige Erzeugungsmonopol auf lange Zeit festgeschrieben.


Windbranche lobt Stetigkeitsbonus


Der Bundesverband Windenergie (BWE) begrüßt, dass die Bundesregierung die Speicherfähigkeit der erneuerbaren Energien befördern will. "Ein wichtiges Signal ist die Ankündigung, dass für eine gleichmäßige Versorgung ein Stetigkeitsbonus eingeführt werden soll", so Albers. Der BWE werde sich an der Weiterentwicklung bereits bestehender Konzepte und an deren Umsetzung beteiligen. Die Förderung einer bedarfsgerechten Einspeisung sei aus Sicht des Verbandes eine zentrale Vorbedingung für die künftige Marktfähigkeit der erneuerbaren Energien im Strommarkt. Insofern komme dieser Schritt zur rechten Zeit. Speziell im Bereich der Windenergie will sich die Bundesregierung zukünftig für verbesserte Rahmenbedingungen für das Repowering einsetzen. Wie diese Verbesserungen jedoch konkret ausgestaltet sein könnten, dazu wird in der Vereinbarung keine Angabe gemacht. Albers: "Hierzu wird der BWE in den kommenden Monaten weitere Vorschläge liefern". Die termingerechte Anbindung der Offshore- Windparks an das Stromnetz ist laut Vertragswerk zügig und effektiv zu realisieren. Aus Sicht des BWE sind Planungssicherheit und vor allem ein rascher Netzausbau sowohl für den Ausbau auf See als auch für den Ausbau an Land zu meistern. Überraschend ist die Ankündigung, dass zukünftig der EEG-Erfahrungsbericht in einem Drei-Jahres-Rhythmus vorgelegt werden wird, und dass bereits mit Wirkung zum 1.1.2012 eine EEG-Novelle auf den Weg gebracht werden soll. Diese nicht unerhebliche Beschleunigung erfordere, dass die Hersteller, Planer und Investoren nicht in kurzen Abständen mit neuen Bewertungen und Tarifdiskussionen verunsichert werden. "Es muss nun schnell Sicherheit über die entsprechenden Rahmenbedingungen vermittelt werden, sonst wird die Entwicklung der Windenergie abgebremst", so Albers.


Branche warnt vor Kürzung der Solarvergütung


Zur geplanten Kürzung der Photovoltaik-Vergütung erklärt Gerhard Stryi-Hipp, Leiter Energiepolitik am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg: "Die durch den verstärkten Wettbewerb verursachten Preissenkungen bei Photovoltaikanlagen können nicht sofort durch Kostensenkungen aufgefangen werden, weshalb die Photovoltaik-Hersteller weniger Gewinne oder sogar Verluste ausweisen". Um die Zusatzkosten für die Stromverbraucher zu limitieren, sollte im Interesse des Erhalts des EEG die Vergütung kurzfristig reduziert werden. Aber eine zu starke Absenkung würde entweder den Markt kollabieren lassen, falls die Preise nicht entsprechend sinken oder die Photovoltaik-Industrie in einen ruinösen Wettbewerb stürzen, da diese nicht mehr kostendeckend produzieren könne. Stryi-Hipp: "Deshalb empfehlen wir eine rasche Absenkung der EEG-Vergütung mit Augenmaß, die sich an den realen Kostensenkungsmöglichkeiten orientiert und damit das Überleben der Photovoltaik-Industrie in Deutschland ermöglicht." Da mehr als 50.000 Jobs allein in der Solarwirtschaft im handwerklichen Bereich aufgebaut worden sind, wäre es fatal, mit einer Kürzung der Einspeisevergütung die positive Entwicklung auch für die solare Mobilität zu gefährden, warnt der Bundesverband Biogene und Regenerative Kraft- und Treibstoffe e.V. (BBK). Rückendeckung kommt auch vom Bund der Energieverbraucher e.V.: Eine dramatische Absenkung der Einspeisevergütung würde die PV-Branche insgesamt tödlich treffen und die Aufbauarbeit der vergangenen Jahre mit einem Schlag zerstören. Die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) begrüßt den Vorschlag, die Förderung der Photovoltaik zu überprüfen und dafür auch die Solar-Branche anzuhören. "Wir freuen uns über dieses zielführende Angebot der neuen Regierung und sind bereit, hier konstruktiv mitzuarbeiten", erklärt DGS-Präsident Jörg Sutter. Den Zeithorizont für die geplante EEG-Novellierung zum 1.1.2012 beurteilt Sutter als ausreichend für eine intensive Diskussion und zur Vorbereitung für Anbieter, Investoren und Verbraucher.


Biokraftstoffhersteller machen Druck


Der BBK hofft auch eine schnelle Korrektur bei der Besteuerung der Biokraftstoffe: "Bei Reinbiodiesel (B 100) und Pflanzenöl liegen von den jetzigen Regierungsparteien klare Versprechen zur Kursänderung vor. "Hier möchten wir die CDU/CSU und die FDP bei dem Versprechen in die Pflicht nehmen, den gegenwärtigen ruinösen Zustand der Mittelstandskraftstoffe B100 und Pflanzenöl durch Einführung einer dynamischen Steuer wieder zu korrigieren", erläutert BBK-Präsident Peter Schrum. Dadurch können in Deutschland wieder Hunderttausende Jobs entstehen, und der Tanktourismus von über 3 Mio LKWs würde endlich beendet. Der Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe) hat die im Koalitionsvertrag vereinbarte Markteinführung von Benzin mit zehn Prozent Bioethanol (E 10) begrüßt. Die Einigung sei ein entscheidender Schritt, um das Hin und Her bei E 10 endlich zu beenden. Mit der zehnprozentigen Beimischung würden das CO2-Einsparungspotenzial von Bioethanol besser ausgeschöpft und die EU-Klimaschutzziele für den Straßenverkehr effizienter verwirklicht, erklärte BDBe-Geschäftsführer Dietrich Klein.


Einfrieren der Biokraftstoffsteuer reicht nicht aus


Inzwischen hat die Bundesregierung einen Lösungsvorschlag für die Biokraftstoffbesteuerung unterbreitet. Der Entwurf des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes beschäftigt sich auch mit der Förderung der Biokraftstoffe. "Das vorgesehene Einfrieren der Energiesteuer für Biodiesel und Pflanzenölkraftstoff auf einen Satz von 18,46 Cent/Liter ist jedoch völlig unzureichend, um eine Perspektive für die Hersteller zu schaffen", kritisiert Bernd Kleeschulte, Vorsitzender des Ölsaatenausschusses des Bundesverbandes der Agrargewerblichen Wirtschaft (BVA). Im vergangenen Jahr hätten massive Umsatzeinbrüche und Insolvenzen gezeigt, dass die Unternehmen auf diesem Steuerniveau nicht betriebswirtschaftlich arbeiten können. In der Arbeitsgruppe der Fraktionen "Agrar und Umwelt" war im Zuge der Koalitionsverhandlungen noch ein Steuersatz von 10 Cent per Liter im Gespräch. Diesen Vorschlag unterstützen der BVA nachdrücklich. Weiterhin vermisst Kleeschulte eine Differenzierung in der politischen Diskussion. Der zumeist mittelständisch geprägte Reinkraftstoffhersteller, der B100- und Rapsölkraftstoffe liefert, kämpft mit anderen Rahmenbedingungen. "Uns fehlt der Zugang zur Mineralölindustrie, wir können daher von der Biokraftstoffquote nicht profitieren und sind auf Käufer aus dem Speditionsgewerbe angewiesen". Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz geht auch Dr. Christel Happach-Kasan, Agrarexpertin der FDP-Bundestagsfraktion, nicht weit genug: "Das von Finanzminister Schäuble vorgesehene Einfrieren der Steuersätze ist nicht ausreichend. Der Biokraftstoffbericht der Bundesregierung zeigt auf, dass nur eine deutliche Senkung der Besteuerung von Reinbiokraftstoffen eine Wiederbelebung des Marktes bewirken kann." Der im Gesetzentwurf angegebene Minderertrag gegenüber der jetzigen Regelung in Höhe von 52 Mio. € ist nach Einschätzung der FDP zu hoch gegriffen. Die Mindereinnahmen durch den verringerten Steuersatz würden kompensiert durch höhere Mehrwertsteuereinnahmen. Der derzeitige Tanktourismus der deutschen Spediteure könne durch eine Senkung der Steuer auf Reinbiokraftstoffe beendet werden. Das führe insgesamt zu höheren Steuereinnahmen. Etwa 43 % der deutschen Spediteure tanken laut Happach-Kasan im grenzüberschreitenden Verkehr. (neu)

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