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Neues EEG: Von wegen Vertrauensschutz!

Lesezeit: 6 Minuten

Wer derzeit eine Biogas- oder Windkraftanlage plant, muss mit deutlich weniger ­Einspeisevergütung rechnen, wenn er nicht bis zum 22. Januar eine Genehmigung für seine Anlage erhalten hat. Doch ist das überhaupt rechtens?


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Die Vorschläge von Energieminister Sigmar Gabriel für eine Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) treffen die Branche ins Mark. Nicht nur für künftige Anlagenbetreiber hält das Papier bittere Pillen parat, sondern auch für diejenigen, die derzeit noch nach dem bislang gültigen Gesetz eine Anlage planen.


So steht es zumindest in einem Arbeitsentwurf der Bundesregierung zur EEG-Reform (Stand 13. Februar 2014). In schwer verständlichem Beamten- Deutsch heißt es dort sinngemäß: Wer seine Anlage bis zum 1. August 2014 in Betrieb nimmt, für den gilt nach wie vor das bislang noch gültige EEG 2012. Alle, die nach dem 1. August dieses Jahres ihr Kraftwerk an das Stromnetz anschließen, müssen sich allerdings nach dem neuen EEG richten. Das Pikante an dieser Regel: Windparks oder beispielsweise Biogasanlagen lassen sich nicht innerhalb von ein paar Monaten planen und „einfach mal so eben in Betrieb nehmen“, kritisierte der Rechtsanwalt Prof. Dr. Martin Maslaton aus Leipzig auf einer Tagung des Biogasarbeitskreises der Landbauberatung Peine in Niedersachsen Anfang Februar.


Gabriels Schnellschüsse.

Das weiß auch Gabriel und so hat er in seinem Papier eine Ausnahme formuliert, die Experten allerdings für einen „Witz“ halten: Vertrauensschutz genießen nur Anlagenbetreiber, die bis einschließlich 22. Januar 2014 eine Genehmigung nach Bundes-Imissionsschutzgesetz bzw. Bundesrecht für ihr Vorhaben erhalten haben und ihre Anlagen bis zum 31. Dezember 2014 in Betrieb nehmen. Anders ausgedrückt: Wer derzeit eine Anlage plant, bis zum 22. Januar 2014 aber noch keine Genehmigung erhalten hat, für den gelten automatisch die neuen Bedingungen, die um einiges schlechter ausfallen dürften als die derzeit gültigen. Das Nachsehen haben der Logik zufolge auch diejenigen, die zwar bereits eine Baugenehmigung in den Händen halten, aber ihre Anlage womöglich nicht bis zum 31. Dezember 2014 ans Netz anschließen können – weil z. B. nun viele Anlagenbauer unter einen enormen Zeitdruck geraten und die vielen Aufträge in diesem Jahr unter Umständen nicht abarbeiten können. Maslaton gibt auch zu bedenken: „Was ist mit all denjenigen, die rechtzeitig die vollständigen Unterlagen für die Genehmigung eingereicht haben, aber die Behörde sich Zeit gelassen hat?“


Die Rasenmähermethode des Bundeswirtschaftsministeriums sorgt daher branchenübergreifend für Unverständnis. „Gerade Windkraftprojekte erfordern teilweise jahrelange Planungen, ein durchschnittliches Genehmigungsverfahren dürfte hier weit über ein Jahr dauern. Zudem sind bereits im Vorfeld immense Investitionen in Hinblick auf Naturschutz-, Lärmschutz- und Schallschutzgutachten etc. beizubringen“, so Rechtsanwalt Dr. Helmut Loibl aus Regensburg. Der 22.1.2014 ist als Stichtag angesichts von Planungszeiträumen von drei bis fünf Jahren bei der Windenergie an Land völlig unrealistisch. Das betont auch der Bundesverband der Wind­energie.


Große Probleme.

Andrea Horbelt, Pressesprecherin vom Fachverband Biogas, stößt ins gleiche Horn: „Sowohl für Landwirte als auch für die Hersteller bringt der Stichtag große Probleme mit sich.“ Viele potenzielle Biogasanlagen könnten nun nicht gebaut werden, sagte sie gegenüber top agrar. Für die Hersteller bedeute das unterm Strich leere Auftragsbücher. Möglicherweise müssten diese nun noch mehr Mitarbeiter entlassen.


Jörg Tiemann aus dem münsterländischen Steinfurt-Hollich (NRW) ist einer der Betroffenen. Er ist Mitglied der Geschäftsführung eines Bürgerwindparkes in Hollich-Sellen, den er zusammen mit 220 Kommanditisten betreibt. Vor rund drei Jahren begannen die Windmüller damit, einen weiteren Park zu planen: 16 Mühlen mit einer Gesamtleistung von rund 45 Megawatt sollen einmal die Energiewende in Deutschland unterstützen. Viele Hunderttausende von Euros flossen in die Planung und die für die Genehmigung wichtigen Naturschutz-Gutachten. Es gab sogar mit einigen Anlagenbauern Vorverträge für die Lieferung der Mühlen und eine Finanzierungszusage lag auch vor.


Eigentlich sei man kurz vor dem Ziel gewesen. Im Frühjahr hätte es losgehen können, wenn das Gabriel-Papier nicht dazwischen gekommen wäre. Denn den Westfalen fehlt noch die Genehmigung. Daher rutschen sie möglicherweise nun ins neue EEG, womit aber auch die Zusage der Bank nicht mehr gültig ist. Die war nämlich an das alte Gesetz geknüpft. Das hat Folgen: Die Hollicher werden die Anlagen nicht mehr in diesem Jahr bauen. Und weitere Geldgeber können sie auch erst anwerben, wenn eine neue Finanzierungszusage vorliegt.


Auch Biogaserzeuger hat das Papier kalt erwischt. Ein Leser aus Süddeutschland, der anonym bleiben möchte: „Wir planen unsere Anlage bereits seit einem Jahr. Erste Gespräche mit Herstellern haben stattgefunden. Aber damit haben wir nicht gerechnet. Wir haben unzählige Stunden in die Planung gesteckt. Das kann doch nicht alles umsonst gewesen sein.“


Weiter Ruhe bewahren.

Doch was tun? Rechts­anwalt Dr. Helmut Loibl aus Regensburg sieht die Sachlage so: „Die Vorgaben sind nach meiner persönlichen Einschätzung mit rechtsstaatlichen Grundsätzen in keinster Weise zu vereinbaren.“ Der rechtsstaatliche Vertrauensgrundsatz fordere hier eine angemessene Übergangsfrist, welche auch die übliche Verfahrensdauer berücksichtige. „Hier dürfte der Stichtag 22.1.2014 keinesfalls haltbar sein“, fügt er hinzu.


Deshalb rät er davon ab „die Flinte nun ins Korn zu werfen“. Die Projekte sollten in jedem Fall weiter vorangetrieben werden. Das Papier sei ein Vorschlag, kein Gesetz. „Wer jetzt untätig bleibt, kann sich später wohl kaum auf einen dadurch entstandenen Schaden berufen, weil im Arbeitsentwurf etwas vom 22.1.2014 festgeschrieben wurde, wenn dies nachher nicht Eingang in das Gesetz findet“, so Loibl.


Auch der Bundesverband Windenergie rät: „Wir kämpfen jetzt erst einmal um vernünftige Lösungen. Unseren Mitgliedern raten wir, kurz vor dem Abschluss stehende Planungen im Rahmen des Risikomanagements weiter zu verfolgen“, sagte die Präsidentin Sylvia Pilarsky-Grosch gegenüber top agrar.


Rechtsanwalt Maslaton hat die Hoffnung, dass Gabriel noch Einsicht hat und die Stichtag-Regelung fallen lässt.


Prominente Unterstützung hat die Branche im Übrigen auch von der CSU. Lesen Sie dazu auch das Interview mit Bundeslandwirtschaftsminister Hans- Peter Friedrich auf der Seite 42.


Bürgerwindparkbetreiber Tiemann gibt sich daher optimistisch. Er und seine Mitstreiter werden weiter planen und Verhandlungen mit den Banken und Herstellern führen. Mit welchen Konditionen sie aber rechnen können, weiß wohl selbst Sigmar Gabriel nicht.


Diethard Rolink

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